Bayrischzell ist auf angenehme Weise altmodisch, in einem weiten Tal gelegen, dank Umgehungsstraße ohne Durchgangsverkehr und doch nah genug am großen Skigebiet des Sudelfeld, um ein schöner, vom Wintersportrummel gerade weit genug entfernter Aufenthalt zu sein. Dort fährt ein Bus, oder man nimmt das Auto. Und ganz am Ortsrand zuckelt ein betagter "Ein-Personen-Sessellift" durch den Bergwald hinauf auf Pisten und Wanderwege. Auch als Sommerfrische ist das hübsche Städtchen mit den alten Häusern und netten Läden ein freundlicher Aufenthalt. Allerdings, das nostalgische Flair hat seinen Preis.
Das eine oder andere Restaurant hat lange zugemacht, und mancher schöne alte Gasthof hat bessere Tage gesehen. Aber nur wenige Straßen weiter zeigt ein anderes Haus, wie man neues Leben in die Hütte bringt und in den Ort. Nach langem Niedergang und einer liebevollen Renovierung unter neuen Betreibern erstrahlt das Hotel Alpenrose im Wortsinn im alten Glanz. Der kaiserzeitliche Prachtbau, mit Erkern, Holzbalkonen und Blumenschmuck, hat einst wohl ein Publikum gesehen, das sich als gehoben verstand. Vielleicht ging es einmal, vor sehr langer Zeit, so zu wie in Erich Kästners Grand Hotel, das er in "Drei Männer im Schnee" als Sehnsuchtsort entwirft.
Aber die Gegenwart muss sich nicht verstecken, ganz im Gegenteil. Der große Hauptraum mit den Rundbogenfenstern ist mit einer warmen, lässigen Eleganz gestaltet und schönen Möbeln, die ein im guten Sinne begriffenes Fünfzigerjahre-Flair erzeugen. Peffekoven trat ein und fühlte sich umgehend sehr wohl, ihm war, als habe er einen solchen Ort schon lange gesucht. Im Winter ist es hier sehr behaglich, wenn es nun wärmer wird, lockt die Traumterrasse mit Bergblick.
Neben dem großen Saal gibt es noch kleinere Speiseräume, einer davon eine detailgetreu restaurierte Zirbelstube mit Kachelofen. Erfreulich ist die ausgesprochene Kinderfreundlichkeit des Hauses, die sich noch durch einen eigenen Lese- und Spielraum auszeichnet. Es gibt ja Gastronomen, die zur Volkserziehung neigen und sich weigern, beliebte Kindergerichte wie Wiener Würstchen oder Fischstäbchen anzubieten, als sei derlei unter der Würde der Cuisine. In der Alpenrose dagegen gibt es preisgünstig die ganze Palette, und wenn die Kleinen zufrieden sind, dürfen es auch die Eltern sein, die sich dann in Ruhe der wunderbaren Küche widmen können, die hier geboten wird.
Man weiß ja, leider, dass in bayerischen Feriengebieten nicht überall die höchste Kochkunst zu Hause ist, um es so mild wie möglich zu sagen. Schweinsbraten, Haxn, Leberkäs, und a Ruah is. Das ist in der Alpenrose, glücklicherweise, sehr anders. Zum Beispiel die gebratene Blutwurst und Leberwurst an Apfelmus, eine feinsinnige Variante des rheinischen "Himmel und Ääd" als Vorspeise.
Eine sehr feine Sache ist der Pfifferling-Kartoffelsalat, eine aromatische Variante, die es als Beilage gibt, bei den Vorspeisen zum Beispiel zum zarten bayrischen Ferkelpflanzerl mit Meerrettichsenf. Das ist die Philosophie der Küche hier: regionale Schmankerl verfeinert und variiert, das Ganze mit leicht österreichischem Einschlag. Derber, aber ebenso wohlschmeckend war der Regensburger Wurstsalat, der einer merkwürdigen kulinarischen Mode folgend in einem Weckglas gereicht wird. Ebenso ergeht es dem Ziegenkäse-Obazdn.
Die Hauptspeisen sind gerade richtig kräftig nach einem langen Tag auf Skiern oder in Wanderschuhen. Zu den Küchenklassikern gehört ein wunderbar mürbes Wiener Saftgulasch mit Serviettenknödel, dazu Gemüse und Salat - worin? Im Weckglas. Sehr zart war der schwäbische Zwiebelrostbraten mit Speckstreifen und Krautspätzle. Neben den Dauerbrennern gibt es täglich wechselnde Gerichte, etwa würzige Kalbsbackerl und einen hauchzarten Tafelspitz mit entsprechend eleganter Meerrettichsauce und Röstkartoffeln.
Nett sind auch die gastronomischen Themenabende. Peffekoven und die Seinen gingen einmal am Aschermittwoch hin und gerieten, ohne in den Tagen zuvor nennenswert gesündigt zu haben, in einen Karpfen- und Wildlachsabend. Fisch hilft ja gegen den Kater, wie sehr, hängt freilich vom Ausmaß des Katers ab. Auch unverkatert war das feste und aromatische Karpfenfilet aber ein Glücksfall. Eine sehr anständige Weinkarte - Peffekoven probierte erfreut einen wunderbar erdigen, weißen Schreckbichl Pfefferer - rundet das Vergnügen ab. Der Service ist herzlich, entgegenkommend und gerät selbst bei vollem Haus nicht ins Schleudern. Die gute Nachricht zum Ende: Im Sommer soll das Hotel noch einen Biergarten bekommen. Und vom Bahnhof der Oberlandbahn sind es nur ein paar Schritte.
Die Preise: Mittel. Vorspeisen und Jausen bis elf Euro, Hauptspeisen zwischen 14 und 16,50 Euro, bei Besonderheiten wie Wildlachsabend ausnahmsweise mehr.