Impressionen:Mittelalter-Festival 2008

Das Mittelalter-Festival auf dem Tollwood-Gelände bietet nicht nur Kampf und Turnier, sondern allerlei echt und halbecht Historisches.

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Das Mittelalter-Festival auf dem Tollwood-Gelände bietet nicht nur Kampf und Turnier, sondern allerlei echt und halbecht Historisches.

Als das fahrende Volk Mitte der Woche den Platz erreichte und seine Karren entlud, sah es dort aus wie zur besten Sommer-Tollwood-Zeit: Pfützen und Matsch, Matsch und Pfützen. Praktisch ist der weiche Boden, wenn man Heringe in den Kies treiben will. Unpraktisch ist es, wenn das Zelt in ihm versinkt. Das Technikzelt mussten sie, nachdem es eingeknickt war, erst einmal zum Trocknen aufhängen. Und der Salzbader hat Latten über den Teich vor seinem Waschbottich gelegt. "Seyed willkommen im wassermächtigen Munichen, ihr Rittersleut!"

Fotos: Andreas Heddergott Text: Monika Maier-Albang

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Marie-France Nicolas, dieser Tage Herrin im südlichen Olympiapark, hat sie gerufen: 800 "Aktive", Schausteller, Gaukler, Musiker, Feuertänzer, Sattler, Truhenbauer, Menschen, die Schilde fertigen können oder Rüstungen. Manche sind Profis, die von Mittelaltermarkt zu Mittelaltermarkt ziehen und versuchen, von ihrem Handwerk zu leben. "Viele mehr recht als schlecht", sagt Nicolas. Die stehen dann vor ihr, mit dem letzten Tropfen Benzin im Tank und ohne Geld fürs Essen, echten Turnierreisenden der Ritterzeit gar nicht unähnlich.

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Andere sind im echten Leben Bankangestellte oder Lehrer, die sich Urlaub nehmen, um für ein paar Tage in eine Anderswelt einzutauchen. Sie haben Freude am Lagerleben, und der Besucher darf ihre "Gewandung" bewundern. Nur "Kostüm" sollte er nicht sagen zu Lammfellweste und Baumwollwams, Rüstung, Schellenkranz, Holzschuh oder Mieder.

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Seit Freitag haben sie geöffnet. Und weil es eine gute Werbung ist, hatten die Veranstalter vormittags Kinder aus Münchner Schulen, Kindergärten, Behinderteneinrichtungen eingeladen. 6000 folgten dem Ruf, stapften durch Matsch, übten sich im Schwertkampf, im Axtwurf, im Kerzenziehen, staunten über den Salzsieder, die Greifvogelschau oder die "Schönfärberin", die getrocknete Kaktusläuse zerstampft, um Schafwolle rot zu bekommen.

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Zum zweiten Mal haben Marie-France Nicolas und ihr Vater Renè das mittelalterliche Treiben nach München geholt. Die beiden stammen aus Oberumbach im Dachauer Land, sind Event-Veranstalter für Mittelaltermärkte von Coburg bis Linz - und haben nun München entdeckt, ein quasi unbeackertes Feld, bislang nur gestreift vom Mittelalterboom mit Kaltenberg im Umland und einem ritterlichen Weihnachtsmarkt auf dem Wittelsbacherplatz.

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An eine Marktlücke glaubt Herr Nicolas, der dem Besucher mit Rauschebart und langem Pferdeschwanz gegenübertritt. Er ist Mittelalterfan aus Überzeugung, aber auch Unternehmer. Er hat McDonalds als Sponsor mit ins Zelt geholt - Kinder lieben Burgen und Burger.

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Im letzten Jahr war der Markt nur fünf Tage in München und für die Nicolas ein Verlustgeschäft, weil sie kurzfristig den Ort hatten wechseln müssen, was mit Zusatzkosten verbunden war. Diesmal wagen sie zehn Tage und noch mehr Zelte, Bühnen, Programm, Verkaufsstände. Am südlichen Rand des Geländes haben die Veranstalter eine überdachte Tribüne für 5000 Zuschauer aufgebaut und zwölf Lkw-Fuhren Sand für die "Stechbahn" angekarrt.

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Auf Kies können die "Ritter der Krone" ihr Turney schließlich nicht standesgemäß abhalten. Auf drei Bühnen werden Bands aus der Szene spielen, familientaugliche wie Nachtwindheim, ein Ensemble, das Spielmannskunst auf Instrumenten wiederbelebt haben, deren Name nur Eingeweihten vertraut ist: Sackpfeife, Pommer, Trumscheit.

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Und solche wie umbra et imago, die für die "Gothik-Nacht" engagiert sind. In Wikipedia wird die Gruppe als "Konzeptband" beschrieben, die schon früh "Freuds Standpunkt ,Die Sexualität ist der Dreh- und Angelpunkt unseres Seins' aufgriff und sadomasochistische Phantasien künstlerisch verarbeitete". Einlass erst ab 18 Jahren.

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Das Fest ist nicht nur schöne Schau, es ist auch ein logistisches Mammut-Unterfangen. In der einen Hand hält Marie-France in den Tagen vor dem "Öffnen der Pforten" ein permanent quäkendes Handy, in der anderen ruht der Plan, auf dem verzeichnet steht, welches Zelt, welche Bude, welcher Badezuber an welchem Ort zu stehen hat. Und wenn ihr einer querkommt und mosert, "hol ich den Hammer raus". Sagt sie, lacht.

