Süddeutsche Zeitung

Hunde in der Stadt:Kleine Kläffer haben nicht mehr Rechte

Lesezeit: 2 min

Weil sich besorgte Eltern über einen aufdringlichen Terrier beschweren, verhängt Münchens Ordnungsbehörde einen Leinenzwang für "Rocky". Die Besitzerin will sich das nicht gefallen lassen - ein Fall fürs Verwaltungsgericht.

Von Anne Kostrzewa, München

Stolze Tierbesitzer freuen sich für gewöhnlich über jedes Foto ihres kleinen Lieblings, ob eingerahmt auf dem Kaminsims oder hochgeladen bei Facebook, damit es alle Freunde sehen können. Käthe L. wurden Aufnahmen von ihrem Hund nun zum Verhängnis, auf denen der Terrier frei herumläuft, meterweit vor seiner Besitzerin und ihrem Lebensgefährten. Denn das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat ihrem Jack-Russell-Terrier Rocky im Februar eine Leinenpflicht aufgebrummt, nachdem er wiederholt kleine Kinder angesprungen hatte. Dagegen ging Rockys Frauchen vor und zog ihren Fall vor das Bayerische Verwaltungsgericht.

Doch sie scheiterte auf ganzer Linie - womit die Hundepolitik des KVR bestätigt wurde. Grundsätzlich gilt die Leinenpflicht in München nur für Hunde ab einer Schulterhöhe von 50 Zentimetern. Und auch sie müssen nur in bestimmten Stadtgebieten angeleint laufen, nämlich innerhalb des Altstadtrings, in sämtlichen ausgeschilderten Fußgängerzonen, verkehrsberuhigten Bereichen mit Spielstraßenschild sowie auf öffentlichen Märkten, Versammlungen und Veranstaltungen.

Eigentlich müsste Rocky also auch ohne Leine unterwegs sein dürfen. Er ist klein, ein Jack-Russell-Terrier erreicht kaum eine Schulterhöhe von 30 Zentimetern. In der Altstadt und in Fußgängerzonen ist Rocky ebenfalls kaum unterwegs, sein Frauchen lebt in Moosach. Doch das KVR ist davon überzeugt, dass von Rocky eine Gefahr ausgeht. In solchen Fällen kann das KVR den Hundehaltern gesonderte Auflagen vorschreiben, unabhängig von Größe und Gassiroute der Tiere.

Die belastenden Bilder stammen von besorgten Eltern, die um die Sicherheit ihrer Kinder fürchten, wenn der Hund in der Nähe ist. Martin L. ist einer von ihnen. Der Vater der dreijährigen Anastasia erinnert sich noch genau an seine erste Begegnung mit der Hundehalterin: "Ich stand mit meiner Tochter vor ihrer Kinderkrippe, als der Hund ankam und bellend auf mein Kind zu rannte."

Als er Käthe L. bat, ihren Hund an die Leine zu nehmen, habe diese sich geweigert. Anderthalb Jahre ist das nun her. Seitdem begegnen Familie L. und Rocky sich immer wieder. Nur selten läuft der Hund an der Leine. Auf Ansprache reagiere Rockys Besitzerin mittlerweile gar nicht mehr, sagt Martin L.

Ivana D. gibt ihm recht. Sie wohnt im selben Haus wie Käthe L. und habe diese schon wiederholt gebeten, ihren bellenden Hund anzuleinen - vergeblich. Ihre Tochter habe richtige Angst vor Rocky, sagt die Frau. Sie war die erste, die sich beim KVR über den Terrier beschwert hatte, Martin L. meldete sich wenig später ebenfalls beim Referat. So fing alles an. Schließlich bekam die Hundehalterin Post vom KVR: Eine Leinenpflicht für Rocky wurde angeordnet. Wann immer er in der Nähe von Kindern unterwegs ist, muss er seitdem an der Leine laufen. Seitdem fotografieren die Eltern des Viertels Käthe L. und ihren Lebensgefährten, wann immer sie die beiden mit ihrem unangeleinten Rocky antreffen.

Denn Rockys Besitzerin nimmt die Auflagen des KVR zwar zur Kenntnis. Daran halten will sie sich aber nicht - und lässt Rocky weiter ohne Leine laufen. Sie sei der Meinung, ihren Hund unter Kontrolle zu haben, sagt Käthe L. Er sei harmlos, ein Kind angesprungen habe er noch nie.

Am Donnerstag landete ihr Fall vor den Verwaltungsrichtern. Käthe L. hatte gegen die Zwangsgeldbescheide des KVR geklagt, weil sie die Leinenpflicht für Rocky nicht einsehen will. Im Gerichtssaal rutschte die Klägerin jedoch schnell in die Position einer Angeklagten. Martin L. und Ivana D. waren als Zeugen geladen - und hatten die belastenden Fotos und Videos dabei, auf denen Rocky ohne Leine zu sehen ist. Käthe L. kam deshalb nicht umhin, zuzugeben, gegen die KVR-Auflage verstoßen zu haben - und folgte schließlich dem Rat des Richters, die Klage zurückzuziehen. Sie werde sich nun wohl oder übel an die Auflage halten, sagt Käthe L. Der nächste Verstoß würde sie 1500 Euro kosten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2219737
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.11.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.