Süddeutsche Zeitung

Imam predigt in Kirche:Dialog unter Polizeischutz

Die Lukaskirche lädt Imam Idriz zu einer Kanzelpredigt ein und wird deswegen bedroht. Islamfeindliche Gruppierungen und Rechtsradikale protestieren gegen das Rederecht des Penzberger Imams.

Von Christian Krügel und Susi Wimmer

Orientalische Klänge eines Saiteninstruments schweben zart durch das Kirchenschiff, dort, wo sonst die Orgel braust. Auf der Kanzel der evangelisch-lutherischen St.-Lukas-Kirche steht ein Imam mit weiß-roter Sarik auf dem Kopf und zitiert singend aus dem Koran. "Das Fremde macht Angst", sagt Pfarrerin Beate Frankenberger zu Beginn des Gottesdienstes. "Manchmal zieht es uns an, manchmal stößt es uns ab." Die Kirche jedoch hat sich in der "Internationalen Woche gegen Rassismus" zu einem ungewöhnlichen Dialog entschlossen: Der Penzberger Imam Benjamin Idriz hält die Predigt von der Kanzel.

Zum ersten Mal predigt er in einer Münchner Kirche. Pfarrerin Frankenberger, ihre Kollegen und der Kirchenvorstand der Lukaskirche wollten die Einladung als Zeichen des religiösen Dialogs und der Toleranz verstanden wissen. Doch wie sehr das die Intoleranten in dieser Stadt auf den Plan rief, erschreckte die Pfarrerin dann zutiefst. Über 40 E-Mails, "zum Teil sehr bedrohlich formuliert", habe sie in den Tagen vor dem Gottesdienst bekommen, erzählt Beate Frankenberger. Die meisten seien von "christlichen Fundamentalisten und Rechtspopulisten" gekommen. "Ich habe mir nicht vorstellen können, mit welchem Hass und welcher Radikalität Menschen in dieser Stadt so reagieren würden", erzählt die Pfarrerin. Die Drohungen waren schließlich so heftig, dass die Kirche die Polizei informierte.

Die rückt am Sonntagvormittag mit einem Großaufgebot am Mariannenplatz an, der Staatsschutz der Polizei ist auch da. Dort beobachten die Beamten vor allem ein kleines Grüppchen, das vor den Kirchentoren Flyer verteilt und gegen den Islam Stimmung macht. "Hier predigt ein vom Verfassungsschutz beobachteter Imam!", wettert eine Frau mit schwarzem Pferdeschwanz und hält einem Besucher diverse Zettel unter die Nase. "Beobachtet, ja, das heißt aber noch lange nichts", kontert dieser und sagt nicht weniger leise: "Ihre Organisation ist aber der Terrorisierung auch sehr nah." Die Stimmung ist aufgeheizt. Die Flyer, die draußen verteilt werden, werden den Kirchgängern an der Türe ins Gotteshaus wieder abgenommen, stattdessen erhalten sie einen Zettel mit den Liedern zum Gottesdienst. "Wir hatten unsere Gemeindemitglieder aufgerufen, Flagge zu zeigen und damit alles zu unterbinden, was den Gottesdienst stören könnte. Das hat funktioniert", erzählt Pfarrerin Frankenberger nach dem Gottesdienst

Zu Beginn des Gottesdiensts ruft sie den rund 300 Besuchern zu: "Im Judentum, Islam und Christentum ist die Gastfreundschaft heilig." Dann steigt Imam Idriz hoch zur Kanzel. Dass Christen und Muslime "Schulter an Schulter in einem Gotteshaus" sitzen, erfordere durchaus Mut, sagt er. Es werde aber auch "die Feigheit und Intoleranz sichtbar". Idriz zitiert aus dem Koran, sagt: "Unser und Euer Gott ist ein- und derselbe". Und: "Gott ist ein Licht, kein Faktor des Streites." Er beschreibt Muslime als friedliebende Menschen, sie sollen sich "als konstruktive Faktoren in den Gemeinden einbringen". Die drei Religionen, die in Europa aufeinandertreffen, müssten sich aufeinander stützen. Es müsse um Bildung, soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Menschenwürde gehen. Die Religionen sollten wetteifern um das Gute.

Am Ende applaudieren die Besucher, die Polizisten können abrücken, ohne eingreifen zu müssen. Doch für Pfarrerin Frankenberger ist das Thema damit längst nicht erledigt: "All das zeigt, wie sehr wir uns um echten Dialog kümmern müssen."

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SZ vom 11.03.2013/wib
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