Intensivmedizin:Alles belegt

In München gibt es zu wenig Intensivbetten. Doch das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder baut ein neues Gebäude und erweitert seine Intensivmedizin

Von Jakob Wetzel

Wie nötig diese Erweiterung sei, habe man erst Mitte der vergangenen Woche wieder gesehen, erzählt Franz Brettner. Da sei ein junger Patient mit einem Aortenaneurysma im Brustbereich gekommen, also mit einer akuten, krankhaften Erweiterung der Hauptschlagader. Die Zeit drängte: Je näher ein solches Aneurysma am Herzen liege, desto gefährlicher sei es, sagt Brettner, der Chefarzt der Intensivmedizin und ärztlicher Direktor im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Nymphenburg. Wäre die Aorta gerissen, hätte der Patient verbluten können.

Bei den Barmherzigen Brüdern war für den jungen Patienten an diesem Tag kein Platz: Die Intensivbetten waren belegt, auch die anderen Münchner Kliniken hatten keine Kapazitäten mehr. Am Ende landete der Patient in einer Augsburger Klinik. Zwischendurch habe man gar überlegt, ihn nach Regensburg zu fliegen, sagt Brettner.

Auch die Notaufnahmen können die vielen Patienten kaum bewältigen

In ganz München gebe es zu wenige Intensivbetten. Auch in den Notaufnahmen sei das Patientenaufkommen enorm gestiegen. Das Ordenskrankenhaus an der Romanstraße aber bemüht sich derzeit, diesen Notstand zumindest etwas zu mildern.

Die Klinik hat an diesem Montag Richtfest gefeiert: Sie erweitert ihre Intensivmedizin. Im Osten des Geländes, wo früher eine Schwesternschule untergebracht war, ist nun ein von dem Architektenbüro Felix+Jonas geplanter Neubau zumindest im Rohbau fertig. Bis September 2018 sollen dort neben einer Intensivstation auch eine neue Notaufnahme entstehen. Parallel dazu nimmt das Krankenhaus an diesem Mittwoch einen umgebauten Trakt im Westen in Betrieb: Er enthält neben einer Leitstelle und Behandlungszimmern auch eine Intensivüberwachungsstation. 2500 Quadratmeter Nutzfläche wurden insgesamt um- und neugebaut, für knapp 28 Millionen Euro, wie Geschäftsführerin Nadine Schmid-Pogarell sagt. 17 Millionen Euro davon bezahlt der Freistaat. Statt wie bisher 19 Intensivbetten werde das Krankenhaus künftig 26 zur Verfügung haben.

Intensivmedizin: Chefarzt Franz Brettner präsentiert die neuen Räume im Krankenhaus Barmherzige Brüder in Nymphenburg. In diesem Fall zeigt er ein Intensivüberwachungsbett. Künftig gibt es davon zehn – neben 16 weiteren Betten auf der Intensivstation.

Chefarzt Franz Brettner präsentiert die neuen Räume im Krankenhaus Barmherzige Brüder in Nymphenburg. In diesem Fall zeigt er ein Intensivüberwachungsbett. Künftig gibt es davon zehn – neben 16 weiteren Betten auf der Intensivstation.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wie viele Betten es in München bräuchte? Das sei schwer zu sagen, erläutert Schmid-Pogarell. Intensivbetten seien im staatlichen Krankenhausplan nicht ausgewiesen. Doch wie groß der Mangel sei, könne sich jeder selber ansehen, sagt Brettner: Die Rettungsdienste orientieren sich an einem elektronischen Leitsystem, dem "Interdisziplinären Versorgungsnachweis". Das stehe im Internet. Und wer hier nach Intensivbetten suche, sehe bei vielen Kliniken rot: Alles ist belegt. Zur Not würden Kliniken zwangsbelegt, sagt Brettner.

Seine jetzige Erweiterung plant das Krankenhaus seit vielen Jahren; 2014 aber habe man die Pläne noch einmal geändert, um auf diese Entwicklung zu reagieren, sagt Schmid-Pogarell. Künftig soll es nun nicht nur mehr Betten, sondern auch einen neuen, zentralen Aufwachraum geben. Ein Fahrstuhl wird direkt von der Aufnahme in eine der Intensivstationen führen, bislang mussten Patienten um mehrere Ecken geschoben werden. Und auch die Rampe, die von außen zur Notaufnahme führt, wird bis Mitte 2019 durch eine neue ersetzt.

Dass es überhaupt eine Rampe gibt, ist der besonderen Lage des Krankenhauses direkt am Nymphenburger Schlossrondell geschuldet. Diese Lage ist für die Patienten hübsch, bedeutet aber, dass das Krankenhaus nicht zu hoch werden darf, um den Blick aus dem Schloss nicht zu stören. Deshalb duckt sich die Klinik hinter die Rondellmauer, erweitert wurde in der Vergangenheit nicht nur nach oben, sondern auch nach unten, und so gibt es an der Romanstraße ein Souterrain, das sogenannte Gartengeschoss. Die Notaufnahme dagegen liegt im Hochparterre.

Intensivmedizin: Geschäftsführerin Nadine Schmid-Pogarell im Souterrain des Neubaus, in dem das Richtfest stattgefunden hat.

Geschäftsführerin Nadine Schmid-Pogarell im Souterrain des Neubaus, in dem das Richtfest stattgefunden hat.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Krankenwägen müssen also eine Rampe hinauf, und dabei werde es auch bleiben, sagt Florian Kleinert, Bereichsleiter Bau und Technik des Krankenhauses. Man könne die Lage aber verbessern. Denn die bisherige Rampe ist problematisch. Einmal ist sie nicht stabil genug: Fährt ein Rettungswagen hinauf, federt sie nach, Kleinert spricht von einer "Katapultwirkung".

In München gibt es Rettungswägen mit einer Beule vorne rechts

Und sie trägt nur bis zu fünf Tonnen; ein Intensivtransport aber wiegt schon einmal mehr als das Doppelte. Oben wiederum haben maximal drei Rettungswägen Plätz, es kämen aber manchmal bis zu fünf, berichtet Schmid-Pogarell. Um zu wenden, ist die Haltefläche oben zu klein; ist ein Krankenwagen also erst einmal oben, muss er rückwärts wieder hinunter. Und die Rampe ist generell zu eng. Tatsächlich gebe es in München einige Rettungswägen mit einer charakteristischen Beule vorne rechts, sagt Intensiv-Chefarzt Brettner. Laut Schmid-Pogarell heißt die Beule unter Sanka-Fahrern schlicht "die Brüdermarke". Künftig soll die Rampe für die Wagen nicht nur stabiler, sondern auch breiter werden. Und die Haltefläche vor der Notaufnahme wird vergrößert.

Dabei steht der Ausbau nicht alleine: Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder wird seit Jahren erweitert und renoviert. Das nächste Projekt ist bereits geplant: "In absehbarer Zeit", so heißt es, sollen die Stationen aus den Fünfzigerjahren saniert werden, wie immer bei laufendem Betrieb.

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