Veganes Futter:Brauchen Hunde wirklich immer Fleisch? 

Veganes Futter: Es begann in einer Garage: Inzwischen hat das Unternehmen Vegdog von Valerie Henssen (links) und Tessa Zaune-Figlar 17 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 2,4 Millionen Euro.

Es begann in einer Garage: Inzwischen hat das Unternehmen Vegdog von Valerie Henssen (links) und Tessa Zaune-Figlar 17 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 2,4 Millionen Euro.

(Foto: Robert Haas)

Tessa Zaune-Figlar und Valerie Henssen produzieren mit ihrem Start-up in München veganes Futter für Hunde. Das sei gesund und diene dem Tierwohl, sagen sie. Über die Frage: Was kommt in den Napf?

Von Clara Löffler

Tessa Zaune-Figlar, 38, hatte schon jede Diät ausprobiert. Hypoallergenes Futter, Pferdefleisch, Kängurufleisch, Straußenfleisch, rohes Fleisch. Doch nichts half gegen die Allergien ihres Schäferhund-Mischlings Nelson. Gegen die juckende Haut und die Magen-Darm-Probleme. Bis eine Tierärztin ihr riet, auf tierisches Eiweiß zu verzichten. Nach vier Wochen sei Nelson beschwerdefrei gewesen, sagt seine Besitzerin.

Da es auf dem Markt kein veganes Fertigfutter gab, das alle notwendigen Nährstoffe enthielt, kochte Zaune-Figlar es selbst. Und damit, es war im Jahr 2015, wurde die Idee zu "Vegdog" geboren, einem Start-up für pflanzliches, bedarfsdeckendes Hundefutter, das diese Marktlücke schließen sollte. Im letzten Geschäftsjahr erwirtschaftete das Münchner Unternehmen 2,4 Millionen Euro Umsatz. Das entspricht einem Wachstum von rund 130 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Am Anfang verschickte Zaune-Figlar, die eigentlich Architektin ist, von einer Garage in Schwabing aus kleine Pakete an andere Hundebesitzer. Heute hat Vegdog ein geräumiges Erdgeschossbüro in Haidhausen mit 17 Mitarbeitern und ebenso vielen Hunden, die ihre Frauchen und Herrchen zur Arbeit begleiten. Schon am Eingang wird man von Nelson begrüßt. Nicht im wörtlichen Sinne - der Vierbeiner mit dem hellen Fell starb im hohen Alter von 16 Jahren - sondern im übertragenen. Ein großes Bild von ihm klebt am Fenster.

Im Büro stapeln sich die Futternäpfe in den Regalen - und natürlich die Vegdog-Produkte. Auf jedem ist der Kopf von Nelson abgebildet. Abgesehen von der schweren Tür zum Kühlraum erinnert nichts daran, dass dies einmal eine Metzgerei war. Zaune-Figlar sitzt an einem langen Holztisch. Die blonde Frau trägt Jeans und Turnschuhe, einen karierten Blazer und roten Lippenstift. Sie spricht schnell und entschlossen, ohne hektisch zu sein. An ihrer Seite die dunkelhaarige, etwas zurückhaltendere Valerie Henssen, im grauen Hemd, mit grauen Turnschuhen und einem schwarzen Schal um den Hals. Seit 2017 bringt sie ihre Expertise als Geschäftspartnerin in das Start-up ein. Die 32-Jährige hat Betriebswirtschaft und Tiermedizin studiert.

Neben Henssen sind weitere auf Ernährung spezialisierte Tierärzte an Vegdog beteiligt, und jede neue Rezeptur wird im Labor analysiert. "Ich füttere das Futter jeden Tag an meine Hunde. Mein Anspruch ist also sehr hoch", sagt Zaune-Figlar, steht auf, zieht eine Dose aus dem Regal und öffnet sie. Der Geruch erinnert eher an einen Gemüseeintopf als an nasses Hundefutter. Sie fügt hinzu: "Wenn wir irgendwann mit Vegdog aufhören würden, wüsste ich gar nicht mehr, was ich meinem Hund füttern soll."

Veganes Futter: Was kommt in den Napf? Darüber zerbrechen sich so manche Hundehalter mindestens so den Kopf wie über ihr eigenes Essen.

Was kommt in den Napf? Darüber zerbrechen sich so manche Hundehalter mindestens so den Kopf wie über ihr eigenes Essen.

