Münchner Staatsanwaltschaft ermitteltFührender Händler von wertvollstem Porzellan ist insolvent

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Die Opulenz des Ladens und der Messestände von Röbbig ist bekannt. Frühe Porzellane und Antiquitäten des 18. Jahrhunderts sind das Spezialgebiet.
Die Opulenz des Ladens und der Messestände von Röbbig ist bekannt. Frühe Porzellane und Antiquitäten des 18. Jahrhunderts sind das Spezialgebiet. (Foto: Röbbig/Highlights)

Die Kunsthandlung Röbbig in München, einer der weltweit führenden Händler für Meissener Porzellan, muss Insolvenzantrag stellen. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf „Betrug und Untreue“.

Von Susanne Hermanski und Evelyn Vogel

Wer seinen Fuß in die Räume der Kunsthandlung Röbbig setzte, betrat eine andere Welt. Es war, als landete man geradewegs in einem vergangenen Jahrhundert und stiege dort in eine zauberhafte Schatztruhe.

Wertvollste alte Porzellane  – da kann ein seltenes Vasen-Paar schon mal 130 000 Euro bei einer Auktion bringen – und exquisite Antiquitäten waren dort nicht einfach nur ausgestellt. Sie waren eingepasst in Salons und Kabinette, die jedem den Atem verschlugen, der eine Schwäche für Prunk und die Größe im Kleinen hatte. Ein italienischer Opernbühnenbildner hatte sie eigens geschaffen. Im Auftrag von Alfredo Reyes, dem letzten großen klassischen Händler von Kunst- und Kunsthandwerk der Stadt München, weltweit bekannt für seine Expertise in Meissener Porzellan.

Jetzt sind die Räume verlassen, der Insolvenzantrag läuft seit 10. Juni, und gegen Alfredo Reyes ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft. Grund dafür ist die „Strafanzeige eines möglichen Geschädigten“, es bestehe der Verdacht „des Betruges und der Untreue“, erklärt eine Sprecherin. Die Versuche der Süddeutschen Zeitung, Alfredo Reyes direkt oder eine seiner Mitarbeiterinnen zu erreichen, blieben unbeantwortet.

Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde Anfang Juni Dino Straub von der Kanzlei Jaffé durch die Staatsanwaltschaft bestellt. Der Insolvenzverwalter nimmt derzeit die Vermögenswerte auf und ermittelt die Besitzstände der einzelnen Objekte. Manche davon haben Museumsqualität. Alfredo Reyes von der Kunsthandlung Röbbig gilt nicht von ungefähr als einer der führenden Händler von Porzellanobjekten. Dass sie auch ihm gehören, ist nicht unbedingt gesagt. Geschäfte wie diese werden nicht selten mit Kommissionsware gemacht.

Dies wiederum erinnert an einen anderen aktuellen spektakulären Fall von Insolvenz und Betrugsverdacht in der Münchner Kunstwelt: das Aus der Galerie Thomas und die Ermittlungen gegen deren Besitzer Raimund Thomas und seine Tochter Silke, die Münchens Kunstwelt erst in diesem Frühjahr erschüttert haben und laut Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind.

Verdacht auf Untreue
:Kunstskandal erschüttert Münchens Sammlerszene

Die Galerie Thomas gehört seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Kunsthandlungen Deutschlands. Nun ist sie pleite, Inhaber Raimund Thomas an keiner seiner Adressen zu erreichen, Tochter Silke saß in U-Haft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines mutmaßlichen Schadens in zweistelliger Millionenhöhe. Wie kam es dazu?

SZ PlusVon Susanne Hermanski

„Hintergrund des Insolvenzantrags in der Causa Röbbig sind nach ersten Erkenntnissen bereits seit Längerem bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten des Eigentümers des Kunsthandels Gerhard Röbbig e.K“, erklärt Straub. Zudem hätten „hohe Fixkosten und schwieriger werdende Bedingungen im Markt für Antiquitäten zur Insolvenz beigetragen“. Ermittelt werden auch „etwaige weitere im In- und Ausland befindliche Vermögenswerte“. Je nach Ergebnis wird sich zeigen, wie das Insolvenzverfahren weiter verläuft.

Klar ist: „Der Geschäftsbetrieb kam bereits vorinsolvenzlich zum Erliegen“, wie Dino Straub mitteilt. Beim Blick auf die opulente Homepage des Unternehmens, findet man dort ein letztes „Kunstwerk des Monats“ vom Februar, einen liebevoll beschriebenen und fotografierten Sekretär aus dem 18. Jahrhundert. Ein Meisterwerk der Chinamode, versehen mit Lackpanelen aus Asien, die ein Meister namens Pierre Harry Mewesen in einen europäischen Korpus eingepasst hatte.

