Insolvenz der Firma Rieger:Ausverkauf beim König der Pelze

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Aufstieg und Fall eines Münchner Unternehmens: Die Geschichte der Firma Rieger, die ihr Geschäft jetzt schließen muss.

Christian Rost

Schönes kann Menschen verzaubern, Hertz Rieger weiß das schon in jungen Jahren. Der 1918 in Lemberg geborene Spross einer jüdischen Familie, der nach dem Zweiten Weltkrieg in München zum "Pelzkönig" aufsteigt und dessen einstiges Imperium jetzt von einem Insolvenzverwalter abgewickelt wird, wird in den Kriegsjahren in den sowjetischen Arbeitsdienst eingezogen.

Dort bei den Russen überlebt er den Holocaust, während die meisten Juden Galiziens unter deutscher Herrschaft umgebracht werden. "Wenn es irgendwie ging, hat er sich in dieser Zeit Blumen gewidmet, denen seine Liebe galt", erinnert sich eine langjährige Weggefährtin. Die Russen sollen von der Hingabe Riegers an die zarten Gewächse fasziniert gewesen sein - und wenn die Geschichte tatsächlich stimmt, denn seine Familie will über diese Jahre nicht sprechen, hat es der Blumenfreund ein wenig leichter als andere Zwangsverpflichtete gehabt. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzt er sich dennoch aus Stalins Reich in den Westen ab.

In München lässt er sich nieder, nicht als "Pfarrer, Richter oder wenigstens Architekt", wie er es sich ins einer Jugend vorgestellt hatte, sondern als Kürschner in den Fußstapfen seines Vaters. Mit seiner Frau richtet Rieger junior 1948 ein kleines Geschäft in Bogenhausen ein, aus seinem Startkapital, zwei Bund Persianerfelle, fertigt er die ersten Mäntel. Und nur wenn handwerkliches Geschick, Fleiß und eiserne Sparsamkeit wie in diesem Fall zusammenfinden, "wenn man immer nur ein Drittel dessen ausgibt, was man verdient", wie Rieger selbst einmal sagte, dann ist solch ein Aufstieg überhaupt möglich: 1951 lässt er sich mit seinem Laden am Isartor nieder.

Der Pelzhandel floriert, und bis in die 70er Jahre hinein ist es noch eher Mittelklasse und nicht der Chinchilla-Wahnsinn späterer Jahre, die von der Kundschaft verlangt wird. Dennoch macht der Pelz den Inhaber richtig reich: Am Isartorplatz vergrößert er sein Geschäft nach und nach auf 2500 Quadratmeter, Ende der 80er Jahre ist es mit 80 Mitarbeitern, davon 60 Kürschnern, eines der größten Pelzgeschäfte überhaupt. Rieger gilt als "Kopf" der Kürschner in Deutschland, er kann sich weitere Immobilien leisten: in der Zirler-, Waxenstein- und Franz-Senn-Straße, wie aus einer Meldung des Amts für Soziale Wohnungsfürsorge von 1973 hervorgeht. Die Behörde brummt Rieger 140000 Mark Bußgeld auf, weil er vier Wohnhäuser leerstehen lässt.

In Grünwald entsteht nach seinen Vorstellungen eine Villa, die mit ihren sechs Zwiebeltürmen "die Grenzen des opulenten Geschmacks auslotet", wie es in einer Pressenotiz heißt. Touristenbusse nehmen die Adresse in der Robert-Koch-Straße als Sehenswürdigkeit in ihren Tourplan auf. Nach dem Tod des Eigentümers 2001 begaffen Neugierige gegen fünf Euro Eintritt im Schlafzimmer eine durchsichtige Acrylrutsche, die zum Pool im Erdgeschoss hinunter führt. Das ist vor allem für jene geschmacklos, die sich Rieger-Pelze nicht leisten können.

Keiner will das Erbe

Doch zu diesem Zeitpunkt ist die Pracht längst am Zerbröseln. Die Anti-Pelz-Kampagnen mit Farbspray-Attacken haben auch Rieger das Geschäft vermiest; er muss Schmuck, Accessoires und Damen- und Herrenoberbekleidung ins Sortiment aufnehmen, um den Umsatz zu stabilisieren. Als 1993 dann aber "Rieger-City" öffnet, ist der Verfall der Pelzpreise nur noch Nebensache. Der Geschäfts-Block am Isartor (Architekt Peter Lanz) sollte nach Riegers Vorgaben das "Schmuckstück" der Münchner Innenstadt werden, steht aber jahrelang unvermietet leer und entwickelt sich zum Millionengrab für den Investor. Obwohl der Pelzkönig den Komplex noch an den Baukonzern Philipp Holzmann verkauft, sind die Verluste aus dem Immobiliengeschäft beträchtlich. Riegers Kinder schlagen letztlich sogar das Erbe des Vaters aus. Das Risiko sei zu hoch.

Der Pelzhandel geht davon unberührt weiter. Noch bis Februar 2007 läuft der Verkauf in der "Rieger City", die inzwischen einem US-Investor gehört und von 2011 an eine Filiale von "Globetrotter" werden soll. Bernhard Rieger, ein Sohn des Unternehmensgründers, will die Geschäfte schließlich in besserer Lage weiterführen, zurück zu altem Glanz. Die Hoffnung, dass an der Residenzstraße öfter Kundinnen hereinschauen als am Isartor, erfüllt sich aber nicht. Seit vergangenen Samstag läuft der Ausverkauf im einstigen Pelz-Imperium.

© SZ vom 24.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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