Immobilien:Bauherren müssen mehr günstigen Wohnraum anbieten

Großbaustelle "Schwabinger Tor" in München, 2017

An der Leopoldstraße im Münchner Stadtteil Schwabing-West entstehen derzeit 210 Mietwohnungen - und ein Hotel mit Sky Lounge.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Vertreter der Stadt haben sich mit wichtigen Bauträgern auf eine Neufassung der "sozialgerechten Bodennutzung" (Sobon) geeinigt.
  • Bauherren müssen demnach vertraglich zusichern, einen fixen Anteil preisgünstiger Wohnungen anzubieten.

Von Dominik Hutter

In Münchner Neubauquartieren darf künftig dichter gebaut werden, im Gegenzug wird der Anteil bezahlbarer Mietwohnungen größer. Vertreter der Stadt haben sich mit wichtigen Bauträgern auf eine Neufassung der "sozialgerechten Bodennutzung" (Sobon) geeinigt - einer Vorgabe der Stadt, mit der sie Investoren als Ausgleich für ihre Profite durch neues Baurecht einen Beitrag für neue Straßen, Schulen, Kitas und Grünflächen abknöpft.

Die Bauherren müssen zudem vertraglich zusichern, einen fixen Anteil preisgünstiger Wohnungen anzubieten. Die Fortschreibung dieses im Jahr 1994 eingeführten Planungsinstruments steht kommenden Mittwoch auf der Tagesordnung des Stadtrats - eine Mehrheit gilt als sicher.

Die Sobon gilt auf privaten Flächen, für die das Planungsreferat neues Baurecht erteilt. Wenn der Stadtrat die Vorschläge von Stadtbaurätin Elisabeth Merk absegnet, müssen künftig zehn Prozent der Neubauwohnungen für maximal 13,90 Euro pro Quadratmeter vermietet werden - also deutlich günstiger als in München beim Erstbezug üblich. Diese Miete kann im üblichen Rahmen erhöht werden, die Bindung gilt 30 Jahre lang. Wie bisher schon müssen außerdem 30 Prozent der Wohnungen für Geringverdiener reserviert werden: 20 Prozent für sozial Bedürftige und zehn Prozent nach dem München-Modell, das auf niedrige Einkommen oberhalb der Schwelle zur Sozialhilfe zugeschnitten ist.

Aus Sicht Merks ist dies die wichtigste Neuerung im Sobon-Paket. Denn bisher habe es eine "starke Fokussierung" auf den Bau von Eigentumswohnungen gegeben. Mit der neuen Zehn-Prozent-Quote für Wohnungen zu 13,90 Euro je Quadratmeter würde endlich wieder mehr in Mietwohnungen investiert. Erhöht wird zugleich der Beitrag für die Infrastruktur, der immer dann fällig wird, wenn der Investor den Bau von sozialen Einrichtungen, Grünflächen und Straßen der Stadt überlässt. Seit Jahren lag er bei 66 Euro je Quadratmeter Wohnraum; künftig soll die Ablöse 100 Euro betragen.

Dieses Modell, dass Investoren an die Stadt zahlen müssen, ist eine Münchner Erfindung, die deutschlandweit Schule macht: Viele Städte haben Sobon inzwischen auch bei sich eingeführt.

Merk zeigt sich nach den Verhandlungen zufrieden mit dem Kompromiss. Natürlich wäre "mehr immer besser", so die Stadtbaurätin. Aber mit dem Ergebnis könne man gut leben. Das sehen auch die beiden großen Stadtratsfraktionen von SPD und CSU so. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl erinnert daran, dass im Interesse des Münchner Wohnungsbaus Einigkeit mit den wichtigsten Bauträgern unerlässlich sei. Denn die Rechtsgrundlagen der Sobon seien "überschaubar", im Konfliktfall wäre wohl mit langen juristischen Auseinandersetzungen zu rechnen. CSU-Planungssprecher Walter Zöller spricht von einem "sehr vernünftigen Interessensausgleich". Die Erfolgsgeschichte der Sobon könne nun fortgesetzt werden.

Bei Paul Bickelbacher, dem Planungsexperten der Grünen, hält sich die Begeisterung dagegen in Grenzen: "Das hätte besser verhandelt werden können." So findet Bickelbacher, dass der Betrag von 13,90 Euro je Quadratmeter zwar vergleichsweise günstig, für viele aber immer noch unbezahlbar sei. Zudem gelte die Festschreibung als bezahlbare Mietwohnung nur 30 Jahre lang. Danach darf der Eigentümer frei entscheiden. Bei Investitionen auf städtischen Flächen, dem sogenannten Konzeptionellen Mietwohnungsbau, seien inzwischen Bindungsfristen von 60 Jahren üblich, erinnert Bickelbacher. Der Grünen-Politiker hätte sich obendrein einen höheren Pflichtanteil geförderter Wohnungen gewünscht, etwa in der Größenordnung 35 bis 40 Prozent. Die Grünen wollen die Vorlage deshalb ablehnen.

Besonders unzufrieden ist Bickelbacher mit dem "Zuckerl", das die Stadt den Investoren als Anreiz für die neue Sobon anbietet: Bislang galt für neue Bebauungspläne die Zielvorgabe, 38 Quadratmeter Grünfläche je Einwohner zu schaffen. Dieser Wert soll nun auf 15 Quadratmeter innerhalb des Mittleren Rings und 20 Quadratmeter in den äußeren Stadtbezirken schrumpfen. Da wollen die Grünen nicht mitspielen. Die von Merk angebotene Kompensation, an anderen Stellen verstärkt aufs Freihalten großer Grünschneisen zu achten, ist Bickelbacher zu unverbindlich.

Das Planungsreferat wie auch SPD und CSU halten die Einwände der Grünen für ein Missverständnis. Die Zielvorgabe von 38 Quadratmetern werde in der Praxis seit vielen Jahren kaum noch angewandt, berichtet Zöller. Die Verwaltung schreibe nur fest, was ohnehin längst Usus ist, versichert auch Reissl. Seine Fraktionskollegin Heide Rieke spricht daher von einer "Frage der Transparenz".

Nach Auskunft Merks wird der niedrigere Wert in der Praxis nicht kleinere Grünflächen, sondern vielmehr höhere Gebäude nach sich ziehen. Beispiel Agfa-Gelände in Giesing: Dort bemängelten Besuchergruppen regelmäßig die geringe Höhe der Wohnhäuser. Nach den neuen Vorgaben könnte man auf die Riegel einfach noch eine Etage draufpacken, ohne die Grünfläche vor der Tür anzutasten. Die Freizeitareale würden dann allenfalls von mehr Leuten genutzt, aber keinesfalls in ihrer Ausdehnung reduziert. Merk schätzt aber, dass derzeit ohnehin nur 20 Prozent aller Bebauungspläne auf die alte Zielzahl kommen. Der große Rest erhalte aus praktischen Gründen eine Ausnahme.

Die Stadtbaurätin versichert, den Auftrag für große zusammenhängende Grünflächen an anderer Stelle durchaus ernstzunehmen. München benötige einen "grünen Masterplan". Aber eben auch dichter besiedelte Wohnviertel.

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