Süddeutsche Zeitung

Hungerstreik in München:12 Flüchtlinge im Krankenhaus

Sie verweigern seit Tagen Essen und Trinken, nun sind mehrere Flüchtlinge in München zusammengebrochen. Dennoch wollen sie weiter protestieren. Bayerns Innenminister Herrmann kritisiert den Hungerstreik harsch - und spricht von "Erpressung".

Am Donnerstag stehen mehrere Krankenwagen am Rindermarkt mitten in München, die Malteser haben ein Sanitätszelt errichtet. Mit einem Trink- und Hungerstreik wollen 50 Asylbewerber hier die Anerkennung von Asylanträgen erzwingen - und auf ihre ausweglose Situation aufmerksam machen. Doch die Situation spitzt sich zu: die ersten Teilnehmer brachen zusammen. 12 Menschen sind derzeit noch im Krankenhaus.

Bis zum Mittwochabend seien bereits die ersten zehn ins Krankenhaus gebracht worden, sagte Ashkan Khorasani vom Verein Refugee Tent Action. Weitere sechs Menschen erlitten über Nacht einen Schwächeanfall. Vier der 16 Flüchtlinge haben die Klinik inzwischen wieder verlassen. Sie sind nun wieder im Camp auf dem Rindermarkt.

Die Flüchtlinge wollen ihren Hungerstreik ungeachtet der Gefahren fortsetzen. Sie fordern nun die sofortige Anerkennung ihrer Asylanträge. Zudem seien inzwischen einige Unterstützer, die bereits einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland haben, aus Solidarität in einen Hungerstreik getreten, hieß es in einer Mitteilung. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte angeboten, die Anträge binnen zwei Wochen zu prüfen - doch das lehnte der Sprecher ab.

Verwirrung gab es zunächst um Medienberichte über einen angeblichen Besuch von Neonazis am Rindermarkt. Nach Polizeiangaben gab es allerdings keine rechten Übergriffe, nur zahlreiche ausländerfeindliche Äußerungen von Passanten. Zudem versuchte der Extremist und Islamgegner Michael Stürzenberger von der Partei "Die Freiheit" am Mittwochabend zu den Flüchtlingen durchzukommen. Er wurde aber nicht vorgelassen.

Die Asylbewerber, die seit Samstag auf dem Rindermarkt campieren, stammen unter anderem aus Nigeria, Äthiopien und Pakistan. Ein runder Tisch mit den Behörden verlief am Mittwoch ergebnislos. Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) reagierte bislang harsch auf den Protest: "Hierzulande ist Politik nicht erpressbar, wir leben in einem Rechtsstaat, wo man sich nicht durch Hungerstreiks eine Vorzugsbehandlung erzwingen kann", erklärte sie unter anderem.

Auch Herrmann spricht von Erpressung

Am Donnerstag meldete sich dann auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit scharfer Kritik an dem Hungerstreik zu Wort: "Erpressung als Mittel, um Asylrecht zu erhalten, ist völlig indiskutabel", erklärte er. Jeder, der Asyl beantrage, habe das Recht auf ein ordentliches rechtsstaatliches Verfahren. "Und das bekommt er auch."

Durch Hungerstreiks könne der Rechtsstaat aber nicht einfach außer Kraft gesetzt werden. "Jeder, der in unserem Land Asyl beantragt, muss dabei auch unsere Regeln anerkennen und die rechtsstaatlichen Verfahren akzeptieren", betonte er - und rief SPD und Grüne auf, sich "von diesen Erpressungsmethoden zu distanzieren".

Herrmann erläuterte, derzeit werde nur etwa jeder dritte Asylbewerber vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannt. "Das heißt: Bei zwei Dritteln der Asylbewerber liegen keine asylrelevanten Fluchtgründe vor. Sie haben das Land nach Abschluss des Asylverfahrens wieder zu verlassen." All das werde aber in einem ordnungsgemäßen Verfahren geprüft, betonte der Minister. Derzeit ziehen sich allerdings viele Asylverfahren hin.

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