Immobilien:Die Münchner suchen wieder ihr Haus mit Seeblick

Immobilien: Der Makler Gerschlauer mit seinem italienischen Partner in einer Luxus-Villa für über 5 Millionen Euro direkt am See in Salo

Der Makler Gerschlauer mit seinem italienischen Partner in einer Luxus-Villa für über 5 Millionen Euro direkt am See in Salo

(Foto: Stephan Rumpf)

Durch die Finanzkrise gingen die Immobilienpreise am Gardasee in den Keller. Makler hoffen, dass sich der Markt nun erholt - auch, wenn deutsche Banken für italienische Häuser keinen Kredit mehr geben.

Von David Costanzo

Früher war der Hauskauf in Italien wohl nichts für schwache Nerven: Es galt die 60:40-Regel. Der Kaufpreis wurde ausgehandelt und per Handschlag besiegelt. Beim Notar standen dann oft plötzlich nur 60 Prozent davon im Vertrag, die übrigen 40 Prozent waren in bar fällig.

Woher das Geld kam, wohin es ging? Muss doch niemanden interessieren. Weil sich auch die Steuern aus dem Kaufpreis - dem eingetragenen Kaufpreis - errechneten, wurde nebenbei auch der Staat um ein paar Millionen Lire geprellt. Der Münchner Makler Ingo Gerschlauer schüttelt den Kopf, wenn er solche Anekdoten erzählt: "Das ist ewig lange vorbei." Der 68-Jährige kann viele solcher Anekdoten erzählen.

Anfang der Achtzigerjahre hatte Gerschlauer den Gardasee für sich entdeckt: Binnen weniger Jahre vermittelte er in jeder größeren Gemeinde mindestens fünf Häuser und Wohnungen, erzählt er, meist an Baden-Württemberger, Bayern, Münchner. Damals sei er der größte deutsche Makler am See gewesen.

Mitte der Neunziger zog er sich aus Italien zurück und konzentrierte sich auf München, wo er heute ein Immobilien-Unternehmen mit 25 Mitarbeitern führt. Jetzt will er wieder Segel setzen am Gardasee, obwohl dort weitgehend Flaute am Immobilienmarkt herrscht - eine Flaute nach der Finanzkrise, nach der das Geschäft wieder in Gang kommen könnte.

Das "traumhafte, kernsanierte Haus mit Garten und Seeblick" oberhalb von Bardolino, wie es das Exposé anpreist, hat er gerade vermittelt: 100 Quadratmeter Wohnfläche auf 800 Quadratmeter Grund, automatischer Rasensprenger, 790 000 Euro, obwohl das Schwimmbad mit den Nachbarn geteilt werden muss und man den See zwischen den Bäumen fast suchen muss.

Ein Ehepaar habe es gekauft, das jahrzehntelang auf einen Campingplatz am Ostufer fuhr, erzählt Christoph Buchbauer, der bei Gerschlauer für das Garda-Geschäft zuständig ist. Jetzt, da das Paar die Firma an einen Nachfolger übergeben habe, will es sich den Komfort leisten und das Haus zu einem Treffpunkt für die ganze Familie machen.

Mit der Finanzkrise war 2008 der Markt in Italien zusammengebrochen: Hatten sich die Preise von Anfang der Achtziger bis dahin verfünffacht, befeuert mit dem Geld der Banken, haben sie sich seither vielerorts halbiert. Viele Italiener müssen ihr Häuschen verkaufen, es gibt viele Zwangsversteigerungen, die Schaufenster und Zeitungsannoncen sind voll von Angeboten. Bei Toscolano Maderno stehen über dem Westufer etliche Rohbauten leer, Baujahr 2008, bester Seeblick, Top-Ausstattung, erzählt Buchbauer.

Die Bauträger bringen die Wohnungen nicht an den Mann oder sind schon pleite gegangen. Die Quadratmeter-Preise liegen nach seiner Schätzung bei 4000 bis 5000 Euro, in München seien es 7000 Euro. Einfache Häuschen gebe es ab 300 000 Euro. Der Tiefststand ist erreicht, hoffen die Makler, der Pegel soll nun wieder steigen.

