Immobilie des Erzbistums München:Im Palazzo der Bescheidenheit

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  • Ein "Palazzo" in Rom, und in München fehlt das Geld: Vorab gab es viel Hohn über das Haus der Begegnung". Nun hat das Erzbistum München-Freising sein Gästehaus in Betrieb genommen.
  • 14 Millionen Euro hat die Diözese in das Projekt gesteckt. Das ist der Nettopreis, den sie nennt. Mit Steuern und Nebenkosten dürften es 16 bis 17 Millionen Euro sein.
  • Die ersten Gäste sind junge Frauen und Männer aus Osteuropa, Afrika und Lateinamerika, die mit einem Stipendium in München studieren.
  • Künftig wird es auch möglich sein, Zimmer in dem Haus zu buchen. Aufenthalte sollten aber im Zusammenhang mit dem Glauben stehen.

Von Jakob Wetzel, Rom

Was ist nicht gehöhnt worden über dieses "Haus der Begegnung". Einen Palazzo habe sich Kardinal Reinhard Marx geleistet, hieß es, eine Villa im Süden, ganz in der Nähe des Vatikanstaats, mit Blick auf den Petersdom. Obwohl doch in München Geld fehle für soziale Zwecke. Er ist noch immer zu spüren, der Verdacht, die Kirche verschwende das Geld der Gläubigen. Es ist der lange Schatten von Limburg. Und jetzt sitzen sie hier, 13 Studenten, und sollen zeigen, dass in Wahrheit alles ganz anders ist.

An diesem Donnerstag hat das neue "Haus der Begegnung" des Erzbistums München und Freising seinen Betrieb aufgenommen, die "Casa Santa Maria", besser bekannt schlicht als "das Haus in Rom". Der Kardinal ist nicht gekommen. Die ersten Gäste sind junge Frauen und Männer aus Osteuropa, Afrika, Südostasien und Lateinamerika, die mit einem Stipendium der Kirche in München studieren. Sie bleiben drei Nächte, es gehe um eine Tagung, teilt die Kirche mit.

Einer der ersten Gäste stammt aus Kamerun

Auf dem Programm steht, was sich Gäste in Rom fast immer ansehen: das Forum Romanum, die Engelsburg, der Petersdom. Aber die Studenten gehen auch zum Angelusgebet auf den Petersplatz, sie treffen Theologiestudenten der Päpstlichen Universität Gregoriana und auch einen deutschen Pater.

Gael Calvin Mekontchou ist einer der Studenten. "Ich möchte gerne kennenlernen, was Rom ausmacht", sagt er. Der 24-Jährige stammt aus Kamerun, in München ministriert er bei der Katholischen Hochschulgemeinde und studiert Elektrotechnik an der Technischen Universität. In Rom sei er nicht nur wegen der Sehenswürdigkeiten, sagt er. Er wolle ein Gefühl bekommen für die Breite des Glaubens und für die Weltkirche.

Braucht es ein eigenes Gästehaus in Rom?

Aber braucht es dafür ein eigenes Gästehaus in der Stadt? "Das Gebäude ist eine Chance", sagt Armin Wouters. Er ist im Münchner Ordinariat zuständig für das neue Haus. "Rom übt eine besondere Anziehungskraft aus. Wir haben gemerkt, dass das Interesse an Rom im Erzbistum deutlich zugenommen hat, besonders seit dem Pontifikat von Benedikt XVI." Natürlich sei niemand auf das Gästehaus angewiesen, wenn er nach Rom kommen wolle.

Aber mit dem Haus könne das Erzbistum die Menschen erreichen, ihnen ein Angebot machen. Noch im Mai soll die Internetseite freigeschaltet werden, dann können sich Interessierte anmelden, am besten größere Gruppen. Das Einzelzimmer kostet 100 Euro, das Doppelzimmer 120. Das Haus sei aber kein Hotel, sagt Wouters. Im Vordergrund soll die Auseinandersetzung mit dem Glauben stehen.

Für die Kirche geht es dabei auch um Glaubwürdigkeit. Im März 2012 hatte die Erzdiözese bekanntgegeben, dass sie das Haus für 9,7 Millionen Euro netto von einer spanischen Schwesternkongregation erworben hatte. Rasch war von einem Stadtpalais die Rede, in dem der erst eineinhalb Jahre zuvor zum Kardinal aufgestiegene Erzbischof Reinhard Marx künftig Hof halten wolle - in bester Lage, an einem Berghang, womöglich noch mit Blick von oben herab auf den Apostolischen Palast.

An einer Straße, die "Viale delle Medaglie d'Oro" heißt, "Goldmedaillenstraße", ausgerechnet. Dass das Haus auch noch für zusätzliche 4,3 Millionen Euro netto saniert werden musste, machte es nicht besser. Zur gleichen Zeit erklärte die Caritas, sie werde ein Altenheim in Germering doch nicht wie geplant renovieren, sondern abreißen lassen. Die etwa drei Millionen Sanierungskosten seien nicht zu stemmen.

