Stadtspitze und Mietervertreter sind in Sorge angesichts eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts. Sie sehen ein wichtiges Instrument des Mieterschutzes in Gefahr: das kommunale Vorkaufsrecht. Das Gericht hat letztinstanzlich entschieden, dass das von einem Berliner Bezirksamt ausgeübte Vorkaufsrecht in einem Gebiet mit Milieuschutzsatzung nicht rechtmäßig war. Ein Vorkaufsrecht ist laut Urteil ausgeschlossen, wenn ein Grundstück entsprechend einem Bebauungsplan oder den Zielen der jeweiligen städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und das Gebäude "keine Missstände oder Mängel" aufweist.
Der Chef des Münchner Mietervereins, Volker Rastätter, übersetzt das Urteil auf Basis einer Pressemitteilung des Gerichts so: "Die Kommunen dürfen ihr Vorkaufsrecht auch im Erhaltungssatzungsgebiet nur wahrnehmen, wenn es sich um eine Schrottimmobilie handelt, in der keine oder kaum noch Mieterinnen und Mieter leben." Keine Rolle spiele mehr, ob Bewohner verdrängt werden sollen.
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In München hat die Stadt seit 2010 in 65 Fällen das Vorkaufsrecht in Erhaltungssatzungsgebieten ausgeübt und die jeweiligen Häuser gekauft. So wurden Mieter in mehr als 6500 Wohnungen vor übermäßigen Mietsteigerungen und Verdrängung geschützt. Der Schutz gilt auch dann, wenn ein Käufer den Vorkauf abwendet, indem er sich zu vergleichsweise mieterfreundlichem Agieren verpflichtet.
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) betonte die Bedeutung von Erhaltungssatzungen und des Vorkaufsrechts: Dies seien "zentrale Mieterschutzinstrumente" für die Kommune. "Sollte das Urteil nach entsprechender juristischer Prüfung der schriftlichen Begründung tatsächlich auch für München Auswirkungen haben, werde ich alles versuchen, bei der neuen Bundesregierung für eine dann noch wirkungsvollere Mieterschutzgesetzgebung zu kämpfen."
Auch SPD-Fraktionschef Christian Müller zeigt sich beunruhigt: Die kommunalen Handlungsmöglichkeiten beim Mieterschutz "dürfen nicht beschnitten werden". Der Mieterverein wird konkreter: Der Bundesgesetzgeber müsse "nun sofort aktiv werden und das Baurecht reformieren". Auch Christian Stupka, Sprecher der Münchner Initiative für ein soziales Bodenrecht, ist alarmiert: "Es bedarf einer rechtlichen Klarstellung im Baugesetzbuch. Das muss nach dem aktuellen Urteil Tagesordnungspunkt 1 der Koalition in Sachen bezahlbarer Wohnraum sein."