Hotelbars:Von Caipirinha bis Caipaulaner

Schöne Drinks, besondere Atmosphäre - aber der Mythos Hotelbar ist in München nur schwer zu fassen.

Johannes Waechter

Beim Schoko-Riegel in der Mini-Bar angefangen, ist in Hotels alles teurer als im wirklichen Leben. Das gleiche gilt für Hotelbars.

Hotelbars: Cortina

Cortina

(Foto: Heddergott)

4,80 Euro für ein Glas Bier werden auch dann nicht günstig, wenn man sämtliche Erdnüsse wegknabbert, die der Kellner zur Begrüßung auf den Tisch stellt. Warum also hingehen?

Nun, die Hotelbar ist ein kleiner Mythos der Ausgehkultur. Der Liebhaber sucht hier all die üblichen Merkmale hervorragender Bars - hohe Qualität von Service und Angebot, interessantes Publikum, unverwechselbare Atmosphäre - sowie einen Mehrwert an Glamour und Weltläufigkeit, den die internationalen Gäste des Hotels garantieren: Stars aus Film und Fernsehen, Wirtschaftsbosse, schöne Frauen aus fernen Ländern.

Doch der Mythos, das wird im folgenden zu sehen sein, ist schwer zu fassen. In der Lobby Bar des Mandarin Oriental sitzt eine Dame, die ein Glas Champagner trinkt und ergriffen dem Klavierspieler lauscht. Außerdem zwei chinesische Geschäftsleute, ganz hinten in der Ecke, ins Studium deutscher Braukunst vertieft.

Eigentlich ist es überhaupt keine Bar, sondern ein Hotel-Foyer voller plüschiger Sofas in gedeckten Farben. So muss der graumelierte Herr am Stutzflügel ganz allein die Aufgabe bewältigen, etwas Atmosphäre herbeizuzaubern; er schlägt sich wacker.

Die Cocktails sind dann hervorragend; trotz Unterforderung hat der Barmann sein Handwerk nicht verlernt. Die Karte ist reichhaltig, ein Cognac Hennessy Richard (4 cl, 120 Euro) ist ebenso zu finden wie 75 Sorten Whisky.

England?

Wir versinken in den Polstern, während die Musik perlt und die Kellnerin gelangweilt am Tresen herumwischt.

In der Bar des Vier Jahreszeiten sitzt eine geliftete Amerikanerin. Vor einer Cola. Ihr Teint ähnelt dem roten Ledersessel. Vom Aussehen her ist dies wenigstens eine richtige Bar, klein und eng und schummrig, in einer Kammer neben der imposanten Eingangshalle des Hotels gelegen, eingerichtet wie ein Pub: dunkle Holzvertäfelung an der Decke, unbequeme Sitznischen und über der Theke hängen Messinglampen mit langen Troddeln.

Würden die Wände nicht von alten Kupferstichen geziert, auf denen ein Papst zu sehen ist - man fühlte sich wie in England.

Und ein Kollege sagt: Die Bar ist so hässlich, dass sie schon wieder schön ist. Auch hier macht das Personal einen latent unterforderten Eindruck.

Die Amerikanerin bestellt eine zweite Cola, an den anderen Tischen wird Caipirinha getrunken. Wie müssen ambitionierte Barkeeper diesen Drink hassen!

Sein Siegeszug wird künftigen Generationen als Beginn des Niedergangs der Cocktail-Kultur gelten. Mit solchen Gedanken beschäftigt, bestellen wir natürlich auch Caipirinha, denn lecker ist der Trunk ja, keine Frage. Genau wie im Mandarin Oriental sind hier Profis am Werk.

Vom Mythos Hotelbar ist auch hier wenig zu spüren: Leere Sessel wirken nun einmal nicht besonders weltläufig.

Wie aus Wallpaper

Das Design-Hotel Cortina hinterm Hofbräuhaus wurde vor einem halben Jahr eröffnet, doch die Planungen stammen, das ist offensichtlich, aus der Zeit, als der Neue Markt noch boomte - die Einrichtung ist wie aus der britischen Kult-Zeitschrift Wallpaper abgepaust.

Designer-Möbel stehen auf dunkel poliertem Eichenparkett, in einer mit rauem Schieferstein verklinkerten Wand flackert ein Kamin, auf einem Sideboard liegen Bildbände herum.

Bei so viel Styling kommt schnell der Verdacht auf, dass es mit der Qualität des Service nicht so weit her ist. In der Tat sind die Drinks dann unspektakulär. Angenehm allerdings: Hier ist was los. Am Nebentisch hat sich eine Szene-Clique mit Adidas-Schuhen versammelt, hinten sitzt ein Mädchen, das aussieht wie Gwyneth Paltrow.

