Designwalk Art in München:Denkanstöße für die Laufkundschaft

Designwalk Art in München: Kunst oder Kommerz? Johannes Vetters Geldsack am Maximiliansplatz stellt Fragen.

Kunst oder Kommerz? Johannes Vetters Geldsack am Maximiliansplatz stellt Fragen.

(Foto: LEROT Leon Greiner)

Corona hat die Städte geleert. Durch Aktionen wie den Designwalk.Art sollen die Menschen per Kunstspaziergang zurück in die Stadt und Kunst und Konsum zusammen bringen.

Von Rosanna Großmann, München

Die Museen haben wieder geöffnet; die Theater, die Innenstädte. Doch so richtig Fahrt aufnehmen will das Kulturleben nicht - das Publikum fehlt. In so mancher Ausstellung herrscht gähnende Leere, Geschäftsinhaber beklagen sich über fehlende Laufkundschaft. Isabel Bernheimer hat eine Idee, wie beide Probleme gemeinsam gelöst werden könnten: In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium und dem Künstler Jan Kuck stellt die Galeristin ein Projekt auf die Beine, das niederschwellige Zugänge zur Kunst schaffen und gleichzeitig die Innenstädte wiederbeleben soll: den Designwalk.Art. An bisher acht Stationen sind Kunstwerke im städtischen Raum ausgestellt, die alle mit einem zirka dreiviertelstündigen Spaziergang miteinander zu verbinden sind. Der Weg führt quer durch die Münchner Altstadt bis nach Schwabing, Stopps in anliegenden Geschäften sind dabei ausdrücklich erwünscht.

Die stadtübergreifende Ausstellung wurde am Sonntag, dem Europäischen Tag der jüdischen Kultur, mit einer Vernissage an der Ohel-Jakob-Synagoge in der Altstadt eröffnet. Hier überstrahlt gleich das erste Kunstwerk den Sankt-Jakobs-Platz: "Always reach beyond the light" erinnern die über drei Banner um die Ecke verteilten Schriftzüge aus feinen Neonröhren auf blauem Grund. Darunter, weiß auf schwarz, die deutsche Übersetzung: "Greife immer über das Licht hinaus." Jan Kuck, der sich mit der Aufarbeitung der deutschen Geschichte auseinandersetzt, gemahnt hier an Platons Höhlengleichnis: "Man sieht häufig nur den Schein des Lichtes, aber nicht seine Quelle", sagt der in Berlin und München lebende Künstler. Heute, 76 Jahre nach den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges, sei es wunderbar, dass eine Synagoge wieder mitten im Leben einer Stadt stehen könne.

Designwalk Art in München: "Always reach beyond the light" brachte der Künstler Jan Kuck an der Ohel-Jakob-Synagoge an.

"Always reach beyond the light" brachte der Künstler Jan Kuck an der Ohel-Jakob-Synagoge an.

(Foto: LEROT Leon Greiner)

Einen Tag vor dem Beginn von Rosch Haschana, dem jüdischen Neujahrsfest, hat die Synagoge ihre Türen für Besucher geöffnet. Der Eintritt ins Glaubenshaus erfolgt zur Sicherheit mit einem Schritt durch den Metalldetektor. Zusammen mit den ausstellenden Künstlern, das sind neben Jan Kuck auch Johannes Vetter, Alexander Deubl, Carolina Camilla Kreusch, MK Kaehne, Felix Rodewaldt und Olaf Wiehler, eröffnet Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeine München und Oberbayern, den Kunstspaziergang. Sie freue sich, dass dieser Ort als öffentlicher Platz genutzt und bespielt werde, äußerte Knobloch in ihrer Rede: "Die Kunst setzt im öffentlichen Raum Farbtupfer und ist ein Denkanstoß. Zu diesem Fest, das mit Introspektive verbunden ist, und auch im Hinblick auf die anstehenden Bundestagswahlen, ist die Ausstellung eine willkommene Erinnerung, sich aktiv einzubringen."

Auf dem Platz steht man wie zu Vorcorona-Zeiten wieder zusammen, genießt einen Rest Sommersonne, während gegen 17 Uhr die Neonschriftzüge zu leuchten beginnen. Gerade die Lichtinstallationen der verschiedenen Künstler kann man sich am Besten im Dunkeln ansehen. So zum Beispiel die zwei bunt-pulsierenden Symbolvorhänge von Alexander Deubl, die im Schaufenster der Galerie Bonhams zu bestaunen sind. Seit sieben Jahren arbeitet der aus einer Glaserfamilie stammende Münchner mit Spiegeln und Licht, in diesem Fall mit sogenannten Infinity-Spiegeln, die eine irisierende Tiefe der winzigen Herzen, Sterne und Dollarzeichen schaffen. "Die Symbole stehen für die käufliche und die wirkliche Liebe sowie die glückliche Fügung der Sache", erklärt Deubl seine Arbeit.

Eine anderthalb Tonnen schwere Plastik evoziert die Frage: Was ist in diesem Sack?

Direkt gegenüber, mitten auf dem Maximiliansplatz, hat eine anderthalb Tonnen schwere Plastik ihren Platz gefunden: Ein Plastiksack aus Steinguss, gehalten von einer riesigen Hand, lässt sogleich einen gigantischen Kontext imaginieren, der um dieses Fragment entstehen könnte. Was ist im Sack? Ist es, passend zur Umgebung, ein Geldsack? Oder doch ein Hundekotbeutel? Füllen müssen die Betrachtenden den Sack schon selbst. Etwa, wenn man sich dicht davor setzt, mit dem gesamten Maxmonument. Das hat man dann fast komplett im Sack. Johannes Vetter hat sein "Monument" selbst mit Lieferwagen und Portalkran an den Standort transportiert. "Schon seit der Kindheit war ich immer ein Beobachter", erzählt der in Mittelfranken lebende Künstler. "Ich bin in einem gläubigen Umfeld aufgewachsen und fand die Symboliken und die christliche Thematik spannend. Die Menschen fühlen sich angezogen von solchen Werken wie dem Maxmonument. Aber wissen sie, was die einzelnen Elemente bedeuten?" Es sei wichtig, dass Kunst dazu animiere, Fragen zu stellen.

Außerdem auf dem Weg anzutreffen sind große, mit Tape-Band geklebte Karpfen des Künstlers Felix Rodewaldt, die über die Fenster des Restaurants "Koi" schwimmen und den Innenraum in ein Aquarium verwandeln. Rodewaldt ist für seine sonst meist streng geometrische Tape-Art bekannt, deren Linienmuster aus bunten Klebebändern in Op-Art-Manier beinahe plastische Formen erzeugt. Diesmal ließ sich der Künstler vom Koi-Thema zu einem etwas anderen Werk inspirieren.

Demnächst sollen Augsburg, Passau und Nürnberg dem Münchner Vorbild folgen

Den Kunstwerken auf dem Designwalk.Art kann man bis zum 31. Oktober in München begegnen, hilfreich ist dabei die Website gleichen Namens als digitaler Wegweiser. Auch in kleineren Häppchen kann der Weg beschritten werden, wenn er am Stück zu lang erscheint. An Standorten wie dem Kinderkunsthaus gibt es zusätzliche Aktionen und Führungen, für die man sich über die Homepage oder die App anmelden kann. Dazu können, vor allem im Oktober, kostenlose Touren mit Isabel Bernheimer und den Künstlern gebucht werden. Das ist möglich, sobald in weiteren bayerischen Innenstädten ähnliche Projekte gestartet wurden: In den nächsten Tagen und Wochen folgen Augsburg, Passau und Nürnberg dem Münchner Vorbild.

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