Interimspräsident Rainer Koch:Wie ein Jurist aus Poing die DFB-Affäre aufklären will

Rainer Koch, vice president of the German Football Association (DFB) outside the DFB headquarters in Frankfurt

Der Jurist Rainer Koch will beim DFB aufklären.

(Foto: REUTERS)

Ein Verteidiger geht in die Offensive: Der Jurist Rainer Koch aus Poing will als Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bunds die Affäre um die WM-Vergabe und die dubiosen Zahlungen aufklären.

Porträt von Stefan Galler

Es gehört zum Werdegang eines engagierten Funktionärs, dass man ab und zu aneckt, sich nichts gefallen lässt und im Zweifelsfall eben auch die Konfrontation sucht. All das ist auch Rainer Koch nicht fremd. Meistens jedoch sind solche Dinge bei ihm bisher intern abgelaufen. Nur selten suchte der promovierte Jurist aus Poing im Landkreis Ebersberg und aktuelle Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) die Öffentlichkeit, um lautstark seine Meinung über andere Personen kundzutun.

Doch wenn es ihm zu bunt wird, dann kann er, der als aktiver Fußballer Verteidiger war, durchaus in die Offensive gehen. So wie im Frühsommer 2015 vor rund 10 000 Zuhörern bei der Eröffnung der ersten Fußballiade in Landshut, einer gigantischen Veranstaltung für den Amateurfußball, die Koch selbst initiiert hatte. "Wir sind der Fußball, nicht die Herren der Fifa aus Zürich. Die gehören auf die Intensivstation", schmetterte der seit 2004 amtierende Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV), der seit 2007 darüber hinaus DFB-Vizepräsident ist und seit 2011 den Süddeutschen Fußballverband (SFV) leitet. Selbstverständlich spendete ihm das Fußballvolk dafür tosenden Beifall.

Interims-Chef des DFB

Damals ahnte der 56 Jahre alte Richter am Oberlandesgericht München gewiss noch nicht, dass die Fifa-Korruptionsaffäre auch nach Deutschland schwappen würde. Und schon gar nicht, dass er im Zuge der Enthüllungen über dubiose Zahlungen des Organisationskomitees der Weltmeisterschaft 2006 plötzlich in die Verantwortung rücken würde. Gemeinsam mit Reinhard Rauball, dem Präsidenten der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und von Borussia Dortmund leitet Koch nach dem Rücktritt des bisherigen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach zumindest vorübergehend die Geschäfte des mit fast sieben Millionen Mitgliedern größten Sport-Fachverbands der Welt.

Eines wurde schon bei seinen ersten Statements in neuer Funktion klar: Er tritt als Krisenmanager behutsam auf, auch wenn er es sich zumindest nicht nehmen lässt, Franz Beckenbauer aufzufordern, sich "intensiver in die Aufklärung der Vorgänge einzubringen". Und er setzt auf absolute Transparenz.

Interesse an der Aufklärung

Koch verliert kein böses Wort über den zurückgetretenen Präsidenten ("Wir haben hohen Respekt vor der Entscheidung von Wolfgang Niersbach. Wir haben ihm in großer Geschlossenheit gedankt für sein engagiertes Wirken") und äußert keine Ambitionen auf eine mögliche Nachfolge: "Ich habe Interesse daran, dass wir den Sachverhalt lückenlos und vollständig aufklären. Ich habe Interesse daran, dass der DFB weiter reibungslos funktioniert. Ich habe Interesse daran, gemeinsam mit Reinhard Rauball die Dinge geordnet zu regeln", sagte Koch am Rande einer Veranstaltung am Dienstag.

Der nächste reguläre DFB-Bundestag, auf dem der Präsident normalerweise gewählt wird, ist für November 2016 terminiert. Vermutlich wird nun ein außerordentlicher Bundestag angesetzt, womöglich im Frühjahr. "Gehen Sie davon aus: Wir werden bei der Euro 2016 vollständig geordnet aufgestellt sein", sagt Koch.

Rainer Koch, geboren 1958 in Kiel und als Bub mit seiner Familie nach Bayern gekommen, weiß genau, wie es bei der Ämtervergabe läuft: Diejenigen, die zuerst ihre Nase in den Wind hängen, erreichen ihr Ziel in den seltensten Fällen. Und so äußert er sich zurückhaltend, macht seinen Job und ist stets versucht, sich keine Blöße zu geben - so, wie er das im Laufe seiner Funktionärslaufbahn immer getan hat.

