Insolvenzberater in München:Schulden machen krank

Viele Haushalte können ihre Schulden nicht bezahlen. Der finanzielle Druck macht Menschen depressiv und aggresiv. Die Stadt will helfen.

Sven Loerzer

Fast jeder zehnte erwachsene Münchner ist überschuldet. Etwa 53.000 Haushalte sind nicht mehr in der Lage, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Unter dem Druck, der auf überschuldeten Familien lastet, leiden Kinder ganz besonders.

Insolvenzberater in München: Viele Münchner können ihre Schulden nicht bezahlen.

Viele Münchner können ihre Schulden nicht bezahlen.

(Foto: Foto: dpa)

Um bei Schuldenproblemen ohne lange Wartezeiten helfen zu können, will die Stadt ihre eigene und die Schuldnerberatungen der Wohlfahrtsverbände bedarfsgerecht ausbauen. In einem ersten Schritt stockt die Stadt die Zahl der Schuldnerberater jetzt um sechs auf insgesamt 35 auf. Die zusätzlichen Kosten liegen bei einer halben Million Euro pro Jahr.

Schnellere Hilfe

Damit soll vor allem die Beratung von Alleinerziehenden und Familien mit Kindern verstärkt werden. "Wir wollen den Betroffenen besser, schneller und effizienter helfen", betont die sozialpolitische Sprecherin der Rathaus-SPD, Brigitte Meier.

"Oftmals geht finanzieller Druck einher mit depressiven oder spannungsgeladenen Stimmungen der Eltern, Ehekonflikten bis hin zu Gewalterscheinungen." Kinder aus armen und verschuldeten Familien hätten gegenüber Kindern aus finanziell gesicherten Verhältnissen Studien zufolge ein rund doppelt so hohes Risiko, in ihrer sprachlichen, sozialen und gesundheitlichen Entwicklung beeinträchtigt zu sein.

Jährlich kommen rund 4000 Münchner persönlich zu den Schuldnerberatungsstellen der Stadt und der Verbände. Weitere 4000 Anfragen gehen per Telefon oder Internet ein. 40 Prozent der Ratsuchenden, die persönlich erscheinen, beziehen Arbeitslosengeld II oder Arbeitslosengeld I, knapp fünf Prozent sind Sozialhilfebezieher.

Arbeitslosigkeit als Ursache für Verschuldung Arbeitslosigkeit, vor allem wenn sie länger als ein Jahr dauert, gilt als Hauptursache für die Überschuldung, erklärt Klaus Hofmeister, Leiter der städtischen Schuldner- und Insolvenzberatung. Überschuldung erweist sich aber auch als großes Hindernis beim Bemühen, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Arbeitgeber reagieren nicht gerade erfreut, wenn der Gerichtsvollzieher auftaucht, um die Lohnpfändung vorzunehmen.

"In vielen Fällen ist eine dauerhafte Vermittlung in Arbeit nur möglich, wenn die Schuldenproblematik der Betroffenen einer Lösung zugeführt wird", sagt Hofmeister. In die Schuldenklemme geraten zunehmend Beschäftigte aus dem Niedriglohnbereich, weil ihr Einkommen kaum reicht, den Lebensunterhalt zu decken. Oft unterschätzen Betroffene die Risiken bei der Aufnahme von Krediten, erliegen Werbeversprechen und machen sich nicht bewusst, wie lange und in welch belastender Höhe sie der Zahlungsverpflichtung nachkommen müssen.

So führe Überschuldung oft zu dauerhafter oder längerfristiger Armut. Studien zeigten zudem, dass überschuldete Menschen stärker von Krankheit, vor allem psychischer Art, betroffen seien. Wegen der finanziellen Not verzichteten die Betroffenen meist auf medizinische Hilfe und sparten an der Ernährung. Gerade Kinder träfen die negativen Auswirkungen von Überschuldung, so Hofmeister.

Der Anteil der Alleinerziehenden und der Familien mit Kindern liegt zusammen bei rund 45 Prozent. Unter den Klienten der Schuldnerberatung sind Alleinerziehenden-Haushalte mit einem Anteil von 20 Prozent weit häufiger zu finden, als es ihrem Anteil an allen Haushalten (3,4 Prozent) entspricht. Deutlich gestiegen ist auch der Anteil der Migranten, der nun 40 Prozent erreicht hat. Mehr als ein Drittel der Schuldner hat keine Berufsausbildung. Im Durchschnitt belaufen sich die Schulden auf rund 40000 Euro.

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