5. Oktober, Hirschgarten
Kerzenartige Blüten in rosa und weiß, die sich der Herbstsonne entgegenstrecken: Die blühenden Kastanienbäume im Hirschgarten bieten Spaziergängern zurzeit ein verwirrendes Bild. Neben anderen Kastanienbäumen, die herbstgerecht braun-gelb gefleckte Blätter tragen und stachelige Knollen abwerfen, schieben sich bei manchen Bäumen frische, maigrüne Blätter aus den Knospen.
Für Martin Hänsel ist die Blütenpracht Anlass zur Sorge. "Mit dem herbstlichen Blattaustrieb und der Blüte versuchen die Bäume, ein Defizit in der Stoffproduktion aus dem Frühjahr und Sommer auszugleichen", sagt der Diplomforstwirt und stellvertretende Geschäftsführer des Bundes Naturschutz. Das heißt: Wenn es zu wenig Nährstoffe und Wasser gibt, schalten die Bäume in den Ruhemodus, wie sonst nur im Winter. Der trockene Sommer könnte deshalb eine Ursache für die verfrühte Blüte sein, denn sobald es - wie jetzt im Herbst - wieder mehr regnet, starten die Bäume in die Produktion neuer Knospen.
Für die Kastanie ist das fatal: Die frischen Triebe haben vor dem Winter keine Zeit mehr zu verholzen und sterben beim ersten Frost ab. Überhaupt gilt der Klimawandel als großer Stressfaktor, die Temperaturen steigen vor allem in den Städten, die dadurch zu Hitzeinseln werden. "Speziell in der Stadt sollte deshalb kein alter Baum leichtfertig gefällt werden". Noch nie seien die Wuchsbedingungen für Bäume so schwierig wie heute gewesen, sagt Hänsel.
An der frühen Blüte der Kastanien im Hirschgarten trägt allerdings nicht nur die Trockenheit schuld, sondern auch die Kastanienminiermotte. Der südosteuropäische Kleinschmetterling frisst die Blätter der Kastanie von innen heraus auf, was sie oft schon im Frühjahr verschrumpeln und braun werden lässt. Hat der Baum aber zu wenig grüne Blätter, schaltet er - wie bei zu starker Trockenheit - in den Ruhemodus. Und versucht eben jetzt im Herbst nachzuholen, was er im Frühjahr und Sommer verpasst hat.