Immobiliengeschäft der Erdiözese München-Freising:Pilgerpalast statt Altersheim

Die Erzdiözese München und Freising hat sich ein Haus für Pilger in Rom gekauft - keine bescheidene Hütte, sondern einen Palast mit zehn Gästezimmern für fast zehn Millionen Euro. Die derzeitigen Bewohner des Altersheims müssen dafür ausziehen - doch sie wollen nicht weg.

Andrea Bachstein, Rom

Wenn sie die Treppe hinuntergeht, streift der hintere Saum ihres knöchellangen schwarzen Habits über jede Stufe, aber das macht nichts, denn da liegt kein Stäubchen, das hängen bleiben könnte. Geschwind, aber auch spürbar wehmütig führt Mutter Mercedes durchs Haus. Auf einer der beiden Terrassen hängen ein paar weiße Unterkleider der "Kleinen Schwestern der verlassenen Alten" zum Trocknen in der Frühlingsonne.

Immobiliengeschäft der Erdiözese München-Freising: Die Casa S. Pio X. liegt nicht mehr ganz im Zentrum Roms. Dennoch zahlt man hier noch bis zu 6000 Euro pro Quadratmeter.

Die Casa S. Pio X. liegt nicht mehr ganz im Zentrum Roms. Dennoch zahlt man hier noch bis zu 6000 Euro pro Quadratmeter.

(Foto: carlo lannutti)

Der Raum mit den Waschmaschinen im Dachgeschoss ist genauso blitzblank wie jeder Winkel der anderen vier Etagen der Casa S.Pio X. in Rom, bis hinunter zur Kapelle im Erdgeschoss und der geräumigen Küche im Souterrain. Dennoch entschuldigt sich die Oberin der Piccole Suore bei dem unangemeldeten Besuch für den Zustand: Ein Teil des schlichten Inventars ist schon weg, die großen Schränke zum Beispiel, weil sie die auch in Zukunft gebrauchen können.

Die vier Schwestern der aus Spanien stammenden Kongregation, die sich der Betreuung alter Menschen geweiht hat, sind am Umziehen. In etwa zwei Monaten werden sie das Haus mit der Ziegelsteinfassade und dem akkurat gepflegten Garten verlassen haben, meint Mutter Mercedes. Dann könnte der neue Besitzer mit Umbauen beginnen: In dem bisherigen Altenheim will die Erzdiözese München-Freising künftig ihr "Haus der Begegnung" einrichten. Zehn Gästezimmer hat das Haus, in denen nach Angaben der Pressestelle des Ordinariats die Leitung der Erzdiözese, Mitglieder des Domkapitels, Mitarbeiter des Erzbischöflichen Ordinariates, Vertreter der Laienräte, aber auch kleinere Pilger- und Besuchsgruppe aus der Erzdiözese übernachten können sollen. Für 9,7 Millionen Euro hat das Bistum das Anwesen an der Viale delle Medaglie d'Oro erworben.

Die Ausgabe hat einiges an Kritik in München ausgelöst. Aber es sieht so aus, als wäre der Kauf zumindest als sichere Geldanlage gar keine schlechte Wahl. Nicht nur, weil das Gebäude ziemlich in Schuss zu sein scheint, sondern auch, weil beim Wert von Immobilien ja bekanntlich drei Dinge zählen: die Lage, die Lage und die Lage. Und diese hier, im besten Teil des gutbürgerlichen Quartiere Balduina, ist eine geschätzte Wohngegend in Rom, die seit den zwanziger Jahren, aber vor allem in den Nachkriegsjahren bebaut worden ist.

Der Vatikan ist um die Ecke

Viele Justiz- und Ministerialbeamte zogen damals hier in den Nordwesten Roms. Der Name "Goldmedaillen Straße" hat übrigens nichts mit dem Olympiastadion zu tun, das auch nicht sehr weit weg ist, sondern erinnert an eine Militärauszeichnung. Alles, was man an Geschäften braucht, gibt es in direkter Nähe der Casa S. Pio X. Zur Apotheke sind es nur wenige Schritte, genauso zu einem Lebensmittelladen und zur Bar, und eine Gelateria ist auch gleich da.

Ein paar Meter weiter, an der Piazza delle Medaglie d'Oro, ist dann sowieso ein Laden am anderen. Die Bushaltestelle liegt gegenüber vom Haus, und für römische Verhältnisse sind die Verbindungen ziemlich gut, auch zur U-Bahn sind es nur wenige Stationen. Man ist schnell im Viertel Trionfale und in Prati mit seinen großen Einkaufsstraßen. Und, ganz wichtig für ein Haus der Kirche: Der Vatikan ist nur etwa vier Kilometer weg.

