Süddeutsche Zeitung

Iberl:Von der Ziegelei zur Bühne

Aus einem Ausschank für Arbeiter entstand die Gaststätte Iberl samt Volkstheater. Die Geschichte des Lokals nimmt ihren Anfang bereits im Jahre 1862.

Von Astrid Becker

Dieser Artikel ist leider nicht mehr aktuell, da das Wirtshaus mittlerweile geschlossen ist.

Ein wenig klingt es nach Schicksal, wenn Wirtin Sibylla Abenteuer von ihrem Werdegang in der Gaststätte Iberl in Solln erzählt. Denn zusammen mit ihrem Mann Klaus betreibt sie zudem noch den Rabenwirt in Pullach. Und beide Lokale haben eine gemeinsame Geschichte. Viele Bilder belegen dies, zum Beispiel die Fotografie, die sie in die Nähe der Schänke des Iberl gehängt hat. Sie zeigt Josef Heppner und Anna Iberl, das Gründerpaar des Ganzen.

Sibylla Abenteuer steht oft davor, betrachtet dieses Bild der beiden einstigen Wirtsleute und schüttelt dann immer wieder den Kopf. "Mit uns ist da etwas zusammengewachsen, was immer zusammengehört hat - und wir haben das nicht einmal gewusst. Unglaublich." Es ist eine schöne Geschichte, mit der sie diese Aussage erklärt. Eine Geschichte, die ihren Anfang bereits im Jahre 1862 nimmt.

Damals war das Iberl noch eine Ziegelei, deren Chef, Josef Iberl, beschlossen hatte, genau dort einen Ausschank für die Arbeiter zu eröffnen. Iberl hatte eine Tochter namens Anna, und die verliebte sich in den Bildhauer Josef Heppner und heiratete ihn. Heppner gehörte zur damals recht bekannten Künstlergruppe "Die Raben", findet aber auch recht bald Gefallen an der Gastronomie.

Als die Lehmvorkommen in den Folgejahren immer weniger wurden und abzusehen war, dass der Baustoff bald erschöpft sein würde, kam Iberls Schwiegersohn auf die Idee, das Anwesen in Solln in einen reinen Schankbetrieb zu verwandeln - zum Ärger der Behörden, die ihm zunächst die Konzession verweigerten. Erst mit Hilfe von 58 Stammgästen und seinen Künstlerfreunden konnte er seinen Plan umsetzen und das Iberl 1888 als echtes Wirtshaus eröffnen. Im selben Jahr erhielt er von Anton Köck das Angebot, dessen Lokal in Pullach zu pachten - und griff zu. Dessen Name Rabenwirt erinnert noch heute an Heppner und seine Künstlergruppe.

Vor zehn Jahren übernahmen nun Klaus und Sybilla Abenteuer das Pullacher Traditionshaus Rabenwirt. "Ein Wahnsinn", erzählt die Wirtin heute. Die beiden kamen aus der Systemgastronomie und hatten lange den Essens- und Getränkeverkauf im Münchner IMAX-Kino betrieben: "Wir waren reine Popcornverkäufer und hatten keine Ahnung von dieser Art Gastronomie." Viel Geld haben sie investiert - und darüber hinaus noch viel mehr Lehrgeld bezahlt. Doch der Rabenwirt etablierte sich nicht nur als beliebtes Ziel bei Spaziergängern, die von der Isar heraufsteigen, sondern auch bei den Menschen, die in der Umgebung leben.

2010 passiert dann so etwas wie ein kleines Wunder in der Gastronomie: Der Hauseigentümer verpachtet erstmals in seiner Geschichte nicht mehr an die Brauerei, sondern an die Abenteuers selbst: "Wir sind nun brauereifrei."

Im Iberl ist ihnen das noch nicht gelungen, doch darum geht es angesichts der Tradition dieses Hauses ohnehin nicht. 2005 hatten sie sich mit Georg Maier geeinigt, der das Iberl seit 1966 gepachtet hatte und dort mit seiner Iberlbühne Volkstheatergeschichte geschrieben hat. Georg Maier wollte sich dort nur noch auf das Stückeschreiben und Schauspielern konzentrieren, sich nicht mehr zusätzlich mit der Gastronomie belasten. Also suchten er und die Spatenbrauerei, die zum Inbev-Konzern zählt, nach neuen Betreibern - und fanden sie in den Abenteuers. Erst als der Vertrag unterschrieben war, stellte sich heraus: Rabenwirt und Iberl sind seit jeher geschichtlich untrennbar miteinander verbunden.

Mit der Übernahme wurde das Haus in der Wilhelm-Leibl-Str. 22 nach langen Jahren grundlegend saniert. Es wurden neue Leitungen verlegt, die Küche umgebaut, das Dach repariert - für rund 700.000 Euro, die vom Eigentümer, der Brauerei und den Abenteuers aufgebracht wurden. Die Investitionen haben sich gelohnt.

Das Iberl hat seinen ursprünglich-gemütlichen Charakter nicht verloren, umfasst nach wie vor samt Theatersaal rund 180 Plätze, die sich auf vier abgetrennte Räumlichkeiten verteilen. Legendär ist das Blaumeiser Stüberl, benannt nach dem 1988 gestorbenen Karikaturisten und Zeichner Josef Blaumeiser, der hier immer mit seinen Freunden am Stammtisch saß. Einige seiner Zeichnungen hängen an der Wand und geben davon Zeugnis. Viele Prominente, etwa Schauspieler Gert Froebe oder auch Musiker Max Greger jun., gingen im Iberl einst ein und aus, und noch heute trifft man bisweilen den ein oder anderen berühmten Gast.

Für Sibylla Abenteuer ist jedoch vor allem eines wichtig: "Dass wieder so viele Familien aus der Umgebung mit ihren Kindern kommen." Und zwar zum Essen, weil sich das Iberl mit seiner gehobenen-bürgerlichen Küche wieder zu dem gemausert hat, was es früher einmal war: ein Anziehungspunkt für die Menschen, die hier im Münchner Süden leben.

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Quelle:
SZ vom 27.12.2010/sonn
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