Illegaler Abriss:Uhrmacherhäusl: Stadt verhängte schon früher Baustopp gegen Eigentümer

Gebäude Fraunhoferstraße 36, Glockenbachviertel

Das Haus Fraunhoferstraße 36 (rechts neben der Apotheke) wird seit 2014 saniert.

(Foto: Florian Peljak)
  • Anfang September wurde das denkmalgeschützte Uhrmacherhäusl in Giesing abgerissen. Der Eigentümer Andreas S. hat sich bislang nicht dazu geäußert.
  • Nun wurde bekannt: Schon einmal gab es Unregelmäßigkeiten bei einer Sanierung bei einer seiner Immobilien.
  • Im Jahr 2015 setzte er sich über eine Regel hinweg - einen Gastronom soll das in den Ruin getrieben haben.

Von Hubert Grundner

Inzwischen ist die Schutthalde mit den kümmerlichen Resten des Uhrmacherhäusels zur Sehenswürdigkeit geworden: Selbst Stadtführungen legen seit Neuestem an der Oberen Grasstraße 1 einen Stopp ein, so geschehen am vergangenen Wochenende. Da wollte eine Gruppe von etwa 20 Interessierten wissen, wie es dazu kommen konnte, dass das aus den 1840er- Jahren stammende Handwerkerhaus - statt wie beantragt, saniert zu werden - offenbar bewusst zerstört wurde.

Einige Antworten konnten ihnen die betroffenen Nachbarn geben. Antworten in Form rechtlicher Konsequenzen kündigte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erst vergangene Woche an: Der illegale Abbruch des alten Uhrmacherhäusls in Giesing werde "für die Verantwortlichen nicht folgenlos bleiben".

Doch noch mehr Fragen sind bislang unbeantwortet: Denn genau dieser Eigentümer, Andreas S. aus Neuried, hat es bisher abgelehnt, sich öffentlich zu den Vorkommnissen zu äußern, die stadtweit Empörung auslösten. Mehrere Anfragen der Süddeutschen Zeitung blieben unbeantwortet.

Für die meisten Münchner führt Andreas S. bis heute also in gewisser Weise eine Schattenexistenz. Für Harald Gruber, 50, hingegen war das Aufeinandertreffen mit ihm eine überaus reale und schmerzhafte Erfahrung. Im März 2014 mietete Gruber im Haus Fraunhoferstraße 36 im Erdgeschoss ein Ladenlokal, wie er erzählt.

Hier wollte sich der gelernte Koch mit einem American Diner seinen Traum von der Selbständigkeit verwirklichen. Anfangs lief das "wicked flavor" offenbar auch richtig gut. Mithilfe eines angestellten Kochs und seiner mitarbeitenden Mutter habe er oft schon in der Mittagszeit 40 bis 50 Essen verkauft, sagt Gruber. Auch sein Catering-Service sei gefragt gewesen.

Nur wenige Monate später aber, im Sommer 2014, wechselte der Eigentümer des Hauses, Andreas S. trat auf den Plan. Und dann ging es Schlag auf Schlag: Im Oktober 2014 wurde am Haus ein Gerüst aufgebaut. Die Fassade solle innerhalb eines Jahres saniert werden, habe ihm Andreas S. erzählt, berichtet Gruber. Anfangs habe er gehofft, diese Zeit geschäftlich zu überstehen. Doch dann hätten plötzlich umfangreiche Arbeiten im ganzen Gebäude sowie im Hinterhof begonnen.

Im Dezember 2014 sei schließlich die Decke zu seinem Imbiss durchgebrochen, woraufhin Gruber ihn mehrere Wochen zusperren musste. Und ein Ende der Arbeiten war nicht abzusehen, stattdessen krachte Tag für Tag Bauschutt in die Container direkt vor dem Geschäft. Statt Gäste zu bewirten, verzweifelte Gruber beinahe am Kampf gegen Staub, Dreck und Ratten. Schließlich sei ihm gar nichts anderes übrig geblieben, als das kleine Restaurant zu schließen und Andreas S. zu sagen, dass er unter diesen Umständen die Miete nicht mehr zahlen könne.