Das Ritzi hinterm Landtag ist ebenfalls ein kleines Design-Hotel, das Kunden aus der Nachbarschaft in seine Bar lockt. Hübsche und aufgehübschte Menschen bevölkern es. Die Einrichtung ist aufwändig, aber geschmacklos, wie zum Beispiel die Statuette auf der Bar, eine nackte Frau, die eine abwehrende Geste macht; richtig hässlich die türkisfarbene Säule, die mitten im ockerfarbenen Raum steht.

Immerhin ist der Laden preiswert und die Cocktail-Karte reichhaltig. Mit darauf: Der Aperitif "Journalist", eine Mischung aus Gin, Vermouth und Zitronensaft. Ziemlich saure Angelegenheit.

Sydney, Paris oder Hongkong

In die Bar des Arabella Sheraton Grand Hotel kommt wahrscheinlich kaum jemand aus der Nachbarschaft. Es ist sogar schwer vorstellbar, dass viele Münchner je dieses Haus betreten - es liegt abseits der Ausgeh-Routen.

Dabei ist der Besuch durchaus interessant: Hier manifestiert sich die Einheitsästhetik internationaler Hotel-Kultur, die Bar Ducktails könnte genauso gut in Sydney, Paris oder Hongkong sein - und in der Tat sind das die Stationen, an denen Barchef Hercules Tsibis vorher tätig war.

Heute Abend bedient er unter anderem die Angestellten der "Burmah Oil Technology GmbH", die im Saal "Lillehammer" tagen. Die Auswahl an Drinks ist gigantisch, es gibt Extra-Karten mit über 100 Wodka- und Grappa-Sorten; hinter der Bar hängen zahlreiche Wimpel, die die Teilnahme am "Martini Grand Prix" und anderen Mix-Wettbewerben belegen.

Klar, das alles zeugt von Kompetenz, doch gleichzeitig wirkt es ein wenig angeberisch. Und es gibt eine ganze Seite mit Bier-Cocktails. Herrgottsakra! Todesmutig bestellen wir einen "Caipaulaner".

Das ist dasselbe Rezept wie bei einer Caipirinha, nur dass der Zuckerrohrschnaps durch Wodka und Bier ersetzt wird. Dazu lassen wir "typisch deutsche Currywurststicks mit Pommes Frites" kommen.

Mensch, Mensch. Der Laden ist brechend voll, verschiedene Sprachen sind zu hören; der Mann am Keyboard versucht, die Stimmung mit Songs von Lionel Richie und Adriano Celentano zum Höhepunkt zu bringen. Endlich kommt unser Caipaulaner. Und wider Erwarten ist der Drink total lecker.

Doch so überraschend der Besuch im Ducktails verläuft - der Mythos lässt sich auch hier nicht verorten. In München kommt man ihm noch am nächsten, wenn man das Marmorfoyer des Bayerischen Hofs durchquert und hinab ins Trader Vic's steigt, hinab in eine fremde, seltsame Welt.

Noch einen, Joe!

Abgesehen vom fehlenden Meer und Tageslicht sieht es hier aus wie in einer Strandbar auf Tahiti: Ein Bambusdach wölbt sich über die Gäste, über der Bar hängt ein Kanu, stachlige Fische spenden Licht, rituelle Schnitzereien aus Tropenholz zieren die Wände.

Alles so, wie man es aus Filmen mit Robert Mitchum zu kennen glaubt, alles im Tiki Style gehalten, der in den Fünfzigern in Hollywood populär wurde und in den vergangenen Jahren ein Comeback feierte.

In einem Trendschuppen im Glockenbachviertel würde diese Einrichtung peinlich wirken, doch das Trader Vic's wurde bereits in den Sechzigern eröffnet und hat nun eine sympathische Patina, die die ganze Einrichtung stilecht, ja regelrecht zauberhaft erscheinen lässt.

Auch das Personal kommt aus Fernost; die Barmänner tragen Hawaii-Hemden, die Kellnerinnen Kimonos. Spezialität sind die Drinks auf Rum-Basis.

Wir bestellen einen Mai Tai, der ist hier legendär, und einen Menehune Juice. Laut Karte soll der nämlich bewirken, dass man hawaiianische Wichtelmänner sieht, "die den Menschen Gutes tun".

Beim ersten Drink klappt das noch nicht, doch wir sind fest entschlossen, so lange durchzuhalten, bis die "Menehune" erscheinen. Also, Joe: Noch einen!

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