Heftige Auseinandersetzungen mit den Funktionären

Dennoch blieb Koch von öffentlichen Auseinandersetzungen nicht verschont, vor allem mit Niersbachs Vorgänger und Intimfeind Theo Zwanziger hatte auch er einige heftige Auseinandersetzungen. Zum Bruch kam es 2011 im Laufe der Affäre um den Schiedsrichter-Obmann Manfred Amerell, der beschuldigt wurde, einen jungen Unparteiischen zu einer sexuellen Beziehung genötigt zu haben. Koch fühlte sich, obwohl er als DFB-Vize damals das Thema Schiedsrichter verantwortete, vom untersuchenden Ausschuss nicht rechtzeitig und umfassend informiert. Also gab er die Zuständigkeit für diesen Bereich zurück.

Zwanziger reagierte beleidigt und soll Koch intern Fahnenflucht vorgeworfen haben. Im DFB unterstellten ihm Einzelne, Amerell zu sehr protegiert zu haben. "Solche Behauptungen haben mich persönlich getroffen", sagte Koch damals. Den Fachbereich erhielt er übrigens nach Niersbachs Wahl zum Präsidenten zurück, zudem wurde er 2013 zum "1. DFB-Vizepräsidenten Amateure" gewählt.

Geschätzter Schiedsrichter

Die Schiedsrichterei begleitet ihn seit der Jugend, Koch beendete bereits mit 21 Jahren seine aktive Karriere, weil er lieber Spiele leiten wollte. Er hatte beim TSV Poing und Kirchheimer SC gekickt, dort wurde er anschließend Jugendtrainer. Als Schiedsrichter pfiff er zwischen 1975 und 1986 etwa 850 Amateurpartien bis hinauf zur Bayernliga, anschließend setzte ihn der BFV als Schiedsrichterbeobachter ein. Parallel trieb er seine berufliche Laufbahn voran, promovierte und trat in den bayerischen Justizdienst ein.

1998 übernahm er den Vorsitz des DFB-Sportgerichts, den er bis zu einer Wahl zum DFB-Vizepräsident 2007 innehatte. In seine Zuständigkeit fiel unter anderem 2006 der Wett- und Manipulationsskandal um den Berliner Schiedsrichter Robert Hoyzer, gegen den das Sportgericht eine lebenslange Sperre verhängte sowie das Verbot, jemals wieder ein Amt im DFB, seinen Mitgliedsverbänden oder deren Vereinen auszuüben. Kochs Urteilsbegründung: "Herr Hoyzer hat dem deutschen Fußball und insbesondere dem Schiedsrichterwesen unermesslichen Schaden zugefügt."

Koch begeht viele neue Wege

Als Vorsitzender des Bayerischen Fußball-Verbandes hat der Träger des Bundesverdienstkreuzes viele neue Wege beschritten: Unter seiner Leitung wurde auf der Internetseite des BFV nicht nur ein Live-Ticker-System für Amateurspiele implementiert, sondern auch eine allwöchentliche Sportschau für Regional- und Bayernliga unter dem Titel bfv.tv. Die Einführung von BFV-Nachwuchsleistungszentren ist ebenso ein Werk Kochs wie die bayernfreundliche Einteilung der vierthöchsten deutschen Spielklasse im Jahr 2012: Der Freistaat hat als einziger eine eigene Staffel ("Regionalliga Bayern"), die übrigen tragen die Zusätze Nord, Nordost, West und Südwest.

Er propagierte stets die unnachgiebige Bestrafung von Rassismus und jedweder Art von Fanausschreitungen im Fußball und trat für den Breitensport ein. So initiierte er etwa 2010 die Kampagne "Pro Amateurfußball", die von der UEFA als bestes Projekt 2014 mit dem Preis "Grassroots-Day-Award" ausgezeichnet wurde.

Und auch in der Kommunalpolitik redet Rainer Koch mit: Seit 1990 sitzt der Vater einer Tochter für die SPD im Poinger Gemeinderat, hält sich dort allerdings mittlerweile eher im Hintergrund. Auch hier betreibt er Nachwuchsarbeit: Er rekrutiert politische Talente.

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