Süddeutsche Zeitung

Ilse Aigner:Unternehmer lehnen CSU-Forderung nach Burka-Verbot ab

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Von Katja Riedel, München

"Eher nicht passend", sei die Idee, "ein Schuss ins Bein, imagemäßig", sagt Bernd Ohlmann über jenen Vorstoß, über den die Münchner Wirtschaft in den vergangenen Tagen mit viel Kopfschütteln gesprochen hat. Ohlmann ist Geschäftsführer des Handelsverbandes Bayern. Und was ihn genauso verblüfft hat wie Ladenbesitzer, Hoteliers, Gastronomen, Vertreter der Immobilienbranche oder Betreiber von Kliniken, ist ausgerechnet ein Vorstoß der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU).

Die hatte sich Anfang vergangener Woche einem CSU-Parteitagsbeschluss angeschlossen, der ein sogenanntes Burka-Verbot fordert. Und ergänzt hatte sie, dass dieses Verbot, sollte es durchsetzbar sein, auch für Touristinnen gelten sollte, die aus dem arabischen Raum nach Bayern reisen, vor allem nach München.

Ausgerechnet diese Touristengruppe ist mittlerweile ein überaus bedeutender, stark wachsender Wirtschaftsfaktor für viele bayerische Branchen. "Ein Burka-Verbot würde sich negativ auf Teilbereiche der Wirtschaft, insbesondere Handel und Tourismus, auswirken", sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der CSU-nahen Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.

Die Folgen eines solchen Verbotes lassen sich leicht ableiten: Gewachsen sind die Besucherzahlen aus den Golfstaaten in München nämlich ganz besonders, seit Frankreich vor fünf Jahren genau dieses Verbot eingeführt hat - 150 Euro kostet dort ein Burka-Knöllchen, wobei nicht nur die Burka, sondern jegliche Gesamtverschleierung verboten ist: seien es jene Überwürfe, die ein Netz vor den Augen frei lassen, seien es schwarze Mäntel, die Kopf und Teile des Gesichts mit verbergen oder Kombinationen aus Kopf- und Gesichtsschleiern, die nur die Augen aussparen.

Während der Tourismus aus den Golfstaaten in Frankreich einbrach, profitierte Deutschland - und kein Markt so sehr wie München und das nähere Umland in Oberbayern. Mehr als 40 Prozent des Geldes, das arabische Touristen in deutschen Läden lassen, geben sie laut einer Studie von Global Blue allein in München aus, so viel wie in keiner anderen deutschen Stadt.

"Die arabischen Gäste sind seit dem Burka-Verbot in Frankreich und anderen europäischen Ländern zu einer immens wichtigen Kundengruppe für den Tourismus und die Gesundheitswirtschaft in München und Oberbayern geworden", sagt IHK-Geschäftsführer Peter Driessen. Bezogen auf die wirtschaftlichen Folgen, wäre Aigners Vorschlag nachteilig, glaubt er, schränkt aber ein: "Auf der anderen Seite muss abgewogen werden, wie eine offene Gesellschaft mit ihrer Kultur umgehen will."

Warum Touristen aus dem arabischen Raum wichtig sind

367 Euro am Tag geben Touristen aus Saudi-Arabien, Dubai und anderen Staaten in München aus. Sie bleiben im Schnitt 12,5 Nächte in der Stadt, hat die BBE Handelsberatung in einer Studie errechnet. Es ist deutlich mehr Geld als noch 2012, als BBE Gäste aus diesen Ländern zum ersten Mal befragt hatte. Und die Gäste bleiben auch länger. Von Januar bis Ende September haben 173 000 arabische Touristen in München übernachtet, ein Fünftel mehr als im Vergleichszeitraum 2014. Gemessen an der Zahl der Übernachtungen sind arabische Gäste mittlerweile die zweitstärkste internationale Gästegruppe.

Das gestiegene Interesse an München zeigt sich auch an den Flugverbindungen: Lagen die Passagierzahlen vor zehn Jahren noch bei einer halben Million, haben sie sich 2014 fast verdreifacht, auf 1,4 Millionen. 65 Flieger starten jede Woche von München gen Golfregion - 2005 waren es gerade einmal 25.

Was das für oberbayerische Unternehmer heißt, darüber sprechen viele nur hinter vorgehaltener Hand. Der Vorstoß sei aber Gesprächsthema unter Geschäftsleuten, berichtet Wolfgang Fischer von der Innenstadtvereinigung City Partners. Er hält es für Populismus und für einen Trugschluss, durch Kleidung Haltungen beeinflussen zu wollen. "Was soll es bringen? Dann fahren die Touristen halt nicht mehr nach München, sondern nach Wien."

Finanzielle Einbußen würden nicht nur den Händlern der Münchner Fußgängerzone und den Hoteliers von Nobelhäusern drohen. So spricht etwa Christian Wiedemann offen über die Klientel, mit der er zuletzt ein gutes Geschäft gemacht hat. Der Juniorchef der gleichnamigen Drogeriekette hat etwa 20 Filialen in Oberbayern und München. Zwei Läden profitieren besonders von arabischen Gästen: eine in Rosenheim, eine in Garmisch-Partenkirchen. Die hat Wiedemann komplett auf die Wünsche arabischer Gäste umgestellt: Goldflakons, Düfte, die nach Safran und Patschuli riechen. Im August hat er dort einen Umsatz gemacht wie sonst vor Weihnachten, etwa das Doppelte gegenüber normalen Monaten. "Wir sind ein freies und tolerantes Land", sagt Wiedemann. Schon deshalb sei er gegen ein Burka-Verbot. Und geschäftlich sei es auch "nicht erfreulich".

Ähnliches erzählt auch der Chef der Zugspitzbahn: Dort hätten sich die Besucherzahlen aus arabischen Ländern "mehr als verzehnfacht", seit die Zugspitzbahn gemeinsam mit München-Tourismus aktiv um diese Besucher wirbt. Knapp 40 000 arabische Gäste fahren mit der Gondelbahn auf Deutschlands höchsten Berg - als Tagesausflug von München aus, manche übernachten auch am Alpenrand. "Vielleicht hat Frau Aigner da etwas durcheinandergebracht", sagt Geschäftsführer Matthias Stauch. Unternehmer haben viel investiert in die Kontaktpflege: in Messebesuche oder Flyer in arabischer Sprache. Das wollen sie sich nicht verderben lassen.

Durcheinandergebracht hat die CSU wohl auch Zahlen. Schon 2012 berichtete die BBE Handelsberatung, dass etwa zwei Drittel der weiblichen Gäste am Flughafen sofort in westliche Kleidung schlüpfen und allzu Verhüllendes ablegen.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2015
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