Hugo Haase:Der Karussell-König

Hugo Haase prägt als Karussell-König das Oktoberfest um 1900, obwohl er gar kein Münchner ist.

Wolfgang Görl

Man nennt ihn den "Karussellkönig". Als solcher prägt Hugo Haase auch das Oktoberfest um 1900, obwohl er kein Münchner ist und sein Unternehmen in Roßla am Harz und später in Hannover angesiedelt ist. 1902 beispielsweise kommt er mit einem Karussellpalast auf die Wiesn, dessen Fassade das Münchner Stadtmuseum in seinem Katalog zum 175-jährigen Bestehen des Oktoberfests zum "Tollsten" rechnet, "was es je auf dem Schaustellersektor gegeben hat".

Hugo Haase

Hugo Haase

(Foto: Foto: Stadtmuseum)

Von weitem sieht das Karussell aus wie ein verspieltes Rokokoschlösschen. Den Eingang zur Kasse flankieren zwei große Frauengestalten mit Harfe und Lyra, darüber ziehen zwei springende Löwen einen Wagen, gelenkt von einem Fackelträger in Siegerpose. Gekrönt wird das Triumphgespann von einem die Schwingen weit ausbreitenden Adler. Aus mächtigen Orgelpfeifen erklingt Musik, und gleich zweimal sieht man die gewaltige Figur des Recken Siegfried, furchtlos den Drachen bekämpfend.

Solch spektakuläre Vergnügungspaläste sind Haases Spezialität. Haase gehört stets zu den Ersten, wenn es gilt, die technischen Errungenschaften des Zeitalters zu nutzen. Als 1901 die städtischen Elektrizitätswerke erstmals Strom für das Oktoberfest liefern, wird Haases mit raffinierten Lichteffekten ausgestatteter "Juwelen Palast" zur vielbestaunten Attraktion. An der Entwicklung moderner Karussells ist der umtriebige Unternehmer maßgeblich beteiligt. In früheren Zeiten brachten starke Männer oder Pferde die Ringelspiele in Schwung. Haase aber nutzt die elektrische Energie als Antriebskraft.

Auf dem Oktoberfest 1902 präsentiert er seine "Erste&einzig existierende Berg&Thal-Bahn" sowie ein "Dampf-Schiff-Caroussell" - beide angetrieben mit elektrischem Strom, den zwei 30-PS-Gasmotoren liefern. Auch der bayerische Kronprinz Ludwig, der spätere König LudwigIII., ist beeindruckt, als er die "Elektrische Kraftübertragungsstation" bei ihrer Premiere besichtigt. Mit dem Einsatz elektrischer Energie revolutionieren Männer wie Haase das bis dahin behäbige Karussellwesen. Es geht immer höher, immer schneller, immer toller.

Hugo Haase wird am 1.Juni 1857 in Winsen an der Luhe (Niedersachsen) als Sohn eines Kapellmeisters geboren. Er absolviert eine Schlosserlehre und verdingt sich nach einigem Hin und Her bei einer Maschinenfabrik, die auch Karussells konstruiert. Entscheidend für seine weitere Laufbahn ist, dass er Mitte der 1880er als Werkmeister der Maschinenfabrik Hövermann&Jürgens den Auftrag erhält, für einen Hamburger Fabrikanten ein Schiffskarussell zu bauen. Dabei erwirbt Haase das Wissen, das ihn befähigt, sich 1887 in Roßla als "Ingenieur und Dampf-Schiff-Carousell-Fabrikant" niederzulassen.

Das Unternehmen floriert. In Roßla wird alles gebaut, was Rummelplatzbesucher zu einem Spielball physikalischer Kräfte macht. Autoskooter zum Beispiel, die in den USA entwickelte Probebühne für Crashfahrer. Aber auch Berg- und Talbahnen, die "Raketenfahrt zum Mond", Tobbogans "mit Rolltreppe" oder Zeppeline, die in sieben Metern Höhe eine festliche illuminierte Erdkugel umkreisen.

Wie bedeutend Haase für das damalige Schaustellergeschäft ist, lässt sich einem zeitgenössischen Zeitungsartikel entnehmen, den Darijana Hahn in ihrem Buch über den Karussellkönig zitiert: "Es ist gleichgültig, ob man an das Cannstatter Volksfest, das Münchner Oktoberfest, die Dresdner Vogelwiese, den Hamburger Dom oder sonst ein großes Volksfest denkt, sobald von Vergnügungsunternehmungen die Rede ist, dann taucht sofort der Name Hugo Haase auf."

Hugo Haase stirbt am 13.September 1933 in Hannover. Während damals beinahe jede Zeitung einen ausführlichen Nachruf brachte, ist er heute so gut wie vergessen.

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