Innenstadt:Endlich im Schaufenster

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Schmuck aus Kronkorken, Ladestationen oder fertig gemixte Weinschorle: Im Ruffinihaus am Rindermarkt präsentieren junge Start-ups wochenweise ihre Ideen. Investoren haben die Unternehmen im Internet gefunden, Kunden suchen sie nun in bester Innenstadtlage

Von Franziska Gerlach

Er erinnert an einen dieser hübschen Läden, die in den Stadtvierteln einen wohltuenden Gegenpol zu den Kaufhausketten und Nobelboutiquen in München bilden. In der Auslage hängen Boxershorts mit Flamingos, es gibt fertig gemixte Weinschorle, Buchfaltkunst, Schmuck aus Kronkorken, Technisches wie Ladestationen für Smartphones, ach ja, und dann ist da natürlich noch dieses Gerät, das den Eisprung bestimmt. Das "StartupStore N' Stories" im Ruffinihaus am Rindermarkt ist eine kunterbunte Warenwelt an Produkten, die auf den ersten Blick so überhaupt nichts miteinander gemein haben.

In München oder zumindest in Bayern erfunden wurde aber alles, was der winzige Laden verkauft. Wobei das "StartupStore N' Stories" genau genommen nicht nur ein Laden ist. Zwar geht es hier auch ums Verkaufen. Aber eben nicht nur, wie man schon an den ganzen Visitenkarten und Broschüren sieht. Bis Ende September werden hier immer andere Start-ups versuchen, auf sich aufmerksam zu machen. Das städtische Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft hat den Laden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

"Wir sind eher eine Mini-Messe", sagt Dian A. Flügel. Die Modedesignerin hatte die Idee zu dem Showroom, in den sich Gründer wochenweise einmieten können, für 60 Euro pro Woche. Eine Gemeinsamkeit gibt es doch: Die meisten der Aussteller nutzen Crowdfunding, um ihre Geschäftsidee finanziell anzuschieben. Manche haben ihre Kampagne bereits abgeschlossen, andere planen sie gerade, wieder andere stecken mitten drin. Denn einfach nur eine zündende Idee zu haben, etwa einen flippigen Eierbecher zu entwerfen, ist das eine. Diesen aber hundertfach fertigen zu lassen, das kostet nun einmal Geld.

Statt bei den Banken Klinken zu putzen oder auf Erspartes zurückzugreifen, versucht der Unternehmer beim Crowdfunding auf Online-Plattformen wie Kickstarter und Startnext über einen festgeschriebenen Zeitraum möglichst viele Leute davon zu überzeugen, in sein Produkt zu investieren. Die Crowd, also die Menge, gibt Geld für die Idee eines Einzelnen. Kommt die benötigte Summe zusammen, bekommt der "Unterstützer", wie das so schön heißt, seinen Anteil häufig in Form von Ware zurück.

„Wir sind eher eine Mini-Messe“, sagt Dian A. Flügel. Die Modedesignerin hatte die Idee zu dem Showroom am Rindermarkt, in den sich Gründer wochenweise einmieten können. (Foto: Stephan Rumpf)

Einer Studie der Unternehmensberatung PwC zufolge hat das Crowdfunding als Finanzierungsmaßnahme 2017 im Vergleich zum Vorjahr leicht zugenommen, fünf Prozent der befragten Gründer sammelten via Crowdfunding Geld, 2016 war es nur ein Prozent gewesen; die meisten, mehr als 80 Prozent, finanzieren sich allerdings selbst. Und wenn das Internet auch einiges bereitstellt an Möglichkeiten zur Vermarktung: Ein Produkt dort bekannt zu machen, ist trotzdem nicht so einfach.

Das merkte auch Designerin Dian A. Flügel, als sie via Crowdfunding versuchte, Investoren für ihre Kollektion aufzutreiben. Gerade Mode will man anfassen, anprobieren, sich die Geschichte erzählen lassen. Und das geht eben am besten in einem Geschäft. Im November organisierte die Münchnerin daher erstmals einen Laden für Start-ups, in einem Haus der Stadt an der Maximilianstraße. Bei der Neuauflage dient nun der Laden im Ruffinihaus als Schaufenster in die wirkliche Welt.

Sicherheitshalber hat Flügel am Eingang ein Schild angebracht, das Crowdfunding erklärt. Denn wenn sie auch von Leuten erzählt, die den Laden neugierig betreten würden, so sagt sie doch auch: "Für viele ist es schon noch fremd."

An diesem Freitag, 4. August, berät eine Mitarbeiterin von Startnext von 16 bis 17.30 Uhr im "StartupStore N' Stories" am Rindermarkt über Möglichkeiten des Crowdfundings.

