Initiative der Stadt:Kampagne soll Vorurteile gegen Sinti und Roma abbauen

Ethnische Minderheiten sind in München stark von Ausgrenzung betroffen, selbst wenn sie seit Jahrhunderten in der Stadt verwurzelt sind

Von Thomas Anlauf

Der 2. August ist ein Tag, der nicht vergessen werden darf. Allein in jener Nacht im Jahr 1944 ermordeten die Nazis 4300 Sinti und Roma in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau. Geschätzt eine halbe Million Menschen der ethnischen Minderheit wurden während der Zeit des NS-besetzten Europa Opfer des Holocaust. Doch erst seit sechs Jahren gibt es einen europaweiten Gedenktag an den Genozid. München hat den Gedenktag zum Anlass genommen, von diesem Montag an der großen Münchner Gemeinschaft, die seit Jahrhunderten in der Stadt verwurzelt ist, Gesichter zu geben. Ziel der Aktion sei es, die "Vielfalt der Münchner Sintizza und Romanja und Sinti und Roma und ihre tiefe Verwurzelung in der Münchner Stadtgesellschaft sichtbar zu machen", sagt Miriam Heigl, Leiterin der städtischen Fachstelle für Demokratie. Acht Menschen haben sich bereit erklärt, fotografiert zu werden und einen kleinen Teil ihres Lebens, ihren Umgang mit Antiziganismus und ihre Wünschen an die Münchner Gesellschaft zu erzählen. Ihre Gesichter werden die kommenden Wochen auf Plakaten, Postkarten und Trailern in der Stadt zu sehen sein.

Da ist zum Beispiel Johann. Seine Familie lebt in fünfter Generation in München. Seine Mutter ist Jenische, der Vater Rom aus Wien. Der 67-Jährige trägt gerne bayerische Tracht, Bekannte nennen ihn oft nur "Onkel Hansi", weil er als Musiklehrer für Kinder mit Aufmerksamkeitsproblemen arbeitet. "Ich hatte eigentlich eine unbeschwerte Kindheit im Schlachthofviertel", erzählt er. Zwar sei er in der Schule manchmal als "Zigeuner" bezeichnet worden. Aber mit dem Antiziganismus habe es eigentlich erst vor gut zwei Jahrzehnten begonnen. Da habe er, der verwurzelte Münchner, im Briefkasten Zettel gefunden wie "Zigeuner zurück nach Rumänien". Die Diskriminierung und der Hass auf vermeintlich andere habe sich immer mehr gesteigert. "Dass so eine nach rechts abdriftende Partei wie die AfD so salonfähig geworden ist, war nicht gut für Deutschland." Er wisse gar nicht, "was die Rechten immer wollen, von der Weltoffenheit der Stadt profitieren doch alle".

Die 31-jährige Laura wiederum lebt erst seit sechs Jahren in München, doch die Stadt ist längst ihr Zuhause. Sie ist Romni aus Bukarest, wo sie aufgewachsen ist und Betriebswirtschaft studiert hat. Auch sie hat Diskriminierungen erfahren. Man sagte ihr, dass sie niemals einen Abendkurs machen könne, schließlich sei sie Roma. "Aber auch wenn man erniedrigt wird, empfehle ich allen, nicht aufzugeben", sagt sie. "Ich wünsche mir, dass die Menschen näher zueinander finden - unabhängig von Herkunft, Religion oder Kultur."

Mit der Kampagne, die stadtweit in Bibliotheken, auf Plakaten und den Monitoren des "Münchner Fensters" in U-Bahnen und Trambahnen zu sehen ist, sollen Klischees aufgebrochen und gezeigt werden, wie vielfältig die Lebensgeschichten der Sinti und Roma sind und wie sehr die Menschen "auch heute mit rassistischen Zuschreibungen und mit Diskriminierungen zu tun haben", sagt Miriam Heigl von der Fachstelle für Demokratie. Dies sei gerade vor dem Hintergrund der Verfolgung und der Ermordung vieler Tausender im Nationalsozialismus unerträglich. In einer im Juli vorgestellten repräsentativen Studie wurde die ethnische Minderheit in München "als besonders vulnerable, von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffene Gruppe klassifiziert".

Mehr unter www.muenchen.de/demokratie

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