Süddeutsche Zeitung

Illegaler Abriss:Baufirma zerstört ein Stück vom alten Giesing

  • Denkmalschutz trifft Gentrifizierung: In Obergiesing hat eine Baufirma ein Haus abreißen lassen, das unter Denkmalschutz stand.
  • Einen ersten Abrissversuch konnten Polizei und Anwohner noch stoppen - dann kehrten die Bauarbeiter zurück und machten das Handwerkerhaus platt.
  • Die Anwohner in Obergiesing sind empört. Offen ist nun, ob von Seiten der Behörden Ermittlungen eingeleitet werden.

Von Hubert Grundner

An der Oberen Grasstraße ist das Anwesen mit der Hausnummer 1 abgerissen worden. So weit die schlichte Nachricht. Ebenso gut könnte man aber sagen, dass ein Schurkenstück aufgeführt worden ist, das sich an Dreistigkeit kaum noch überbieten lässt. Zumindest ist das die Meinung der Nachbarn, die am Wochenende zu Zeugen wurden, wie in der Feldmüllersiedlung ein weiteres Stück des alten Giesings, offenbar mit Vorsatz, zerstört worden ist. Dabei steht - oder besser: stand - das einstige Handwerkerhaus unter Denkmalschutz.

Noch vor Kurzem hatte nichts auf eine solche Entwicklung hingedeutet. Im Gegenteil, mit Datum vom 2. August erhielten die Nachbarn ein Schreiben des Eigentümers, in dem es heißt: "Sehr geehrte Damen und Herren, das Gebäude Grasstr. 1 soll demnächst saniert werden. Das Gebäude bleibt dabei aus Gründen des Denkmalschutzes nach außen wie vorhanden erhalten."

Die Haltbarkeit dieses Versprechens währte ziemlich genau einen Monat: Am Donnerstagnachmittag rückten Arbeiter der CSH Baubetreuung GmbH mit einem Bagger an, deckten das Dach ab und rissen ein Loch in die Fassade. Sofort eilten Nachbarn herbei und stellten sich den Arbeitern in den Weg. Michael Seitz war es, der dann nach eigener Aussage die Polizei gerufen hat, die den Abriss stoppte und der Firma den Zutritt zur Baustelle verbot. Das bestätigt auch Matthias Rajmann, der in der Nähe wohnt und zufällig gegen 15 Uhr vorbeikam: "Ich konnte das anfangs gar nicht recht begreifen. Ich wunderte mich nur über den unsachgemäßen Abriss." So lag ein umgestürztes Gerüst auf der Straße, der Bauschutt wurde nicht getrennt. Jedenfalls wurde die Baustelle gesperrt, das Haus schien gerettet zu sein.

Umso größere Wut empfinden viele Giesinger angesichts dessen, was sich dann ereignete: Am Freitag gegen 16 Uhr kehrten die Arbeiter zur abgesperrten Baustelle zurück, mit dem Bagger machten sie das Haus innerhalb von 20 Minuten dem Erdboden gleich. Wieder eilten Nachbarn herbei, unter ihnen Angelika Luible.

Sie sah den Baggerführer in die eine Richtung davonlaufen, zwei seiner Kollegen in die andere. Gleichzeitig hätten, so Luible, in der Tegernseer Landstraße an der Ecke Gietlstraße und an der Ecke Kiesstraße vier Personen "Schmiere gestanden". Als Luible sie ansprach, machten auch sie sich aus dem Staub. Die zu Hilfe gerufene Polizei konnte mit Feuerwehr und THW somit zunächst einmal nur den Trümmerhaufen sichern. Ob die Behörden nun Ermittlungen einleiten, war am Sonntag nicht in Erfahrung zu bringen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3650974
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.09.2017/infu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.