Die Messestände waren opulent, die Gala-Dinner legendär

Gerhard Röbbig und Alfredo Reyes hatten das gemeinsame Geschäft 1976 am Promenadeplatz eröffnet, den damals noch allerlei Kunsthandlungen säumten. Man handelte neben Porzellan aus der Manufaktur Meissen, außergewöhnliche Objekte von Du Paquier, Wien, oder von angesehenen deutschen Manufakturen wie Frankenthal, Fürstenberg, Nymphenburg oder KPM Berlin. Röbbig erfand aber auch selbst Vitrinen, die ihren fragilen Inhalt besonders schützen, präsentierte sie immer bezogen auf Interieurs speziell die des „Ancien regime“, einen Stil der absolutistischen Zeit vor der Revolution in Frankreich.

2004 zog die Kunsthandlung Röbbig in ein neues und wesentlich größeres Haus in der Brienner Straße in München, dessen Räume auch bereits als Salons eingerichtet waren. Als Gerhard Röbbig 2012 überraschend starb, übernahm Alfredo Reyes die Geschäfte. 2019 folgte ein erneuter Umzug in das neobarocke Carolinen Palais in der Brienner Straße 25. Dessen Bel Etage ließ Reyes den italienischen Bühnen-, Kostümbildner und Regisseur Massimo Pizzi Gasparon Contarini für seine Kundschaft gestalten. Zu diesen Porzellansammlern aus aller Welt gehört auch Amyn Aga Khan, der Bruder des im Februar gestorbenen, sagenumwoben reichen Familienoberhaupts Karim Aga Khan IV.

Das Unternehmen Röbbig war regelmäßig auf nationalen wie internationalen Kunstmessen vertreten. Allen voran auf der weltweit wichtigsten, der Tefaf in Maastricht. Auch auf dem Tefaf-Ableger in New York trat Röbbig zeitweilig auf und in den zurückliegenden Jahren auf der Brafa in Brüssel. Außerdem gehörte Alfredo Reyes mit Röbbig zu den Gründungsmitgliedern der Highlights in München.

Friedel Kirsch, Inhaberin von Langeloh Porcelain in Weinheim, lobt die Ware, die Röbbig regelmäßig präsentierte. Ihr Geschäft gehört mit mehr als 100 Jahren Familientradition zu den renommiertesten für Porzellane und Fayencen des 18. Jahrhunderts. Dass die durchaus ältere, recht kleine und erlesene Sammlerschaft für Porzellan schwindet, kann auch sie bestätigen. Für ihr Unternehmen laufe es dank Museumsankäufen gleichbleibend gut. Dass bei Röbbig Rechnungen offen standen, darüber sei in der Branche zuletzt gemunkelt worden, ohne dass man jedoch genaues gewusst habe.

Bei Kollegen hat Reyes einen guten Ruf

Münchner Kunsthändler wie Georg Laue und Alexander Kunkel betonen Alfredo Reyes’ Kennerschaft. „Er hat das Segment, das er vertreten hat, auf allerhöchstem Niveau und mit viel Leidenschaft gepflegt“, sagt Kunkel. Und auch Juana Schwan, Geschäftsführerin der Münchner Kunstmesse Highlights, betont Reyes’ Engagement: „Er hat immer für die Alte Kunst die Flagge hochgehalten.“

Die Feste und Gala-Dinner, die Reyes für seine Kunden gab, sind legendär. „Er verfolgte das Prinzip ‚nur das Beste‘“, sagt Hans Ottomeyer, der ehemaliger Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum in Berlin und Bayerns Fernsehpublikum als Sachverständiger der Sendung „Kunst und Krempel“ wohlbekannt. Er verweist auch auf die vielen fundierten, wissenschaftlichen Publikationen und Ausstellungen, die Reyes finanziert hat. So auch eine aus dem Jahr 2021 auf Schloss Chantilly nahe Paris. Allein der Katalog dazu ist ein Sammlerstück.

Die Zeitschrift Weltkunst berichtete zuerst über Reyes Fall. Sie prognostiziert, dass er weitreichende Folgen für den Handel mit Alter Kunst haben könnte. Die Causa Reyes bedeute einen „Imageschaden, wenn einer der engagiertesten Händler, der als Mitbieter auf Auktionen die Konkurrenz und die Gebote befeuerte, nicht weiter in Aktion tritt“, so schreibt das Fachblatt auf seinem Internetportal.  Und weiter mutmaßt es: „Die Meissen-Preise werden fallen“. Hans Ottomeyer hält das für eine Spekulation. Aber er spricht vom „Ende eines Säkulums“ im Zusammenhang mit dem Aus für das Haus Röbbig. „Es markiert einen weiteren Punkt des Untergangs der alten Kunststadt München“, sagt Ottomeyer.

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