Eine nach rechts blickende Mönchsfigur mit schwarzer Kutte, roten Schuhen, ein Büchlein in der linken Hand, die rechte erhoben - das Männlein wird gemeinhin Münchner Kindl genannt. Es ziert das Wappen der Landeshauptstadt, aber irgendetwas ist an diesem Kindl anders: Da ist nicht nur ein Kreuz auf dem Gewand, auch der Davidstern und die Sichel eines Halbmondes zieren die Kutte; sogar auf dem roten Büchlein sind Symbole zu sehen. Die Rede ist von einem großen Plakat an der Wand der Paul-Heyse-Unterführung in der Nähe des Hauptbahnhofes sowie am Odeonsplatz.
Das Plakat ist die Idee von Peter Martin, Leiter der Agentur für Markenberatung "Martin et Karczinski" und seinen Mitarbeitern. Für die Munich Creative Business Week - die Veranstaltung für internationale Designer, Architekten und Kreative ist gerade zu Ende gegangen - sollte ein Großflächenplakat zum Thema Urbanität entstehen. Zu durchgekaut schienen die Themen einer "Stadt für Kinder" oder eines "grünen Münchens". Bewegt von aktuellen Geschehnissen, entschied sich die Agentur für das Thema Integration.
Ein Ausrufezeichen gegen Demonstrationen von Bagida und Konsorten sollte es werden, ein Symbol für München als weltoffene Stadt. Und so hat man dem Münchner Kindl kurzerhand neben dem Christentum noch vier weitere Weltreligionen angefügt: Den Mönch schmücken die Symbole des Islam, des Judentums, des Buddhismus und des Hinduismus. An vielen Ecken der Stadt soll das neue Kindl auf Plakaten, Postkarten und Aufklebern präsent sein. Es soll ein Zeichen für München werden wie "I Love NY" für New York, wünschen sich seine Macher.
Neues Kindl auf Täschchen, Stempel oder Bierdeckel
Aus der Aktion entstand auch das "Open Kindl Kit", ein Set mit Produkten wie Täschchen, Stempel oder Bierdeckel - bedruckt mit dem neuen Kindl. Seit Kurzem gibt es das Kit zu kaufen, für 45 Euro. Das ist nicht ganz billig, aber der Erlös geht an die Schlau-Schule in der Ludwigsvorstadt, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bei der Integration hilft.
"Martin et Karczinski" ist eine Agentur für "Corporate Identity" - ihr Job ist es eigentlich, Marken groß zu machen, immer mit Blick auf den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Die Agentur will mit der "Open Kindl"-Aktion nun Haltung zeigen, Mitgefühl wecken, die Willkommens-Kultur fördern. "In einer so profitorientierten Welt dürfen Werte für das Zusammenleben von Kulturen nicht verloren gehen", sagt Martin.
Umgestaltung des Stadtwappens eher unrealistisch
Die Käufer des "Open Kindl Kit" sollen die Bilder teilen, Farbe bekennen, überall in der Stadt. Der erste Schub Pakete ist verkauft, aber die Resonanz nicht immer wie erhofft: "Sollt ihr doch die Flüchtlinge aufnehmen", lauten manche Kommentare, mit denen die Initiative im Internet konfrontiert wird. Peter Martin findet Ablehnung wie diese erschreckend. Die Angst vor Veränderung könne er aber nachvollziehen, die Menschen müssten schließlich ihre "comfort zone" verlassen, um offen für andere Kulturen zu werden.
Die Thematik berge ein großes Konfliktpotenzial, aber ein Verständnis zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens könne bereichernd sein - das möchte das "Open Kindl" kommunizieren, so steht es auf dem Flyer der Agentur.
Zeichen für Toleranz:Friedenskette durch die Münchner Innenstadt
Ob mit Kerze, Laterne oder Stirnlampe: Etwa 15 000 Münchner verbinden sich zur "Friedenskette der Religionen" quer durch Innenstadt. Sie setzen so ein Zeichen für Toleranz. Der Abend in Bildern.
Ob ein kleines Symbol langfristig etwas verändern kann in den Köpfen fremdenfeindlicher Menschen, ist allerdings fraglich. Auch dass eine tatsächliche Umgestaltung des Münchner Stadtwappens eher unrealistisch ist, dessen ist sich Peter Martin bewusst. Die Stadt hält sich derzeit noch zurück mit ihrer Reaktion auf das "Open Kindl".
Wie die Stadt auf die Aktion reagiert
Ein Verbot, das Wappen für die Kampagne zu benutzen, habe es nicht gegeben, aber auch keine freudige Zustimmung. "Die Stadt duldet die Aktion, mehr aber auch noch nicht", sagt Martin. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sei schon für einen Termin angefragt worden. Ihm wolle man das Kit schenken und Vorschläge bringen, die Kampagne zu erweitern. Bis jetzt sei aber noch kein Treffen zustande gekommen.
Trotzdem möchte Martin die Initiative auch in andere Städte bringen: "Vielleicht ist das ja ein Beitrag, den wir leisten können, um Vielfalt zu bezeugen. Es wäre schön, wenn die Idee auch außerhalb von München Anklang findet, in andere Städte vordringt, vielleicht bis nach Dresden", sagt Peter Martin.
Für die Kampagne steht als nächstes aber das Bier im Fokus. Und wo sonst als auf dem Oktoberfest wird die Bierkultur gelebt? Genau da möchte Martin anknüpfen. Das "Open Kindl" soll auf Bierdeckel und Tischdecken. Schließlich ist die Wiesn vor allem eines: international. Genau da solle sich München weltoffen zeigen, findet Martin. Die Agentur hat nach eigenem Bekunden bereits bei Franziskaner angefragt. Die Brauerei wolle es sich jetzt überlegen.