Kritik:Frauenwitz?

Beim Auftritt von Ines Anioli im Circus Krone gibt es egozentrischen Pippi-Kacka-Humor. Da darf man sich schon wundern, was einem alles als Feminismus verkauft wird.

Von Oliver Hochkeppel, München

Auch bei der Kleinkunst wird zu Recht beklagt, dass das Publikum überwiegend männlich und nicht mehr das jüngste ist. Bitte schön: Gefühlt 90 Prozent Frauen mit einem Altersdurchschnitt unter 30 bevölkerten am Sonntag bei Ines Anioli den rappelvollen Circus Krone. Auch wenn man als sturmerprobter Humorkritiker definitiv nicht zur Zielgruppe gehört, findet man das gut. Bemüht sich um größtmögliche Offenheit. Freut sich, dass Anioli gleich zu Beginn beweist, dass sie richtig gut tanzen kann. Und dass die 35-jährige Duisburgerin mit Timing, Ausdruck und Dialekt umzugehen versteht.

Derbe Mario-Barth-Variante für Mädels

Was dem wohlwollenden Beobachter dann schon weit weniger gefällt, ist das Feld des Humors, das da beackert wird. Eine Viertelstunde lang berichtet Anioli zum Einstieg von einem Intim-Waxing-Selbstversuch und der Beschaffenheit ihrer "Scheidi". Später geht es mindestens ebenso lange um das Furzen in Hotelzimmern. Wenn es nur Pippi-Kacka- und Ficki-Ficki-Zeug, also die inversive Wiederauferstehung des Herrenwitzes mit sich bringt, kann einem ein weibliches, junges Publikum auch gestohlen bleiben. Vielleicht (aber hoffentlich nicht nur) ist es eine Frage des Alters und der Reife, dass man dieses ewige Umkreisen des "Einen" samt der dazugehörigen Männlein-Weiblein-Befindlichkeiten, also diese derbe Mario-Barth-Variante für Mädels, nach kürzester Zeit öde und extrem unlustig findet. Und den ständig ausgestellten angeblichen Tabubruch nur zum Gähnen.

Noch merkwürdiger, dass einem so etwas als Feminismus verkauft wird. Als wäre das explizite Reden über Intimrasur und Botox-Spritzen schon ein Akt weiblicher Selbstbestimmung - anstatt solch oktroyierten Schönheitsideale grundsätzlich infrage zu stellen. Endgültig unerträglich wurde es, als Anioli in die Vergewaltigungsklage gegen ihren Ex-Freund Luke Mockridge samt dazugehörigen Verfahren und Shitstorms eintauchte. Da ging es plötzlich um "Würde" und "wichtige Themen", da wurde es ernst und gehässig. Und es zeigte sich, dass hier gar kein Publikum erwünscht war, sondern "Support" durch die "krasse Community". Es gibt Dinge, die privat bleiben sollten. Egozentrik, Selbstsucht, Obszönität und Hate-Speech des Internets können jedenfalls nicht die Zukunft der Bühne sein.

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