Welche Probleme es bei der Sanierung gab

Eineinhalb Jahre ist das her. Die Sanierung des Hauses in Rom ging nicht ohne Probleme voran, deswegen habe man das Kostenbudget wider Erwarten ausschöpfen müssen, sagt Wouters. Das Haus ist Baujahr 1917, in den Fünfzigerjahren ist es einmal aufgestockt und erweitert worden. Die Statik sei leider schlechter gewesen als gedacht, die Kirche habe außerdem ein eigenes Trafohäuschen bauen müssen, um Stromausfällen vorzubeugen.

Und erst beim Bau einer Garage sei aufgefallen, dass man eine Stützwand in den Hang setzen müsse. Noch dazu habe der rote Rüsselkäfer eine Palme befallen, die sei beim besten Willen nicht mehr zu retten gewesen, und ein Sturm habe mehrere Pinien umgedrückt; jetzt müsse man den Garten neu gestalten. Und nicht zuletzt werde in Rom ja jede größere Erdbewegung von Archäologen überwacht.

Der Garten ist noch immer eine Baustelle, aber das "Haus der Begegnung" ist jetzt eröffnet. Es ist ein hübsches Gebäude, fünf Stockwerke hoch. Im Inneren empfängt die Besucher als erstes eine futuristisch anmutende, unregelmäßig geformte Holztreppe, gestaltet von dem Architekten Allesandro Casadei. Einen "Hingucker" nennt sie Wouters, außerdem sei sie brandsicher. Sie führt über mehrere Etagen zu zwei Dachterrassen mit Kühlschrank, Tischen und Liegestühlen, letztere ebenfalls aus Holz. Überhaupt Holz: Das sei zwar in Norditalien geschlagen worden, stehe aber symbolhaft für Bayern, sagt Wouters.

Die Flure und das Erdgeschoss dagegen sind mit Marmor ausgelegt: Holz für Bayern, Stein für Italien. Auch der Name verbindet München und Rom: Als "Casa Santa Maria" ist das Gebäude der Schutzpatronin Bayerns gewidmet, zuvor hieß es "San Pio X.". Und im Kühlschrank stehen Flaschen mit italienischem Weißwein und mit bayerischem Bier.

Aber Dachterrassen mit Liegestühlen: Muss das sein? Nein, sagt Wouters. In Rom sei das auch unüblich; Römer trockneten auf dem Dach allenfalls ihre Wäsche. Deutsche Besucher aber erwarteten eine solche Sitzgelegenheit, deswegen habe die Kirche eine eingerichtet, sagt er. Um die Wäsche kümmere sich dafür ein Flüchtlingsprojekt der Jesuiten.

Und sonst? Den mutmaßlichen Blick auf den Petersdom gibt es nicht. Von den Terrassen aus ist der Vatikanstaat nicht zu sehen, lediglich zwei Straßen, Bäume, angrenzende Hausdächer und eine gigantische Sendeantenne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rai. Spezielle Räume für den Kardinal gibt es auch nicht. Wenn er sich in Rom aufhalte, werde er wie bisher im Gästehaus Santa Marta im Vatikan absteigen, sagt Wouters. Die "Casa Santa Maria" sei zwar nur vier Kilometer Luftlinie vom Vatikan entfernt, aber im Vergleich dann doch etwas ab vom Schuss.

Wie sich das Haus tragen soll

Im Gästehaus gibt es 13 Doppelzimmer mit jeweils etwa zehn Quadratmetern, außerdem zwei Einzelzimmer und drei Appartements für Familien. Bei Bedarf kann man einzelne Doppelzimmer zu weiteren Appartements kombinieren. Zudem wohnen drei Schwestern des Instituts der Schwestern der Schönen Liebe, einer Kongregation aus Palermo, im Haus. Es gibt Arbeitszimmer, einen Aufenthaltsraum, eine Küche und ein Esszimmer. Und eine Kapelle.

Die sei das Herzstück, sagt Wouters. 35 bis 40 Personen sollen hier beten können. Den Raum hat ebenfalls Casadei entworfen, er erinnert an das Formenspiel der Treppe: Zueinander verschobene Holzelemente bilden die Wände. Der Altar greift das Muster auf, er enthält Reliquien des heiligen Korbinian und des seligen Otto von Freising. Hinter ihm an der Wand hängt ein leuchtendes Kreuz. In die Eingangstüren sind gläserne Würfel eingelassen, durch die Sonnenlicht fällt.

Die ersten Gäste sind angetan vom Gästehaus. Es könne "helfen, die Menschen zusammenzubringen", sagt Yousef Helo, der 27-jährige Palästinenser studiert Medizin an der LMU. Er sei nicht zum ersten Mal in Rom, jetzt aber nehme er die Stadt mit anderen Augen wahr. Auch Armin Wouters ist zufrieden. Das Haus sei nun mal gekauft, jetzt müsse man es bespielen, sagt er. Ausgebucht ist es nicht, noch seien die Arbeiten ja nicht abgeschlossen. Aber es gebe einige Interessenten: Familienkreise, Chorgruppen, Pfarreien, auch der Diözesanrat habe angefragt. Wenn alles fertig ist, will die Kirche das Gebäude einer Stiftung übertragen, auch um den Zweck als Gästehaus festzuschreiben. Das Haus wird sich dann selbst tragen müssen. Zuschüsse sollen allenfalls die Besucher erhalten.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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