Theater:Die Rache des Muttertiers

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Ines Hollinger zeigt im Hoch X ihr grandioses Solo "Heimsuchung"

Von Egbert Tholl

Ines Hollinger liegt auf der Arbeitsplatte der roten Einbauküche im Hoch X. Man erkennt sie kaum. Theresa Scheitzenhammer hat sie abenteuerlich ausstaffiert, sie in Bandagen gewickelt, mit Beulen versehen, Geschwulsten, ihr Gips ins Gesicht geschmiert und eine seltsame Haube aufgesetzt, deren Zweck man später erkennt. Hollinger liegt stumm und starr, dann erwacht sie. Als geschundenes Muttertier. Beschnüffelt die Küche, grunzt und ächzt, krabbelt auf der Küchenplatte herum, hüpft herunter, turnt auf dem Tisch davor herum, kratzt mit angeklebten Finger- und Zehennägeln auf dem Holz, faucht. Reine Kreatur.

Dann bricht der Horror herein, der sie zu dem machte, was sie hier spielt: Man hört ein Baby quengeln, ein Jingle ertönt - Manu Rytzki macht Live-Musik - und eine Stimme aus dem Off gratuliert: "Herzlichen Glückwunsch! Jetzt bist du auch Mama." Und, später: "Du wirst nie wieder alleine sein."

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"Heimsuchung" ist ein grandioses Solo von Ines Hollinger, eine One-Woman-Horrorshow mit herrlichem Witz. Mit Lust und schonungsloser Absenz jeglicher Eitelkeit kostet Hollinger das Wesen der zum reinen Mutterfunktionstier degradierten Kreatur aus. Werdende Mütter sollten sich den Abend vielleicht nicht unbedingt anschauen, es sei denn, sie sind mit Humor gesegnet. Eltern, deren Kinder aus dem Babyalter raus sind, werden indes auf jeden Fall viel Freude haben.

Das Muttertier will funktionieren, Hollinger presst sich in ein rosa Neoprenkleid, zieht eine Gesichtsmaske über, eine blonde Perücke, wird entindividualisierte Supermutter im Stil der Inszenierungen von Susanne Kennedy. Hollinger braucht kein einziges Wort, ihr Abend wirkt deshalb auch ein bisschen wie eine Anarcho-Variante von Kroetz' "Wunschkonzert". Dann: Kindergeburtstag. Aus den Schränken knallt Konfetti, Hollinger reicht Schokoküsse, holt einen Vorschlaghammer und zerlegt ihr heimisches Gefängnis. Mit allergrößter Lust. Herrlich.

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