Deutsche Banken finanzieren keine Häuser mehr in Italien

Fast nur noch die Deutschen investieren, dann aber am liebsten in ihren Strandabschnitt zwischen Bardolino und Lazise, fast immer ohne Kredit, denn die deutschen Banken finanzieren keine Häuser in Italien mehr. Zu unsicher. Seeblick wollen fast alle und die Gefühle sind immer im Spiel. Viele deutsche Käufer hängen am See, pflegen Erinnerungen, suchen einen Anker. Gerschlauer sagt: "Die Großeltern wollen die Enkel planschen sehen."

Bei ihm war es nicht die große Liebe, die ihn einst an den Gardasee brachte, sondern das Geschäft. Irgendwann bat ein Münchner Italiener ihn, sein Haus an einem anderen See zu verkaufen - an einen solventen Deutschen. Das ging zwar schief. Doch er freundete sich mit dem Italiener an und kam an das Haus einer Dame in Riva, für das er sehr schnell einen Käufer fand. Auf jede Verkaufsannonce meldeten sich nicht nur Interessenten, sondern auch Verkäufer.

Beinahe jedes Wochenende in der Saison verbrachte er am See. Einmal stand ein Kunde unter der Woche ohne Termin an einer Adresse in Lazise am Ostufer und rief unvermittelt in München an, der passionierte Porsche-Fahrer Gerschlauer fuhr in drei Stunden runter, um das Objekt vorzuführen. Er wollte sogar in ganz Italien tätig werden, aber das stellte er schnell wieder ein, nachdem er einmal umsonst nach Apulien gefahren war, weil ein Bauträger ihn über die angebliche Spitzenlage angeschwindelt hatte.

Später wurde sogar Silvio Berlusconi auf den Makler der Deutschen aufmerksam: Lange bevor der Bauunternehmer mit zweifelhaftem Ruf in die Politik ging, wollte er ein Anwesen in Porto Cervo auf Sardinien verkaufen, das Feinste vom Feinsten in der teuersten Lage. Der habe wohl auf einen sehr solventen deutschen Fußballstar als Käufer gehofft, sagt Gerschlauer.

Acht Tage blieb er auf Sardinien, einen Käufer gab es nicht. Am Gardasee ging es etwas kleiner zu. Um einen Telefonanschluss zu bekommen, und das konnte seinerzeit in Italien zwei Jahre dauern, legte Gerschlauer sich ein Apartment in Albisano zu - am Ostufer oberhalb von Torri del Benaco, auf der "deutschen Seite", wie Gerschlauer sagt.

Bis heute spricht Gerschlauer kaum Italienisch

Dann entdeckte er die andere Seite für sich, die "italienische Seite". "Rund um Maderno, das ist meine Gegend", sagt Gerschlauer. Das Wetter, das Essen, das Bootfahren: Der Makler verknüpfte seine Freizeit mit dem Geschäft, seine Frau Brigitte war oft dabei, um zu übersetzen, er selbst spricht bis heute kaum Italienisch.

Immer wieder kaufte und verkaufte er Wohnungen und Häuser auch für sich und seine Familie, derzeit mietet er in Salò, der nächste Kauf ist geplant. Und im nahen Hafen liegt sein Motorboot, das dritte, benannt nach seiner Frau "Brigitte II", 7,30 Meter lang, 330 PS. Damit geht er mit seinen Kindern und Enkeln Wasserskifahren. Er steigt auch selbst immer noch auf die Bretter.

Gerschlauer versucht, die alten Kontakte wieder aufzufrischen, teilweise meldeten sich Kunden zum Verkauf, die bei ihm in den Achtzigern gekauft hatten. Er trifft bei Salò Pietro Avanzi, mit dessen Vater er schon zusammengearbeitet hat. Avanzi, 42 Jahre alt, braune Slipper, weißes Einstecktuch, hat sich auf Villen spezialisiert.

Rund 20 seien derzeit im Angebot, das Jugendstil-Exemplar erinnert an den alten Glanz der Gegend: eigenes kleines Hafenbecken, Sprungbrett in den See, neun Zimmer, 360 Quadratmeter Wohnfläche, 1200 Quadratmeter Grund, 5,6 Millionen Euro Verhandlungsbasis. "Die Fenster sind ja gar nicht neu", stellt Gerschlauer gleich fest. "Ja, ja", sagt Avanzi. "Da muss man noch gut eine Million reinstecken."

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