Signor Claudio, ein ziemlich entspannter älterer Herr aus der Nachbarschaft, der beim Vormittags-Caffè vor einer der Bars hier sitzt, lobt sein Quartiere jedenfalls. Die Luft sei besser, weil es auf einer Anhöhe liegt, die Leute und die Geschäfte hier gefallen ihm. Das einzig Negative seien die Antennen. Die sind in der Tat von einigen Punkten unübersehbar. Balduina erstreckt sich am Südhang des 139 Meter hohen Monte Mario.

Semi centrale", halbzentral, heißen in Anzeigen solche Gegenden, die weder an der Peripherie noch in der Innenstadt liegen. Rom ist die Stadt mit den teuersten Wohnungspreisen in Italien. Und in Rom gibt es weit teurere Gegenden als diese, aber mit 4500 bis 6000 Euro pro Quadratmeter müsse man rechnen, ist in einer der Immobilienagenturen nahe der Casa S. Pio X. zu erfahren.

Die haben etliche Etagenwohnungen im Angebot, die um die 1,2 Millionen kosten. Signor Claudio deutet auf eine Dachterrasse auf einem der großen Wohnhäuser, das an der ansteigenden Viale delle Medaglie d'Oro etwas oberhalb der Casa S. Pio X. liegt. Eine Freundin habe diese Terrassenwohnung unlängst für mehr als zwei Millionen verkauft - aber man habe von dort auch Ausblick über die ganze Stadt.

Die Älteste ist 103 Jahre alt

Mutter Mercedes und die anderen Schwestern gehen jedenfalls nicht gerne weg von hier, und auch nicht die vier alten Damen, die sie noch betreuen. Aber, erklärt die spanische Nonne, sie hätten keine Wahl. Sie hatten früher mehr als 20 Senioren hier, aber weil das Gebäude nicht alle europäischen Normen für Altenheime erfülle, dürfen sie schon seit 2009 keine neuen Bewohner mehr aufnehmen. Mutter Mercedes klopft an eine der weißgestrichenen Türen - "avanti" tönt es zart zurück.

Drinnen steht Signora Giovanna, sehr klein, sehr aufrecht. Sie sieht aus, als wolle sie gerade ins Restaurant ausgehen: Jedes blonde Härchen sitzt, sie trägt ein makelloses Jackett, Kette und passende Ohrclips, das Handtäschchen liegt bereit. Ganz Dame und 103 Jahre alt ist Signora Giovanna und freut sich, die Oberin zu sehen.

So sorgfältig mache sich die Älteste im Haus jeden Tag zurecht, sagt Mutter Mercedes, auch wenn es zum Mittagessen nur auf die andere Seite der Etage geht. Signora Giovanna hat ihr mehrmals kategorisch mitgeteilt, sie werde auf keinen Fall aus diesem Haus weggehen, weil es ihr zu gut gefällt.

Ihr Zimmer ist einfach möbliert, man sieht, dass der bevorstehende Umzug auch hier schon Lücken im Mobiliar verursacht hat. Aber alles ist gepflegt, und Signora Giovanna hat einen netten Platz mit Sessel und Tischchen in der sonnigen verglasten Veranda, die zu ihrem Zimmer gehört wie ein geräumiges Bad. Die alte Dame zeigt stolz ein Foto, das zwischen ihren Heiligenbildchen steht. Bei einer päpstlichen Generalaudienz sieht man sie da vor Johannes Paul II., neben ihr die Mutter der Signora - "sie wurde 106", der sie nun ähnlicher sieht als sich selbst auf dem Bild.

Die drei jüngeren der alten Bewohnerinnen schauen gerade vor dem Essen noch ein bisschen fern in einem der Aufenthaltsräume und wirken genauso heiter wie die 103-Jährige. Herzlich und familiär ist der Ton zwischen ihnen und Mutter Mercedes. Die wurmt es spürbar, dass dieses geräumige, helle Haus kein Altersheim mehr sein darf. Natürlich hätten sie Zimmer mit zwei oder drei Betten gehabt. Aber die Räume, die sie zeigt, sind so groß, dass es nicht allzu beengt zugegangen sein kann.

Aber es hilft nichts, sie müssen hier weg. Die auch in Südamerika und Afrika tätigen Schwestern der "Hermanitas de los Ancianos Desamparados", wie der Orden in seiner Heimat Spanien heißt, widmen sich der Versorgung alter Menschen, vor allem solcher, die allein sind und kein Geld haben. Da komme es natürlich nicht in Frage, einfach ohne Senioren in dem Haus zu bleiben, sagt Mutter Mercedes.

Sie sind dabei, ein anderes Heim in Rom einzurichten, wo Platz für 50 Menschen und entsprechende Betreuung sein wird. "Wenn die Vorsehung hilft", würden sie den Umzug schon schaffen. Die vier alten Damen nehmen sie mit. Irgendwie, sagt die Oberin und lacht, werde sie auch Signora Giovanna noch überreden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: