In einen Seminarraum hätten die Leute nicht gepasst. Die Kirchentagsbesucher nehmen stattdessen an diesem Donnerstagvormittag sogar auf dem Boden der Turnhalle der Münchner Klenzeschule Platz, um sich den Vortrag des katholischen Theologen Michael Brinkschröder zum Thema "Christliche Homophobie" anzuhören. Brinkschröder spricht schon, und noch immer mehr Menschen betreten den Raum.
Das Forum "Homosexualität und Kirche", das am Kirchentag ein Programm für Schwule und Lesben anbietet, beschäftigt sich mit keinem leichten Thema. Denn für konservative Kirchenleute passt Schwul- oder Lesbischsein nicht mit einem intensiv gelebten Glauben zusammen.
Das Forum will für gläubige Homosexuelle ein Zeichen setzen, mit Vorurteilen aufräumen und das Thema in die Öffentlichkeit bringen. Erstmals setzen sich auf einem Ökumenischen Kirchentag Veranstaltungen mit dem Thema Homosexualität und Kirche auseinander.
"Ihr macht das toll"
Das Publikum in der Klenzeschule ist bunt gemischt: Junge und Alte sind gekommen, Experten und Laien. Niemand steht verschämt oder schüchtern in der Ecke. In der Eingangshalle hängen rosafarbene Luftballons. Die Leute sind gut gelaunt und unterhalten sich. "Ihr macht das toll", lobt jemand die Arbeit der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK).
Ein Mann trägt selbstbewusst ein T-Shirt mit der Aufschrift "Querdenkerin", das man hier kaufen kann. Am Bücherstand gibt es Literatur zum Thema Homosexualität und Kirche. Ein Cover fragt: "Jesus - schwul?" Dass sich die katholische Kirche gegen Homosexualität sperrt, ist hier für viele absurd.
Im Regenbogenraum im ersten Stock der Schule steht ein provisorischer Altar, der mit Kerzen und Tüchern in Regenbogenfarben geschmückt ist. Hier wird aus dem Werk von Gustl Angstmann gelesen. Angstmann ist 1996 aus der katholischen Kirche ausgetreten und hat seinen Nachlass nach seinem Tod an das Forum Homosexualität und Geschichte vermacht.
Seine Kurzgeschichten erzählen von seinen Alltagserfahrungen als Homosexueller in den siebziger Jahren in München. "Das kann ich alles sehr gut nachvollziehen", sagt ein älterer Herr im Publikum. Gut 30 Leute nehmen an der Lesung teil, ein paar davon haben Angstmann, der 1998 an Aids gestorben ist, persönlich gekannt.
"Es ist etwas Besonderes für uns, dass wir zum ersten Mal bei einem Ökumenischen Kirchentag im offiziellen Programm berücksichtigt werden", sagt Bernd Wangerin. Er ist ein evangelischer Pfarrer in Rente aus Frankfurt am Main und seit über 25 Jahren in der Arbeitsgemeinschaft HuK aktiv.
Beim Kirchentag organisiert er gemeinsam mit Judith Eisert vom Netzwerk katholischer Lesben eine Veranstaltung, die sich am Samstagnachmittag mit den Befürchtungen kirchlicher Mitarbeiter rund um das Thema Homosexualität beschäftigen wird.
Wangerin hat in seiner Rolle als Berater bei der HuK mit Homosexuellen oder ihren Angehörigen zu tun, die nicht weiterwissen. Mit der Veranstaltung, die er mit Eisert organisiert, will er den Menschen einen Raum geben, um sich gegenseitig zu ermutigen. "Die Leute sollen nicht allein kämpfen müssen", sagt er.
Mit dem Druck leben - oder Privates aussparen
Eisert hofft, dass sich viele homosexuelle Kirchenmitarbeiter zu dieser Veranstaltung trauen werden. Sie weiß, dass die Situation besonders für die Katholiken schwer ist: "Das fängt schon bei der lesbischen Krankenschwester an, die in einem katholischen Krankenhaus arbeitet", sagt sie. "Wenn herauskommt, dass sie homosexuell ist, bedeutet das für sie die Kündigung."
Eisert weiß durch ihr Engagement beim Netzwerk katholischer Lesben, dass viele diesen Druck nicht aushalten: "Es ist eine Entscheidung, ob man sein Privatleben ausspart und mit dem Druck lebt, oder ob man irgendwann den Beruf aufgibt."
Für homosexuelle Kirchenmitarbeiter kann schon ein eigentlich harmloser Stand beim Kirchentag eine Hürde sein: "Die Mitarbeiter können ihre Namen nicht im Programm veröffentlichen, weil ihre kirchlichen Arbeitgeber sonst wissen, wer lesbisch oder schwul ist", sagt Eisert.
Beim Forum in der Klenzeschule ist die Stimmung trotzdem gut, denn die konservativen Kritiker sind fern geblieben. Aber Eisert weiß, dass das auch anders sein kann: "Bei einer früheren Veranstaltung hat ein Bischof einmal unseren Stand von weitem gesehen und ist vor lauter Panik in einen anderen Stand hineingerannt."
Die evangelische Kirche zeigt sich beim Thema Homosexualität offener als die katholische. Aber dies war eine Entwicklung, die mehr als 20 Jahre lang gedauert hat. Auch in der evangelischen Kirche fällt es manchen heute immer noch schwer zu wahrzuhaben, dass das Evangelium Homosexuelle nicht ausschließt.
"Die Selbst-, Nächsten- und Gottesliebe ist auch auf uns voll anwendbar", sagt Pfarrer Wangerin. Diese Botschaft ist jedoch in der katholischen Kirche noch lange nicht angekommen.
Beim Forum "Homosexuelle und Kirche" wird sie aktiv gelebt und in die Welt hinausgetragen. Auch wenn die katholischen Kirchenmänner nicht zuhören wollen.