Süddeutsche Zeitung

Immobilienmesse:Die Wohnungsnot wird so schnell nicht verschwinden

  • Ministerpräsident Markus Söder will bis 2020 zwischen 2000 und 4000 Wohnungen von einer staatlichen Wohnbaugesellschaft errichten lassen.
  • Experten sagen, das werde nicht ausreichen, die Wohnungsmisere in München nur annähnernd zu beheben.

Von Wolfgang Görl

Wer am Samstag in die Kleine Olympiahalle mit der Hoffnung gekommen war, nach der dort anstehenden Podiumsdiskussion Licht am Ende des Tunnels zu sehen, dürfte enttäuscht nach Hause gegangen sein. Die Wohnungsnot in München wird so schnell nicht verschwinden. Das konnte man den Politikerworten entnehmen, und erst recht dem Vortrag von Helmut Thiele vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte, der nach den Politikern das Wort hatte. "Der Markt ist leergefegt", sagte Thiele, und meinte damit den Münchner Immobilienmarkt, auf dem im vergangenen Jahr nur noch wenig angeboten wurde, und dies zu horrenden Preisen.

Wohnungen, vor allem bezahlbare, sind ein knappes Gut in der Landeshauptstadt. So steckte in der Frage "Mehr Wohnraum nach der Landtagswahl?", die die Veranstalter der Münchner Immobilienmesse als Thema einer Diskussion gewählt hatten, entweder eine fette Portion Ironie oder aber purer Wunderglaube. Nicht einer der vier Politiker auf dem Podium mochte auch nur andeutungsweise die Hoffnung aussprechen, dass nach der bayerischen Landtagswahl im Oktober die Wohnungsmisere ihrem Ende entgegengehe.

Freistaat muss sozialen Wohnungsbau wieder beleben

Zum Gespräch über die Wohnsituation hatten sich Münchens Zweiter Bürgermeister Josef Schmid (CSU), die Landtagsabgeordneten Florian Ritter (SPD) und Michael Piazolo (Freie Wähler) sowie der Grüne Hep Monatzeder eingefunden, der wie Schmid ein Landtagsmandat anstrebt. "Was muss getan werden?", fragte Moderator Florian Forster, woraufhin SPD-Mann Ritter gleich mal feststellte - wogegen auch niemand opponierte - dass es vor allem darauf ankomme, Wohnraum zu schaffen, den sich Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen leisten könnten.

Es sei vor allem die Aufgabe des Freistaats, den sozialen Wohnungsbau, der in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen sei, wieder zu beleben. Die 2000 bis 4000 Wohnungen, die der neue Ministerpräsident Markus Söder bis 2020 von einer staatlichen Wohnbaugesellschaft errichten lassen wolle, seien "deutlich zu wenig". Aber auch auf dem mittleren Segment könne der Freistaat den Wohnbau ankurbeln, sagte Ritter: "Zum Beispiel Grundstücke zu Sonderkonditionen oder in Erbpacht zur Verfügung stellen."

Josef Schmid machte darauf aufmerksam, dass die Wohnraumknappheit in erster Linie ein Problem der Ballungsräume sei. München stehe dabei besonders im Brennpunkt. Die Stadtpolitik habe mittlerweile ein Wohnbauprogramm gestartet, das die Errichtung von mindestens 8500 Wohnungen in der Stadt jährlich vorsehe. Was aber die Zukunft angehe, müsse die Zusammenarbeit zwischen der Stadt und dem Umland beträchtlich intensiviert werden, forderte Schmid. "Der Raum in der Stadt ist begrenzt, das Umland hat mehr Raum." Aber es komme darauf an, Anreize für die Gemeinden zu schaffen, etwa durch den Anschluss ans S- oder U-Bahn-Netz oder durch die Zuteilung von Fördermitteln.

Auch Monatzeder richtete den Fokus auf die Frage, welche Rahmenbedingungen man schaffen müsse, damit bezahlbare Wohnungen gebaut würden. "Der Markt schafft es nicht, im Gegenteil, Wohnungen sind zum Spekulationsobjekt geworden." Sowohl der Bund als auch das Land und die Städte sollten sich darum bemühen, selbst einen Bestand an günstigen Wohnungen aufzubauen. Allerdings gehe es nicht an, so Monatzeder, dass in Ballungsräumen wie München sämtliche verbliebenen Grünflächen geopfert würden. Dort, wo es möglich sei, müsse man verdichten oder aufstocken, etwa auf den Gebäuden von Baumärkten und ähnlichem.

Ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger sei jedoch, den Bestand an günstigen Wohnungen zu sichern, um zu verhindern, dass die dort Lebenden von Besserverdienenden verdrängt würden. Monatzeder plädierte für eine Mietpreisbremse, die, anders als die bestehende, tatsächlich wirksam sein müsse, sowie für eine Bodenrechtsreform, die riesige Spekulationsgewinne verhindere.

Wie seine Vorredner hält auch Michael Piazolo nichts davon, "jedes Fleckerl in München zuzubauen". Stattdessen müsse man höher bauen - doch "alles in allem wird es in München nicht reichen, den Bedarf zu decken". Ähnlich wie Schmid warb auch Piazolo für eine Zusammenarbeit von Stadt und Umland. So könnte die Landeshauptstadt den Gemeinden bei den Erschließungskosten helfen, wenn diese neue Wohngebiete genehmigten. "Man muss aber überlegen, ob Wachstum künftig nur in der Metropolregion München stattfinden soll", fügte Piazolo hinzu.

Den ländlichen Raum attraktiver zu machen, wandte Josef Schmid ein, werde auch in der CSU diskutiert. Schmid ist in diesem Punkt skeptisch: "Fakt ist, dass die Menschen nach München wollen. Gerade Kulturschaffende und Kreative gehen nun mal in Kultur- und Kreativstädte."

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SZ vom 19.03.2018/bica
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