(Foto: Meike Engels/imago stock&people)

Seit der Gründung von Vegdog haben Zaune-Figlar und Henssen auch viele Einblicke in die konventionelle Futtermittelproduktion gewonnen. Sie berichten von einem großen Produzenten, dessen Mitarbeiter den ganzen Tag damit beschäftigt seien, Plastikteile aus dem Futter zu fischen. Das Plastik wird den Hühnern bei der Schlachtung um den Hals geklemmt. "Wenn ich Dokumentarfilme über Massentierhaltung sehe, verstehe ich die verzweifelten Tierschützer. Ich weine auch jedes Mal, wenn ich Lastwagen mit Schweinen vorbeifahren sehe."

Die beiden Geschäftspartnerinnen ernähren sich, wie auch ihre Hunde, inzwischen frei von tierischen Lebensmitteln. Aber sie seien dabei nicht militant, betonen sie mehrmals. Damit könne man sowieso niemanden überzeugen. "Stattdessen wählen wir einen toleranten Ansatz. Es muss ja nicht gleich 100 Prozent vegan sein", sagt Henssen. Schon ein veganer Tag in der Woche würde vielen Tieren das Leben retten.

Was die Gesundheit des Hundes anbelangt, kann eine pflanzliche Ernährung durchaus Vorteile haben. Das zeigen verschiedene Studien, aus denen Zaune-Figlar und Henssen im Gespräch auch immer wieder zitieren. Tatsächlich gehören Milchprodukte und Fleisch wie Rindfleisch oder Geflügel zu den häufigsten Auslösern einer Futtermittelallergie, wie eine Studie von 2016 unter Beteiligung der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigt. Und gesunden Tiere schade die vegane Ernährung zumindest nicht, solange sie mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt werden. Das ist auch bei fleischhaltigem Futter nicht automatisch der Fall.

Braucht der Hund Fleisch, weil er vom Wolf abstammt?

Die wissenschaftliche Fundierung ihrer Arbeit ist Zaune-Figlar und Henssen wichtig - auch, um sich nicht angreifbar zu machen. Gerade zu Beginn von Vegdog seien sie immer wieder mit Vorwürfen der Tierquälerei konfrontiert worden. "Viele denken, weil der Hund vom Wolf abstammt, braucht er Fleisch", sagt Zaune-Figlar. Tamie, die die Unternehmerin aus Mallorca gerettet hat, springt derweil von Schoß zu Schoß und holt sich Streicheleinheiten ab. Mit seinen Vorfahren hat das kleine Tier kaum noch Ähnlichkeit. Im Zuge der Domestizierung haben die Vierbeiner auch ihre Ernährungsgewohnheiten an die des Menschen angepasst.

Doch es ist nicht nur die Liebe zum Tier, die Zaune-Figlar und Henssen antreibt, sondern auch die Sorge um den Klimawandel. Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass die Fleischproduktion eine Menge Treibhausgase produziert. Vegdog lässt seine Produkte ausschließlich in Deutschland herstellen, und die Zutaten wie Lupine, Linsen, Erbsen und Soja kommen, wenn möglich, aus Europa. Lediglich die Frage der Verpackung stellt das Unternehmen noch vor große Herausforderungen. Die Trockennahrung in unbeschichteten Papiertüten und recycelbarem Tetra-Pak aus nachwachsenden Rohstoffen sind ein Anfang.

Sie durften ihr Unternehmen bei der UN-Klimakonferenz vorstellen

Im November durften Zaune-Figlar und Henssen zur UN-Klimakonferenz nach Ägypten reisen, um ihr eigenes zusammen mit 14 anderen Praxisprojekten vorzustellen. Zunächst dachten sie, die fünfminütige Präsentation würde in der Fülle der Angebote völlig untergehen und waren dann sehr überrascht, als sie sahen, wie groß das Interesse war. Dafür hat Henssen auch eine Erklärung: "Die ganze Klimakonferenz wurde stark kritisiert, weil auf politischer Ebene größtenteils darüber gesprochen wurde, wo wir stehen, wie die Temperaturen sich entwickeln und ob wir die gesetzten Ziele erreichen können. Aber es wurden keine starken Lösungen präsentiert. Wenn man dann Unternehmen sieht, die bereits Lösungen schaffen, macht das Hoffnung."

Nicht reden sondern handeln, das taten die Unternehmerinnen auch, als sie eine Gruppe von Schafen vor dem Schlachter retteten. Henssen zückt ihr Handy und zeigt Bilder von einer grasenden Herde in der Abendsonne. Bald wird Zaune-Figlar mit ihrer Familie aufs Land ziehen, und die Schafe will sie mitnehmen. Zusammen mit den beiden Weihnachtsgänsen, die dieses Jahr vor dem Ofen gerettet wurden.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKrankenversicherung für Tiere
:Hund und Katze richtig versichern

Immer mehr Besitzer schließen eine Krankenversicherung für ihr Tier ab. Verbraucherschützer raten jedoch zur Vorsicht. Worauf Halter achten sollten.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: