Süddeutsche Zeitung

Münchner Umland:Was Wohnen kostet

München und Starnberg liegen an der Spitze, doch der Preis steigt überall in der Region weiter. Ob die Mietpreisbremse den Anstieg stoppen kann?

Von Günther Knoll

Nein, eine Immobilienblase wird es in der Region München nicht geben. Diese Befürchtung hält Stephan Kippes für unbegründet. Allein die Stadt München wird bis 2030 um etwa 200 000 Einwohner wachsen, und auch die Region ist entgegen dem bundesweiten Trend weiter gut für positive Wachstumszahlen. Wenn man den neuesten Marktbericht des IVD-Instituts für Wohnimmobilien im Münchner Umland betrachtet, den Marktforscher und Immobilienexperte Kippes am Mittwoch vorstellte, dann wird eher zu wenig gebaut.

Die Folge: Die Preise und Mieten steigen weiter. Generell gilt: Am teuersten wohnt sich's in München selbst, wobei Starnberg, was freistehende Einfamilienhäuser angeht, der Stadt den Rang als teuerstes Pflaster abgelaufen hat. 1,4 Millionen Euro zahlte man im Frühjahr 2015 laut IVD am Starnberger See für ein solches Objekt, 200 000 Euro mehr als in der Landeshauptstadt. Offensichtlich sind Käufer bereit, für das Prädikat "landschaftlich besonders reizvoll" entsprechendes Geld hinzublättern.

Abgesehen von Starnberg, wird es in der Regel mit jeder S-Bahn-Station nach draußen günstiger. Wobei günstig relativ ist: Ein Einfamilienhaus in Markt Indersdorf kostet immer noch gut eine halbe Million Euro. Dafür könnte man, so sagen Spötter, den halben Bayerischen Wald kaufen. Kippes spricht denn auch nur von einer "Preisdämpfung" entlang der S-Bahn-Gleise und Hauptausfallstraßen. In Ebersberg oder Fürstenfeldbruck zahlt man beispielsweise knapp die Hälfte des Münchner Kaufpreises (1,2 Millionen Euro) für Einfamilienhäuser, in Petershausen im Landkreis Dachau gibt es ein solches Objekt für durchschnittlich 305 000 Euro.

Der Flughafen "als Jobmotor" (Kippes) lässt die Immobilienpreise in den Landkreisen Freising und Erding höher steigen als anderswo. Das zeigt sich vor allem bei Eigentumswohnungen: Mit 3400 Euro pro Quadratmeter ist man in der Stadt Freising etwa 30 Prozent unter dem Münchner Preis (4850 Euro). Unterschleißheim, obwohl 15 Kilometer näher an München gelegen, ist mit 3000 Euro günstiger. Mit einem Quadratmeterpreis von 2100 Euro sind Eigentumswohnungen in Geretsried am günstigsten, doch das werde sich, so prophezeit der IVD, ändern, wenn die S 7 endlich in den Ort verlängert werde.

"Deutlich günstiger" ist laut Kippes das Wohnen "zwischen den S-Bahn-Ästen". Neu Hinzuziehenden fehle aber wohl die entsprechende Ortskenntnis, um das auch zu nutzen. Ein klassisches Beispiel dafür sei die Gemeinde Emmering zwischen Fürstenfeldbruck und Eichenau gelegen. Mit dem Rad brauche man von dort keine zehn Minuten zum Brucker S-Bahnhof, die Immobilienpreise seien aber deutlich niedriger.

Bei den Mietobjekten haben etliche Vermieter von Bestandswohnungen die Zeit vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse noch einmal für Erhöhungen genutzt, wie man beim IVD festgestellt hat. Damit, so die Sicht der Makler, habe dieses Instrument seine Wirkung verfehlt, außerdem fehle in den meisten Kommunen ein Mietspiegel, der Grundlage für die Bremse ist. Aufgrund des Zuzugs in die Region gebe es weiterhin eine große Zahl an Mietgesuchen. Das Preisgefälle von München nach draußen sei bei den Mieten auch nicht so ausgeprägt wie bei Kaufimmobilien, denn "die Leute müssen mieten". Die Rendite für Vermieter ist im Vergleich zum Verkauf von Wohnraum deutlich zurückgegangen. Die Nachfrage könne kaum befriedigt werden, weil die Investoren zunehmend weniger bereit seien, Wohnraum zu schaffen. Für Kippes ist es ein Glück, "dass es im Moment kaum Alternativanlagen gibt".

Darben muss aber wohl kein Vermieter, denn generell ist das Mietniveau hoch - in der Stadt wie in der Region. Für Bestandswohnungen bezahlt man in München 14,50 Euro pro Quadratmeter, in der Stadt Starnberg sogar 15 Euro. Mit der Nähe zur Metropole und einem direkten Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr steigen auch die Mietpreise. In Gräfelfing etwa zahlt man 13 Euro, in Oberhaching sogar 13,70 Euro. Von dort aus ist man ebenso schnell in München wie in den Bergen. Einfache Wohnungen mit Quadratmetermieten unter acht Euro gibt es in der Stadt München so gut wie gar nicht mehr, und auch in den umliegenden größeren Gemeinden nur noch vereinzelt. In Freising (11,40 Euro) und Erding (10,40 Euro) stiegen die Mietpreise mit je zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr am stärksten.

Kippes hat klare Vorstellungen, wie dem Engpass auf dem Münchner Wohnungsmarkt zu begegnen ist. So müssten die Kommunen durch die Ausweisung von Baugebieten die Voraussetzungen dafür schaffen, dazu müsse die verkehrliche Infrastruktur auch endlich entsprechend ausgebaut werden. Weitere Instrumente seien Nachverdichtung und das Umwidmen von ausgewiesenen Gewerbeflächen für die Wohnnutzung. Außerdem sollten Wohnbaugenossenschaften gefördert werden. Er könne auch nicht verstehen, sagte der Marktforscher, dass Unternehmen in der Region kritisierten, ihre Beschäftigten fänden keine Wohnungen, wenn sie vorher ihre eigenen Werkswohnungen "im Paket" verkauft hätten.

Wirtschaftskraft, Arbeitsplätze, Lebensqualität - die Region wird, da ist sich Kippes sicher, weiter begehrt sein. Und deshalb auch der entsprechende Wohnraum. "Dass es da preislich nach unten geht, ist schwer vorstellbar."

Instrument mit Hürden

In München, aber auch in vielen Umlandgemeinden, ist zum 1. August 2015 die Mietpreisbremse eingeführt worden. In neuen Verträgen dürfen Mieten seither maximal zehn Prozent über den ortsüblichen Mietpreisen liegen. Eine Ausnahme gilt für Wohnungen, für die schon bisher mehr bezahlt wurde: Die Vormiete darf auch vom neuen Mieter verlangt werden.

In der Praxis ergibt sich daraus aber ein Problem, denn in vielen kleineren Kommunen gibt es bislang keine Mietspiegel. Und der gilt als das geeignetste Mittel, um die ortsüblichen Preise festzustellen. Erste Kommunen überlegen deshalb bereits, einen Mietspiegel erstellen zu lassen. Der Bürgermeister von Ottobrunn zum Beispiel, Thomas Loderer, will deshalb seine Kollegen im südlichen Teil des Landkreises München überzeugen, gemeinsam einen Mietspiegel erstellen zu lassen. Der Münchner Mieterverein, der sich massiv für das neue Instrument einsetzt, empfiehlt, zur Not den Mietspiegel einer Nachbargemeinde zu verwenden. Allerdings sei es Vermietern nicht erlaubt, für die Ermittlung der Miete in einer Umlandgemeinde den Münchner Mietspiegel anzuwenden. Das Bayerische Justizministerium verweist ganz allgemein auf "Vergleichsmietdatenbanken" oder "statistische Erhebungen zur ortsüblichen Miete", die alternativ herangezogen werden können.

Grundsätzlich gilt die Mietpreisbremse für alle Wohnungen, die vor dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt wurden. Ausgenommen sind Ferienwohnungen, Studentenwohnheime oder frisch sanierte Wohnungen. Wichtig ist, dass der Mieter aktiv sein Recht einfordert - von allein wirkt die Mietpreisbremse nicht. lod

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Quelle:
SZ vom 01.10.2015/infu
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