Süddeutsche Zeitung

Wohnen in München:Politik will Bahnhofsviertel vor zu vielen Hotels schützen

  • Die Politiker von SPD, Grünen und CSU sind sich einig, dass zu viele Hotels um den Hauptbahnhof zu Problemen im Viertel führen können.
  • Der Planungsausschuss der Stadt soll klären, wie es möglich wäre, Wohnungen im südlichen Bahnhofsviertel zu erhalten oder sogar neu entstehen zu lassen.
  • Der Anlass der Diskussion: Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass die Kette "Motel One" gleich zwei neue Hotels in der Schillerstraße baut.

Von Sebastian Krass

Wie lässt sich sicherstellen, dass Wohnungen im südlichen Bahnhofsviertel erhalten bleiben? Oder dass statt ständig neuer reiner Hotelkomplexe auch neue Wohnungen dort entstehen können? Und mit welchen Kosten für Entschädigungen müsste die Stadt rechnen, wenn sie entsprechende Regelungen beschließt? Antworten auf diese Fragen soll das Planungsreferat in den nächsten Monaten erarbeiten und dann dem Stadtrat vorlegen, das hat der Planungsausschuss am Mittwoch beschlossen. "Ich möchte einen Weg aufgezeigt bekommen, was wir politisch tun können und mit welchen Risiken wir dabei rechnen müssen", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).

Ausgangspunkt der Debatte war die ablehnende Antwort des Referats auf einen Antrag der Grünen, die gefordert hatten, den Bebauungsplan für das Areal so zu ändern, dass weitere Hotels unzulässig seien und dass bei neuen Bauvorhaben 20 bis 30 Prozent Wohnnutzung eingeplant werden müssten.

Die Grünen beklagen, dass sich in dem einst sehr vielfältigen Quartier zwischen Hauptbahnhof, Stachus, Sendlinger-Tor-Platz, Goetheplatz und Theresienwiese zunehmend eine "Monostruktur" aus Hotels entwickele. Auf 0,2 Prozent der Stadtfläche befänden sich 60 Prozent der Hotelbetten.

CSU und SPD teilen die Bedenken. Die zunehmende Konzentration von Hotelbetten im südlichen Bahnhofsviertel sei "schwierig, das kann die Struktur im Viertel zum Kippen bringen", sagte der stellvertretende CSU-Fraktionsvorsitzende Hans Theiss im Dezember. Mitte Mai stellte seine Fraktion einen Antrag, die Verwaltung möge darstellen, wie das südliche Bahnhofsviertel wieder attraktiver für das Wohnen werden könne.

Ein Hotel anstelle eines heruntergekommenen Wohnhauses

Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass die Kette "Motel One" an der Schillerstraße gleich zwei neue Häuser mit zusammen 912 Betten baut, für eines davon muss ein - allerdings heruntergekommenes - Wohnhaus weichen. In der vergangenen Woche hatte der Investor, der eines der Häuser für "Motel One" baut, bekannt gegeben, dass an der Schillerstraße 3/3a nun immerhin auf 300 Quadratmetern zehn Wohnungen für Hotelmitarbeiter eingeplant würden.

Das Planungsreferat führt zu dem Antrag der Grünen aus, der seit 1996 geltende Bebauungsplan weise das Areal als "Kerngebiet" aus, also als ein Gebiet für gewerbliche Nutzung. Hotels seien da generell zulässig, neue Wohnungen hingegen nur mit Ausnahmegenehmigung. Diese Widmung entspreche auch der hauptsächlichen Nutzung.

Mittels eines sogenannten Änderungsbebauungsplanes könne die Stadt das Kerngebiet in eine andere Kategorie umwidmen, etwa als Urbanes Gebiet, Mischgebiet oder Besonderes Wohngebiet. Das aber sei nicht sinnvoll. Hotels seien dann nämlich immer noch zulässig und Wohnungen in ihrem Bestand nicht unbedingt geschützt. Die Festschreibung eines Wohnanteils sei baurechtlich schwer durchzusetzen. Überdies würde der Änderungsbebauungsplan einen Eingriff in das Eigentumsrecht der Grundstücksbesitzer bedeuten. Die würden "mit hoher Wahrscheinlichkeit" Entschädigungen einklagen.

"Es braucht hier mal den Mut, politisch zu gestalten, obwohl es juristisch schwierig werden könnte", sagte Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher (Grüne). "Es ist uns wichtig, dass es dort auch weiterhin Anwohner gibt." Walter Zöller (CSU) ergänzte, für die Hotels, die nun gebaut würden, sei "das Kind schon in den Brunnen gefallen". Aber trotzdem müssten die Regelungen ja nicht für immer so bleiben.

Zudem kritisierte er, dass der Investor den vorgeschriebenen Ersatz für die weggefallenen Wohnungen im abgerissenen Gebäude an ganz anderer Stelle der Stadt schaffen könne. "Mein Verdacht ist, dass die Wohnungen dort sowieso gebaut worden wären. Da ist der Gesetzgeber gefragt, dafür zu sorgen, dass die Ersatzwohnungen in dem Umfeld geschaffen werden müssen, in dem sie vorher waren."

OB Reiter sagte, was in den Neunzigerjahren beschlossen worden sei, müsse heute politisch nicht mehr bindend sein. "Die Welt dreht sich weiter." Gegebenenfalls müsse man gewisse Schadenersatzforderungen hinnehmen. "Ich bin nicht generell gegen Hotels, aber ich bin dagegen, dass aus Wohnungen Hotels werden." Nach dieser Debatte beschloss der Planungsausschuss, eine Abstimmung über das Thema zu vertagen, bis die Verwaltung die offenen Fragen und auch den Antrag der CSU-Fraktion beantwortet hat. Das soll in der zweiten Jahreshälfte geschehen.

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