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Ein wenig ruppig muss man schon auftreten bei all den wilden Mannsbildern hier. Die heißen pugnatori leonis, Kämpfer des Löwen, gehören zum populus draconis, dem Volk der Drachen, zu den "Söldnern zu Pfarrkirchen" oder der "Schwarzen Bruderschaft". Freizeit-Mönche, Minnesänger, Bogenschützen sind sie, angereist aus der ganzen Republik und darüber hinaus. Eine große Familie. Man kennt sich, trifft sich immer wieder, mal auf dem Falkenhof zu Esselborn, mal zum Ritterspektakel auf Burg Mildenstein. Nun eben bei in München.

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Thomas Hentschke ist Schmied, er kommt aus dem Weiler Wienhausen bei Hannover und hat seine Freunde dabei: Ronny Leppin, Messerschmied, Eva Greve, Schlosserin, und Jana, die fünfjährige Tochter der beiden. Übernachtet wird im Zelt, mit Schlafsack und Fellen. Das Wohnmobil kommt nur bei Märkten im Winter zum Einsatz. Wenn die Schmiedemeister sich zum Frühstück niederlassen, liegt die Wurst in der Plastikschüssel. Das Mittelalter ist schön und gut, denken sie, aber nicht in jeder Hinsicht praktikabel.

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Weshalb der "Salzbader" Asadur Lokison, der im Leben außerhalb der Märkte Franco Needham heißt, sein mit Salzen und ätherischen Ölen aufbereitetes Badewasser auch durch eine UV-Filteranlage jagt. Andernfalls bekäme er mit dem Gesundheitsamt Probleme. Wie auch sonst Security und Feuerwehr aufpassen, dass alles seine neuzeitliche Ordnung hat. Feuer ist nur im Metallkorb erlaubt, Stroh wegen der Brandgefahr komplett verboten. Aber so schlimm, sagen die Teilnehmer, fänden sie das gar nicht. Wer will schon Zustände wie im Mittelalter, wo ein wild gewordenes Herdfeuer flugs ein ganzes Dorf auslöschen konnte?

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In der Communitas unterscheidet man zwischen und denen, die ihre Liebe zum Mittelalter "ambientisch" oder "authentisch" leben. So wie die Mitglieder der Gruppe ,,Die schlechte Saat'', die sich im niedersächsischen Alfeld ein Wikingerdorf gebaut haben. Sie züchten Schafe, leben, zumindest am Wochenende, in Holzhäusern mit Feuerstelle. Auf Mittelaltermärkte gehen die Orthodoxen selten, sie haben Märkte ohne Publikum. Reenactment nennen sie das, was soviel bedeutet wie: das Mittelalter wieder in Kraft setzen.Solche "Freaks", wie Eva sie nennt, würden zum Frühstück nie Kaffee trinken.

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Diesen Import aus dem 16. Jahrhundert. Bei den "Authentischen" gibt es Getreidesud, dazu Haferschleim oder selbstgebackenes Brot. Der Schmiede-Crew indes genügt es, "ambientisch" zu sein: mit verrußter Kaffeekanne auf dem Feuer und Holztisch vor der Schmiede. Eben so, wie es im Mittelalter ausgesehen haben könnte. Elfen und Feen sind für sie "Disney-Kram". Das Handy aber hat Ronny Leppin natürlich dabei, nur offen vor den Besuchern herumtragen würde er den "Hörknochen" nie.

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Was sie hier tun, ist für Leppin "Kultur- und Brauchtumspflege". Ohne die inzwischen in ganz Europa verbreiteten Mittelaltermärkte, vermutet er, gäbe es viele Berufe längst nicht mehr. Den Zundermacher, den Wippdrechsler, den Filzer, den Hanfdreher. Leppin kann Kettenhemden flechten, fertigt in der Schmiede gemeinsam mit Thomas Hentschke Schmuck, Besteck und Haken, an denen sich ein guter Schinken aufhängen ließe und Messer, die bei 50 Euro anfangen und je nachdem, was der Kunde wünscht, im Preis "bis hin zum Mittelklassewagen" reichen. Von dem, was die Schmiede auf dem Markt einbringt, könnten sie aber nicht leben.

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Die Schmiede als Publikumsmagnet gehört zu jenen Ständen, die ein Veranstalter bezahlt, damit sie auf den Markt kommen - und ihre Betreiber zeigen, was sie alles können. Leppin sagt, er erkläre gerne, wie man den hundertjährigen Blasebalg bedient oder wie man ein Messer schmiedet. Nur wundern muss er sich doch manchmal, wenn wieder ein Erwachsener vor ihm steht und seinen Kindern erklärt, dass dies kein echtes Feuer, sondern ein Hologramm sei und der Qualm einer Rauchpatrone entspringe. Oder wenn Eltern ihrem Nachwuchs sagen: "Wer bei der Arbeit schwitzen muss, hat was falsch gemacht." "Wer so drauf ist, sollte lieber daheim bleiben", sagt Hentschke.

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Spät in der Nacht, wenn die Gäste das Lager verlassen haben, trifft sich das Heeresvolk noch auf ein Bier oder zwei. Und auch sonst, sagt die Schlosserin Eva Greve, sei das Lagerleben einfach schön. Man bringt sich gegenseitig sein Handwerk bei oder tauscht Dinge, die man hergestellt hat: Gibst du mir Lederschuhe, gebe ich dir nadelgebundene Socken. Und dem Salzbader fällt ein, dass ja der 1.Mai in die Lagerzeit fällt: das keltische Beltane-Fest, die "Nacht, in der es keine Sünde gibt".

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