Imbiss:Für einen Schnack nach Georgien

Imbiss: Das "Mother-Son-Business" sorgt mit seinem kleinen Imbiss für gute Laune bei den Kunden. Ein bisschen Landeskunde gibt es gratis dazu.

Das "Mother-Son-Business" sorgt mit seinem kleinen Imbiss für gute Laune bei den Kunden. Ein bisschen Landeskunde gibt es gratis dazu.

(Foto: Catherina Hess)

Mit ihren "Royal Healthy Slices" haben Herakles Lontaritze und seine Mutter dem Hohenzollernplatz in Schwabing neues Leben eingehaucht.

Von Martina Scherf

Khadjapuri oder Lobiani? Briam oder Adjaruli? Die Namen sind erst mal verwirrend, doch der Duft wirkt verlockend. Einen Teller nach dem anderen reicht Herakles Lontaritze über die Theke, es riecht nach gebackenem Hefeteig, Schafskäse, Lamm und frischen Kräutern, Zimt, Mokka oder Schokolade. Hinten steht Mama Maria und kocht die griechisch-georgischen Leckereien. "Royal Healthy Slices" steht über dem winzigen Laden, zu Jahresbeginn haben die beiden ihn eröffnet - und mit ihren königlichen Schnittchen in wenigen Wochen die Nachbarschaft am Hohenzollernplatz verwandelt.

Wenn Herakles Lontaritze morgens sein Ladenfenster öffnet, ist es, als ginge ein Fenster in eine andere Welt auf. Herausgereicht werden frische Hefeteigbrote mit fleischhaltigen, vegetarischen oder veganen Füllungen, Gyros, Lamm, Gemüseeintopf, süßes oder salziges Gebäck, griechischer Bergtee oder Mokka, Espresso oder Cappuccino. Auf ihren wenigen Quadratmetern zaubern Mutter und Sohn eine beeindruckende Palette von Gerichten. Und wer ins Fenster hineinschaut, blickt in Herakles' strahlendes Gesicht und darf "Royal Mama" beim Kochen zusehen.

Das "Mother-and-Son-Business" hat sich in kurzer Zeit ein Stammpublikum erkocht. Montag bis Samstag, von neun Uhr morgens bis abends um acht, am Sonntag von zwölf bis 18 Uhr, steht der 33-Jährige in seinem Imbiss, und egal, zu welcher Tageszeit, vor seinem Fenster bildet sich eine kleine Traube von Menschen, Geschäftsleute, Studenten, Schwabinger Bohemiens, Rentner, Mütter mit Kindern.

Lontaritze war zuvor an einem Restaurant in Stuttgart beteiligt und wollte dort aussteigen. Durch seine Schwester kam er nach München, die Mama folgte nach. "Bevor ich dann den Vertrag für diesen Laden unterschrieb, habe ich mich eine Woche lang auf eine Bank am Platz gesetzt und jeden Tag die Leute studiert", erzählt der Wirt - richtige Marktforschung habe er betrieben. Die meisten seien nur vorbei geeilt, hätten sich auf dem Weg zur U-Bahn schnell ein Breze vom Bäcker geholt.

Jetzt gibt es auf dem Platz ein Stück Georgien, und gleich nebenan, zwischen dem Imbiss und der beliebten Hohenzollernplatz-Buchhandlung, vor deren Tür ein Kaffeetischchen steht, hat eine neue Eisdiele aufgemacht. "Wir drei ergänzen uns prima", freut sich der georgische Grieche oder griechische Georgier.

"Den Apfelkuchen müssen Sie unbedingt probieren", empfiehlt ein junger Mann, der an diesem sonnigen Nachmittag lässig am Fensterrahmen des Imbiss lehnt. Schon reicht der Wirt ein Stück heraus, noch warm aus dem Ofen, tatsächlich eine Verlockung.

"Seit Herakles da ist, kommen wir fast jeden Tag", sagt Horaz Dragota. Der junge Vater arbeitet bei einer Münchner Traditionsbank und wohnt gleich um die Ecke. "So ein Laden hat hier auf dem Platz gefehlt", stellt er fest. Dass der Wirt seine Stammgäste alle mit Namen anspricht, dass man mit ihm über Gott und die Welt plaudern kann, sei für ihn als Gast ein Stück urbanes Lebensgefühl, sagt er und beißt in sein "Horaz-Gerät", eine Art Burger mit gebackenem Käse, Hackfleisch und Salat, das ihm zuliebe soeben erfunden wurde.

"Mamas Liebe in Teig gegossen", schrieb eine Food-Bloggerin vor Kurzem über Royal Healthy Slices. Das mag stimmen, wenn man sieht, wie offensichtlich zu Hause sich die Gäste an diesem Stehimbiss fühlen. "Meine Mutter ist eigentlich Physiotherapeutin", sagt ihr Sohn, "aber sie kocht einfach, wie sie immer gekocht hat."

Geboren ist Herakles Lontaritze in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens. Als nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion dort der Krieg ausbrach, kehrte die Familie nach Kreta zurück, in die Heimat des Vaters. Von einer deutschen Lehrerin, die einen Kreter geheiratet hatte, lernte Lontaritze Deutsch und gab ihr dafür Griechisch-Unterricht. Englisch, Französisch, Italienisch beherrscht er nebenbei auch noch. Mit der Mama spricht er Georgisch.

"Sprachen, Kulturen und Essen, das gehörte in meiner Familie einfach immer zusammen", erzählt er. Sein griechischer Opa habe die Gastfreundschaft gelebt wie kein anderer, "immer wenn wir vom Spielen auf der Straße reinkamen, hat er jeden meiner Freunde mit Handschlag begrüßt und uns etwas zu essen angeboten." So macht es der Enkel jetzt auch, denn so gewinnt man Freunde.

Ein wenig Landeskunde gibt es gratis dazu. "Kennst du die Argonautensage, die schon Homer zitiert?", fragt er, während er ein Kadjapouli zum Mitnehmen einwickelt, "auf der Jagd nach dem Goldenen Vlies kamen Jason und die Argonauten bis nach Kolchis. Und wo liegt das? In Georgien!" In einer Ecke seines Schaufensters laufen Bilder aus Georgien über einen kleinen Monitor, wer möchte, erhält einen Kurzvortrag zu Kultur und Geschichte.

Ein paar Stammgäste haben tatsächlich schon eine Reise in den Kaukasus gebucht, erzählt Horaz Dragota, der sich jetzt verabschieden muss. Man kennt ja inzwischen die Lebensgeschichten vieler Nachbarn. Auch der Mann in Shorts, der noch schnell seinen Espresso kippt, überlegt, mal nach Georgien zu fliegen. "Es gibt Direktflüge, in weniger als vier Stunden bist du in Tiflis", sagt der Wirt. Während Royal Mama in aller Ruhe weiterkocht und wieder einen neuen Kuchen aus dem Ofen holt, hat der Sohn schon den nächsten Gast in ein Gespräch verwickelt und erzählt gerade vom Reichtum der georgischen Sprache. Didi madloba, vielen Dank, sagt der zum Abschied.

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