Und dem Anschein nach zeigte der Eigentümer auch ein Einsehen: Er, Gruber, solle sich keinen Stress machen, Miete brauche er bis zum Ende der Bauarbeiten keine zu entrichten. Gruber ging darauf ein, wie er erzählt, doch nach einigen Monaten wurde ihm mulmig zumute: Da die Vereinbarung nur mündlich getroffen war, verlangte er sie auch schriftlich vom Eigentümer.

Auch damals wichen Arbeiten von der Genehmigung ab

Stattdessen bekam er von ihm die fristlose Kündigung zugeschickt. Dagegen sowie gegen eine folgende Räumungsklage versuchte sich Gruber zu wehren, vergebens. In zweiter Instanz erging am 15. Januar 2017 das Urteil, das der Zwangsräumung zustimmte. Andreas S. nahm auch zu diesen Vorgängen in der Fraunhoferstraße 36 trotz mehrfacher Anfragen nicht Stellung.

Harald Gruber hat den Traum von der Selbständigkeit teuer bezahlt. Etwa 180 000 Euro, sein gesamtes Vermögen, habe ihn das gekostet, sagt er. "Ich habe nichts mehr, kein Geld, keine Wohnung, keinen Job." Inzwischen ist er obdachlos.

Hauseigentümer Andreas S. hingegen ließ offenbar bereits in der Fraunhoferstraße 36 erkennen, was er von Vorschriften hält. So lag nach Auskunft des städtischen Planungsreferats im Juni 2015 für das Anwesen eine Baugenehmigung zum Dachgeschossausbau und zur Änderung der Dachgeschosswohnung vor. Nach einer Beschwerde aus der Nachbarschaft gab es Ende Januar 2016 eine Ortskontrolle, wie Referatssprecher Martin Klamt erklärt. Die Folge war eine Baueinstellungsverfügung, datierend vom 1. Februar 2016, für das gesamte Vorhaben. Wesentliche Gründe hierfür waren: Die tatsächlichen Arbeiten wichen von der Baugenehmigung ab.

So wurde der Dachstuhl zwischenzeitlich neu errichtet, das Dachgeschoss also nicht nur ausgebaut. "Des Weiteren wurde das Gebäude vom Erdgeschoss bis zum vierten Obergeschoss mehr oder weniger vollständig kernsaniert", so das Planungsreferat. "Dabei wurden die bestehenden Trennwände herausgenommen und derzeit durch Trockenbauwände ersetzt und die Wohnungsgrundrisse neu eingeteilt. Auch wurden tragende Bauteile neu errichtet beziehungsweise ersetzt." Kurzum: Die ursprünglich genehmigten Unterlagen, der Brandschutznachweis und die Bescheinigung der Standsicherheit entsprachen nicht mehr der Realität. Und auch weil das Planungsreferat um die Sicherheit der Bauarbeiter und späterer Nutzer fürchtete, erließ es diesen Baustopp.

Andreas S. reichte daraufhin gezwungenermaßen einen neuen Bauantrag ein, der im September 2016 auch genehmigt wurde. Bereits am 20. Oktober 2016 erfolgte aber erneut eine Baueinstellung wegen einer fehlenden "Bescheinigung zur Standsicherheit I". Nach deren Vorlage im Juni 2017 wurde der Baustopp dann laut Planungsreferat aufgehoben. Allerdings sei ein Bußgeldverfahren noch anhängig.

Der Stadt ist Andreas S. also bekannt, und womöglich nicht nur als Bauherr. Der Neurieder ist Geschäftsführer einer Rohrreinigungsfirma im Münchner Umland. Auf ihrer Internetseite wirbt die Firma: "Für private Haushalte, Gewerbe und Industrie sowie für die Stadtentwässerung München sind wir deshalb nicht nur ein Dienstleister, sondern ein verlässlicher Partner - seit 1970." Eine Anfrage der SZ, ob zu dieser Firma eine Geschäftsbeziehung bestehe, wurde von der Münchner Stadtentwässerung (MSE) allerdings verneint. Deren Sprecher Mathias Wünsch erklärte: "Die MSE wird gegen das Unternehmen rechtliche Schritte prüfen."

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