Aviator Wallet

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(Foto: Stephan Rumpf)

Wenn es etwas gibt, das sich durch Crowdfunding verbreitet wie Sommergrippe, dann sind das Slim Wallets. Noch nie gehört? Dann sind Sie vermutlich eine Frau. Dabei handelt es sich um flache, hosentaschenkompatible Geldbörsen, in denen Männer gerne Kreditkarten horten. Thorsten Fleckenstein hat über seinen Online-Shop, in dem er Crowdfunding-Produkte vertreibt, in den vergangenen drei Jahren rund 20 000 solcher Geldbörsen verkauft, keine aber war so, wie er sich den idealen Slim Wallet vorstellt: flach, flexibel, federleicht. Also entwickelte er mit seinem Cousin den "Aviator Wallet". Der besteht aus Aluminium, das normalerweise in Flugzeugen verbaut wird. Seit kurzem läuft die Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter. Um auch offline Unterstützer zu gewinnen, hat er sich im "StartupStore N' Stories" am Rindermarkt eingemietet. Auf einem Laptop zeigt er dort seinen Kampagnenfilm, und dann, eh klar, kann man die guten Stücke auch gleich bestellen. frg

Curfboard

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(Foto: Stephan Rumpf)

Zumindest der Laie stellt sich unter einem Skateboard ja gerne einen Haufen Scharniere, Schrauben und Federn an einem Brett vor, dazu noch vier Rollen, und schon läuft die Sache. Wenn man's denn kann. "Gerade in Gummi und Federn wird aber viel Energie vernichtet", sagt Stephan Augustin, der das "Curfboard" mit seinem Sohn Jonas entwickelt hat. Das Skaten ist eine alte Leidenschaft des Industriedesigners, der heute am Forschungscampus von BMW in Garching arbeitet. Die Skate-Achse seines Boards kommt ohne Gummi und Federn aus. Man treibt sich eher wie beim Snowboarden durch das eigene Körpergewicht voran. Alles easy, fand dann auch die Crowd auf Kickstarter und gab 43 745 Euro für das Brett, das im September ausgeliefert wird. Eine solche Kampagne sieht Augustin als "guten Markttest" und würde diesen Weg der Finanzierung auch wieder wählen - zumal die Bereitschaft mancher Banken, Start-ups Kredite zu gewähren, doch zu wünschen übrig lasse. frg

Onia Licht

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(Foto: Stephan Rumpf)

Oben leuchtet es hellblau, unten gold. So mag Peer Wille die zweiteilige Lampe am liebsten. "Hellblau für den klaren Kopf", sagt er. Mei, und Gold sei eben einfach eine Herzensfarbe. Gemeinsam mit der koreanischen Designerin Sang Lim Kwon hat der Unternehmer aus Pfarrkirchen im Januar 2016 das "Onia Licht" auf den Markt gebracht. Angeblich macht das Licht glücklich, bunt aber wird es wohl in jedem Fall, denn die Lampe rechnet den individuellen Biorhythmus in 196 Farbkombinationen um. Bei einer Crowdfunding-Kampagne kamen innerhalb von acht Wochen knapp 20 000 US-Dollar zusammen. "Gebraucht hätten wir 50 000", sagt Wille, "aber dann haben wir den Rest halt selbst zusammengebracht." Die eigenen Ersparnisse bringen sie ein, aber auch Freunde leihen Geld, damit die Lampe in Produktion gehen kann. Crowdfunding würde Wille trotzdem wieder nutzen, sich dann bei der Präsentation der Idee aber weniger in Details verlieren. frg

Okomoi

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(Foto: Stephan Rumpf)

Die Geschichte eines Kindermodelabels beginnt oft mit der vergeblichen Suche nach coolen, bequemen Klamotten für den Nachwuchs. Für Jungen, sagt Lena Höfer, Gründerin von Okomoi, gebe es meist nur Jeans oder Jogginghosen. Also fing sie an zu nähen, arbeitete ausgediente Kittelschürzen in Pumphosen um. Inzwischen lässt sie aus Stoffen in Bio-Qualität fertigen, wie sich das heute gehört für ein junges Label. Womit sich die Grafikdesignerin hervortut am Markt, sind die hübschen Tierdrucke (von ihrem Cousin gezeichnet, einem Waldkindergärtner) sowie die Schnitte: Shirts und Hosen wachsen mit, dank besonders langer Bündchen, die sich mehrfach umkrempeln lassen. Die erste Kollektion 2016 finanzierte sie mit Privatkrediten, für die Ware dieses Sommers probierte sie Crowdfunding aus. Sie war neugierig, wie die Masse auf ihre Entwürfe reagiert. Gut, offenbar: 191 Unterstützer bestellten im Voraus und gaben so insgesamt 9325 Euro, etwa die Hälfte der Produktionskosten. frg

Mr. Orange

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(Foto: Stephan Rumpf)

Am Anfang dieses Start-ups stand nur der Wunsch, ein Start-up zu machen. Ein Projekt, das gerne etwas verrückt sein darf, am besten mit einem Freund. Nicoló Pasini und Ulrico Peckelsen saßen eines Abends auf einem Münchner Sofa und überlegten, was das denn sein könnte. Und weil zufällig auch noch eine Orange zugegen war, aber keine Presse, kam den Ingenieuren die Idee zu Mr. Orange: ein Alu-Strohhalm mit Gummiring, den man mit Drehbewegungen ins Innere der Orange befördert, dann nur noch gegen die Frucht drücken, und schon kann man lostrinken. Die Hände bleiben sauber, überall mit hinnehmen kann man das Röhrchen auch. Wer so etwas braucht? Nun, wie eine Crowdfunding-Kampagne zeigte (645 Unterstützer gaben insgesamt 11 931 Euro), können sich nicht nur Münchner, sondern auch Menschen in Südkorea, Taiwan oder London für den Strohhalm begeistern. Allerdings ergaben erste Rückmeldungen, dass eine Hülle praktisch wäre. frg

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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