Integration von Ausländern:Da kann ja jeder kommen

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Die deutsche Stadt mit dem höchsten Ausländeranteil ist nicht Berlin, sondern München. Warum in der Landeshauptstadt die Integration von Ausländern trotz der braunen Vergangenheit besonders gut gelungen ist.

Franz Kotteder

Man kann es sich einfach machen und sagen, der Münchner lebe generell nach der Devise "leben und leben lassen", und darunter fielen halt auch Ausländer. Das wäre freilich ein wenig zu viel an Lokalpatriotismus in einer Stadt, die in der Vergangenheit oft genug die anderen überhaupt nicht leben ließ, sondern sie im Gegenteil sogar umbrachte.

Im Bahnhofsviertel, hier in der Landwehrstraße, ahnt man am ehesten etwas vom hohen Ausländeranteil in München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Stadtgeschichte ist ja reich an Pogromen, und "Hauptstadt der Bewegung" war kein Titel, den die Nazis München 1935 aufnötigen mussten. Schlimmer noch: Einer ihrer Nachfolger sitzt heute im Stadtrat, unter dem Namen "Bürgerinitiative Ausländerstopp", gewählt 2008 mit immerhin 1,4 Prozent Stimmenanteil.

Wenn aber heute, gleich aus welcher politischen Richtung, über den Anteil von Ausländern an der Bevölkerung diskutiert wird, fällt fast nie der Name der Stadt. Das ist erstaunlich, weil München von allen deutschen Großstädten mit mehr als einer halben Million Einwohner mit den höchsten Ausländeranteil hat: 24 Prozent.

Zählt man die Deutschen mit Migrationshintergrund hinzu - also Eingebürgerte und jene mit mindestens einem ausländischen Elternteil -, so kommt man sogar auf einen Bevölkerungsanteil von 38 Prozent. München liegt damit weit vor Städten wie Berlin oder Hamburg, und das ist doch einigermaßen überraschend, weil etwa Kreuzberg immer wieder als Paradebeispiel genannt wird, wenn es um Probleme mit der Integration geht. München eignet sich da, trotz des hohen Ausländeranteils, offenbar kaum.

"München ist eine Einwanderungsstadt"

Das hat eine ganze Reihe von Gründen und vor allem damit zu tun, dass man sich in München der möglichen Problematik schon relativ früh bewusst gewesen ist und ihr nicht auswich. Der damalige Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD) sagte bereits Ende der 1960er Jahre: "München ist eine Einwanderungsstadt."

Die damaligen Einwanderer haben das enorme Wachstum und die Modernisierung Münchens ja auch erst ermöglicht, die großen Siedlungsprojekte wie das Hasenbergl oder Neuperlach, oder auch den U-Bahnbau und das Olympiagelände - alles Maßnahmen, für die es gar nicht genügend einheimische Arbeitskräfte gegeben hätte.

Ziemlich zur gleichen Zeit, 1972, erschien die erste städtische Studie über "kommunalpolitische Aspekte des wachsenden ausländischen Bevölkerungsanteils in München", und zwei Jahre später wurde der erste Ausländerbeirat gewählt. München war damit führend in der damaligen Bundesrepublik und ist es bis heute geblieben.

"Gute Mischung"

"Aktives Tun und aktives Wollen", sagt Martha Doll von der städtischen Stelle für interkulturelle Arbeit, sei das Prinzip der Integrationspolitik. Man fördere Normalität, politische Teilhabe und Chancengleichheit durch vielfältige Maßnahmen. Das fängt an bei der Kindertagesstätte und höre bei speziellen Förderstellen und Selbsthilfeprojekten noch lange nicht auf.

Eine wichtige Rolle spielte in der Vergangenheit auch die Wohnungspolitik mit der "Münchner Mischung": Bei Neubaugebieten wurden die Flächen aufgeteilt in ein Drittel Eigentumswohnungen, ein Drittel frei finanzierten Wohnungsbau und ein Drittel mit Sozialwohnungen. Das verhinderte Ghettobildung, wie sie in anderen Städten heute oft Probleme macht.

Eine "gute Mischung" sieht Martha Doll auch in der Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerungsanteile. Es gibt keine Nation, die übermäßig dominant wäre. Die größten Gruppen - Türken, Kroaten, Griechen, Italiener und Österreicher, in dieser Reihenfolge - lägen nahe bei einander, was die absoluten Zahlen angehe.

Die Politik, so scheint es, hat die Münchner Ausländer erfolgreich integrieren können. Noch nicht gelungen ist die Integration jenes allzu deutschen Bevölkerungsanteils, der 2008 die Rechtsradikalen ins Rathaus gewählt hat. Das wäre noch eine Aufgabe.

© SZ vom 10.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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