Als Preuße sollte man gar nicht erst versuchen, die bayerische Seele zu ergründen, das geht meistens schief. Ein Anruf also bei einem Eingeborenen, einem native speaker sozusagen. "Fei Scho" heißt das Lokal, das wir uns ausgesucht haben, aber was bedeutet das? Der Mann weiß Rat, und tatsächlich hat "fei scho" viel mit der bayerischen Seele zu tun.
Impressionen aus dem Fei Scho:Kunterbunter Imbiss
Das "Fei Scho" ist ein bisschen anders: Ein kunterbunter Imbiss mit entschieden bayerisch-asiatischer Küche.
Als ungefähre Übersetzung könne er "bei Lichte besehen" oder "wenn man es genau nimmt" anbieten, aber eigentlich sei es eine unübersetzbare Abtönungsphrase, die latent verstärkend wirke. Wenn man sage: "Des is fei scho a guada Schweinsbradn", klinge das nach gemäßigter Begeisterung, sei aber eigentlich überschwänglich gemeint. Der Bayer schreie seine Gefühle eben nicht heraus.
An Selbstbewusstsein mangelt es den Betreibern des "Fei Scho" also nicht, der Vietnamesin Luu Alzinger und dem Bayern Nico Zeilinger. Das ist aber auch nicht unbegründet: Der Laden, der sich vor allem auf die asiatischen Maultaschen Dim Sum spezialisiert hat, ist immer krachvoll. Ohne Reservierung läuft hier so gut wie nix.
Das liegt am ungewöhnlichen Konzept des Lokals, aber auch ein wenig daran, dass mit sechs Tischen nicht sehr viel Platz ist. Weil man im Glockenbachviertel aber total urban drauf ist und Platzmangel als sehr großstädtisch gilt, hockt man zuweilen recht körpernah neben unbekannten Menschen.
Aber so kann man sich gut unterhalten. Über die Einrichtung etwa. Der Himmel hängt voll rosa Lampions aus Vietnam, die ein schönes Licht werfen auf die Melange aus Geweihen, Zirbeleckbank, Asiakitsch und Gebrauchtmöbeln. Wenn man den Rücken schonen möchte, sollte man nicht zu lang auf den Plastikhockern sitzen, abendfüllend ist ein Besuch eh nicht, das "Fei Scho" hat gehobenen Imbissbuden-Charakter. Dazu gehört, dass man sich sein Bier selbst aus dem Kühlschrank holt, den Löschzwerg oder die Pa-Li-Retrolimonade.
Fusion ist das Konzept, aber nicht diese neumodische Art, irgendwie asiatisch und irgendwie europäisch, sondern entschieden bayerisch-asiatisch. Da kommt nun auch der gute Schweinsbraten wieder ins Spiel. Davon gibt es auch Dim Sum, Beilagen inklusive: Dunkelbiersoße und Apfelblaukraut. Es gibt karamellisierte Schweinerippchen neben der traditionellen Reisnudelsuppe Pho Bo neben feinem Tofu.
Im "Fei Scho" ist alles ein wenig so, als wenn man bei Freunden in der WG zu Gast ist und heute mal der Nico und die Luu dran sind mit Kochen. Da folgt nicht alles einem strikten Ablauf, da kommt auf den Tisch, was gerade fertig ist. Wer protokollarisch einwandfreie Restaurants mag, wird ein Besuch nicht zwingend glücklich machen, wer das nicht sucht, wird sich wohlfühlen.
Wir ließen uns anstecken, orderten durcheinander und warteten, was passierte. Erstmal passierte nicht viel, wir lobten also den feinen Chardonnay (6 Euro) vom Monsheimer Weingut Milch, den spritzigen Lugana (7,50) von Wighel aus der Lombardei. Eine Stunde dauerte es, bis die Edamame (3,90), also gedämpfte grüne Bohnen, und Glücksrollen (4,50) kamen. 20 Uhr, der Laden war voll, der Service entschuldigte sich fürs Ungemach, am Nebentisch warteten ein Student und seine Oma, die ein vielberedtes Gesicht aufsetzte. "So essen junge Leute also heute. Ich weiß nicht, ich weiß nicht", schien es zu sagen.
Superfrisch
Die Bohnen waren ein wenig zu sehr in Salz gehüllt, die Teigrollen mit Rohkost und Huhn dafür sehr frisch und schmackhaft. Das Fleisch war ein wenig trocken, ein Eindruck, der sich auch bei anderen Gerichten mit Fleischanteil einstellte. Bei den marinierten Riesengarnelen (8,50) war wieder die Vorliebe für deutliche Salzzufuhr zu schmecken, die Marinade aber war ansonsten köstlich. Dann endlich kamen die Dim Sum, zu zweit hatten wir neun Stück (15,90) bestellt, dazu gab es diverse Soßen, Blaukraut mit Mango, Karotten- und Spitzkohl-Ananas-Salat, die superfrisch und genau richtig sauer eingelegt waren.
Manche Dim Sum waren unspektakulär, manche unaufgeregt lecker, manche überraschten uns sehr positiv. Die mit Roter Beete, Fenchel und Zucchini etwa oder die mit Blumenkohl, Aprikose und Chicorée. Beide waren eigen im Geschmack, aber saftig und köstlich. Die Dim Sum mit Schweinsbraten, das signature dish also, gefielen uns nicht, sie waren bei diesem wie beim nächsten Besuch trocken.
Empfehlenswert war aber jedes Mal Rind. Wir aßen Rinderlendenstreifen in Minz-Zitronendressing (10,50), das sehr zart und karamellig daherkam, ein anderes Mal den Reisnudelsalat mit Rinderlende (9,50), wieder tadellos und zart.
Gerne hätten wir noch ein Dessert bestellt, aber einmal waren die Schoko-Bananen-Dim Sum aus, ein anderes Mal die Kokosbällchen. Übermorgen sei alles wieder da, hieß es. Warum denn erst übermorgen? Man bereite vor, schockfroste, dämpfe, frischer ginge es kaum. Uns hält das von einem weiteren Besuch nicht ab. Wenn man das "Fei Scho" als einzigartigen Imbiss mit sehr freundlicher Atmosphäre sieht, stören solche Holprigkeiten nicht so sehr.