Immobilienmarkt:Die Furcht der Münchner vor dem Zehner

Lesezeit: 2 min

München, 26.5.2017 / Foto: Robert Haas Schmuckfoto Sommer 2017 SWM Bäder Michaelibad / Freibad / Sprungturm / Wasser (Foto: Robert Haas)

München sollte unbedingt mehr in die Höhe wachsen. Das wäre gut fürs Image. Und auch beim Besuch im Freibad könnte es am Ende nützlich sein.

Kolumne von Christiane Lutz

Der Bademeister hatte wohl nicht damit gerechnet, dass da noch jemand kommt, an den Sprungturm im Michaelibad. In Zeitlupe entfernt er die Absperrkette, der Sprungturm ist offen. Die Leiter hinauf, vorbei am Dreier, vorbei am Fünfer. Vielleicht doch zum Siebener abbiegen? Nix da, weiter. Nach ganz oben, zum Zehner. Denn wer hoch hinaus will, muss hoch hinauf. Und wieder runter.

Ein Kollege, der schon mal Fallschirmspringen war, sagt, nie im Leben würde er sich auf "so einen verkackten Turm" trauen. Und der zehnjährige Sohn eines Freundes berichtet, er war sicher, "sein letztes Stündlein habe geschlagen", als er neulich vom Zehnmeterbrett sprang. Beruhigend.

Verkehr
:Stau sollte immaterielles Unesco-Weltkulturerbe werden

Auf der Liste fehlt die Tradition, die jedes Jahr von Millionen Menschen intensiv gelebt wird - gerade zur Ferienzeit. Die Weltmeister der Brauchtumspflege sind natürlich die Münchner.

Kolumne von Andreas Schubert

Mit der Höhe hat man es in München nicht so, man mag es bodenständig. In nur einem einzigen Münchner Freibad gibt es überhaupt einen Zehnmeterturm. Bei knapp 1,6 Millionen Einwohnern und etlichen potenziellen Springern müsste die Schlange vor dem Turm eigentlich vom Michaelibad bis mindestens zum Leuchtenbergring reichen. Tut sie aber nicht. Möglicherweise kommt die Furcht der Münchner vorm Zehnmeter daher, dass in dieser Stadt nicht hoch gebaut werden darf. Kaum ein Neubau, der mehr als vier Stockwerke hat. Auf Gebäuden, auf die sich in anderen Städten nicht mal Tauben hinunter begeben, eröffnet man in München Rooftopbars. Und im Sommer flackt sowieso jeder im Gras an der Isar herum, auf Augenhöhenmeter Null, sozusagen. Woher soll man die raue Zehnmeterluft also kennen? Den Blick über den Rand der eigenen Furcht, sozusagen?

Das Eintauchbecken sieht dann mikroskopisch aus von da oben. Akute Zweifel, ob man nicht aus Versehen daneben hüpfen könnte. "Es ist völlig gaga, was du da tust", sagt der Instinkt, der wahrscheinlich gerade auch für dieses Herzklopfen verantwortlich ist. "Im Internet steht außerdem, dass man bei einem Sprung vom Zehner mit sagenhaften 50 Stundenkilometern nach unten saust!" Der Verstand hingegen behauptet, dass das Becken groß genug ist. Und dass dieser Sprung möglicherweise auch für einen Münchner zu überleben sei. Vielleicht wäre es ganz lustig, behauptet er, mal wieder das gute Adrenalin zu spüren, das sich mit der Überwindung einer Gefahr - dem Sprung - in Wohlgefallen auflöst.

Es müssen ja nicht gleich Wolkenkratzer sein. Aber Sprungtürme für jedes Freibad, Fallhöhe für jeden Bedarf, das wäre schon toll. Denn wenn die Stadt mehr für das Image der Höhe täte, dann wäre dieser blöde Zehner hier nicht so furchteinflößend. Ein letzter Blick zurück. Nein, Runtersteigen ist keine Option.

© SZ vom 18.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Neubau oder Sanierung
:Das Arabellahaus soll neu erstehen

Es ist eines der markantesten Gebäude Münchens, nun läuft alles auf einen Abriss hinaus. Die Besitzer wollen sein Erscheinungsbild und das einst modellhafte Nutzungskonzept erhalten.

Von Alfred Dürr

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: