Olympiastadion:"Wir sind zuversichtlich, dass wir das Dach noch 50 Jahre bei Laune halten können"

Olympiastadion in München, 2011

Die Konstruktion des Zeltdachs über dem Olympiastadion ist auf Beweglichkeit ausgelegt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

80 Meter hohe Pylonen, 75 000 Quadratmeter Fläche - das Dach über dem Münchner Olympiastadion war schon beim Bau ein Wagnis. Und es hält schon deutlich länger, als die Bauherren erwartet hatten.

Von Marco Wedig

Schnüre nachspannen, Heringe ersetzen - wer schon mal zelten war, weiß: Ein normales Igluzelt kann ziemlich wartungsintensiv sein. Wie viel Arbeit steckt dann erst in einem 74 800 Quadratmeter großen Zeltdach? "Das Olympiazeltdach ist im Prinzip wartungsfrei", sagt Maral Krikorian, Technische Leiterin der Olympiaparkimmobilien bei den Stadtwerken München. Das Dach besitze ja keine mechanischen Teile, die regelmäßig gepflegt werden müssten. Das bedeute aber nicht, dass es nichts zu tun gäbe: Das Dach wird regelmäßig inspiziert und - wenn nötig - repariert.

Größere Schäden sind seit der Sanierung in den Neunzigerjahren nicht zu beobachten, aber hin und wieder muss eines der Dehnfugenbänder altersbedingt ausgetauscht werden. Diese Bänder umschließen die Plexiglasplatten. Sie halten das Dach dicht und dienen als Rinnen für das Regenwasser. Zudem lassen die Fugenbänder eine Verschiebung der Platten zu. Das ganze Konstrukt ist auf Beweglichkeit ausgelegt, auch die 58 mit Kugellagern versehenen Pylonen, die das Dach tragen.

Wie beweglich das Dach ist, erlebte Wasem Ajmail vor vielen Jahren. Er ist der Technische Leiter der Olympiapark München GmbH, die die Immobilie seit 2007 von den Stadtwerken gepachtet hat. Es war ein außergewöhnlicher Winter. Während einer Begehung stellte Ajmail fest, dass der Schnee das Dach an einer Stelle um 65 Zentimeter gesenkt hatte. Wäre die Anzeigetafel nicht im Weg gewesen, hätte es noch weiter nach unten gereicht. Aber die Schneelast wurde bereits beim Bau des Daches ausreichend berücksichtigt.

Vor Großveranstaltungen, mindestens aber einmal im Jahr, findet eine Begehung des Daches statt. Industriekletterer prüfen dabei das Seilnetz auf Korrosion. Alle drei Jahre nehmen externe Sachverständige das Dach unter die Lupe. Und alle zehn bis fünfzehn Jahre werden die Zuganker, die das Zeltdach spannen, geprüft. Rechnet man die Versicherungen und Nebenkosten hinzu, entstehen dadurch jährliche Kosten zwischen 200 000 und 250 000 Euro. Ajmail zückt den Taschenrechner. "Das sind zwischen 2,67 und 3,34 Euro pro Quadratmeter. Das ist nichts", sagt er.

In dem Jahr, in dem Ajmail anfing, für die Olympiapark München GmbH zu arbeiten, begann auch die Sanierung des Daches. 1995 war das. Regenwasser hatte das metallhaltige Brandschutzmittel in den Plexiglasplatten oxidieren lassen. Sie verfärbten sich milchig. Zudem wiesen sie alterbedingte Schäden auf und mussten ausgetauscht werden - während des laufenden Betriebs. Wie schon der Bau wurde auch die Sanierung zum wagemutigen Unterfangen. Aber Ajmail und seine Kollegen schafften es, alle Platten auszutauschen und den Korrosionsschutz der Seile und Gusskörper zu erneuern. Ob SH-M8 oder SP-M24 - seitdem gehen Ajmail die Namen der bis zu 80 Meter hohen Pylonen nicht mehr aus dem Kopf.

Zehn Jahre gaben die Architekten ihrem Entwurf

Und die nächste Sanierung? Sie wurde damals im Jahr 1997 schon prognostiziert, für das Jahr 2022. "Wir sind dran", sagt Krikorian. Die Voruntersuchung wurde schon ausgeschrieben. Wann genau zum zweiten Mal saniert wird, lässt sich aber nicht genau sagen. Die Versprödung der Plexiglasplatten ist schwer berechenbar. Auch wie viel die nächste Sanierung kosten wird, ist fraglich. Es kann sein, dass das Seilnetz ausgetauscht werden muss. Vielleicht würden diesmal auch andere Materialien verbaut - wenn der Denkmalschutz es zulässt. Viele Fragezeichen also. Die Verantwortlichen rechnen damit, dass es frühestens in zehn Jahren soweit sein wird.

Zehn Jahre - so lange hält das Dach maximal, glaubten die Bauherren damals. 45 Jahre nach der Fertigstellung 1972 hält es noch immer. "Wir sind zuversichtlich, dass wir das Dach noch 50 Jahre bei Laune halten können", sagt Krikorian. "Und das Dach ist momentan gut gelaunt", fügt Ajmail hinzu.

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