Vor Gericht:Gute Bewertungen gegen Bezahlung: Holidaycheck wehrt sich

Rechtsstreit um Fake-Bewertungen auf Hotelbewertungsportal

Werbung an der Fassade - das reicht für Beherbergungsbetriebe lange schon nicht mehr. Für sie ist das Internet ein wichtiger Marktplatz.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Das Portal Holidaycheck wehrt sich vor Gericht gegen ein Unternehmen, das sich von Beherbergungsbetrieben offenbar für positive Bewertungen bezahlen ließ.
  • Eine Lobeshymne war ab 19,95 Euro zu haben, einzelne User sollen innerhalb kürzester Zeit 30 Mal die Bestnote verteilt haben.
  • Der Holidaycheck-Anwalt argumentiert, dass das nicht nur dem Geschäftsmodell des Portals schade, sondern auch den redlichen Hotels und den Nutzern.

Aus dem Gericht von Stephan Handel

Hotelbewertungs-Portale leben von und verdienen an ihrer Glaubwürdigkeit: Auf der Suche nach dem Hotel für den nächsten Urlaub will der Verbraucher sich darauf verlassen können, dass die Bestnote tatsächlich zustande gekommen ist, weil sich zuvor ausreichend viele Gäste dort so gut untergebracht fühlten und deshalb eine gute Bewertung abgaben. So gesehen, ist es mehr als verständlich, dass sich das Portal holidaycheck.de nun gerichtlich gegen ein Unternehmen wehrt, das sich von Beherbergungsbetrieben offenbar für positive Nutzerratings bezahlen ließ.

Was Wolfgang Gawinski, Vorsitzender Richter der 17. Handelskammer am Landgericht, zu Beginn der Verhandlung am Donnerstag tat, heißt prozessual "Einführung in den Sach- und Streitstand". Aber allein schon der Vortrag dessen, was der Kläger zusammengetragen hatte, klang so, als dürfte es der Anwältin auf der anderen Seite mehr als schwer fallen, da etwas entgegenzuhalten. Das Unternehmen Fivestar-Marketing bot auf einer Website an, gegen Geld für positive Bewertungen auf Holidaycheck und anderen Portalen und Suchmaschinen zu sorgen - eine Lobeshymne war schon für 19,95 Euro zu haben, deren 15 kosteten 245,95 Euro. Dass dieses Angebot von verschiedenen Hotels angenommen und bezahlt wurde, darauf wurde Holidaycheck durch einen anonymen Hinweis gebracht. Eine Überprüfung ergab tatsächlich, dass ein einzelner User des Portals innerhalb kürzester Zeit 30 mal sechs Sonnen verteilt hatte, die Bestnote also.

Holidaycheck forschte weiter - und fand tatsächlich eine Frau, die auffällig viele positive Bewertungen verfasst hatte. Als das Unternehmen die Frau aufforderte, Buchungsbestätigungen für die von ihr benoteten Hotels vorzulegen, redete sie sich heraus - tatsächlich ist in den Nutzungsbedingungen festgelegt, dass nur solche Leistungen bewertet werden dürfen, die der Nutzer auch selbst in Anspruch genommen hat.

Als das Unternehmen dann aber auch noch auf eine Art Mitarbeiter-Handbuch von Fivestar stieß, wurde klar, dass auch diese Bestimmung umgangen wurde: Nachdem der Bewerter von Fivestar den Auftrag für ein bestimmtes Hotel erhalten hatte, sollte er sich mit diesem in Verbindung setzen, er bekomme dann eine Buchungsbestätigung "ohne Zahlungsverpflichtung" zugeschickt, die er dann vorzeigen könne, wenn Holidaycheck nachfragen sollte - ein Vorgehen, an das sich die Frau offenbar nicht gehalten hatte, als sie von Holidaycheck ausfindig gemacht worden war. Außerdem legte der Kläger auch Rechnungen vor, die Fivestar an seine Kunden - also die Hotels - gestellt hatte.

Auf Unterlassung hatte das Portal geklagt, auf Auskunft über die so zustande gekommenen Bewertungen und auf Schadenersatz. Drei Gruppen von Opfer habe es bei diesen Geschäftspraktiken gegeben, argumentierte der Holidaycheck-Anwalt: Die Nutzer, die sich darauf verließen, dass die Bewertungen von realen Hotelgästen verfasst wurden, die redlichen Hotels, die sich keine positiven Bewertungen kauften - und schließlich Holidaycheck selbst, dessen Geschäftsmodell ja in erheblichen Maß von der Glaubwürdigkeit abhänge.

Der Anwältin von Fivestar blieb angesichts der erdrückenden Beweislast nur die Flucht ins Formaljuristische: Die Unterlassung könne nicht verlangt werden, denn Fivestar habe den Verkauf von Hotelbewertungen 2018 aufgegeben, es bestehe also keine Wiederholungsgefahr - eine Sichtweise, die Richter Gawinski mit einem trockenen "Stimmt nicht" zurückwies: Das Unternehmen sei immer noch in ähnlichen Bereichen tätig, etwa der Suchmaschinen-Optimierung, und könne das aufgegebene Geschäftsfeld jederzeit wieder aktivieren.

Ja, sprach die Anwältin, aber Holidaycheck vergebe doch selber Prämien an Nutzer für abgegebene Bewertungen, etwa Bonusmeilen für Fluglinien - mit dem Unterschied, dass diese nicht wie bei Fivestar daran gekoppelt sind, dass die Bewertung auch positiv ausfällt. Schließlich: Holidaycheck schließe für sich selbst die Haftung aus, was die Bewertungen betrifft - warum sollte dann Fivestar haften? Auch damit konnte sie Gawinski aber offensichtlich nicht überzeugen.

Der Richter wollte dann von der Anwältin noch wissen, wie das Ganze denn funktioniert habe, ob die Auftrags-Bewerter vielleicht in das jeweilige Hotel gefahren seien und wenn ja, wer das dann bezahlt habe. Antwort darauf gab es keine, es habe einen Pool von Bewertern gegeben, diese seien angeschrieben worden, wenn ein Auftrag zu erledigen war - eine Auskunft, die die Stimmung des Richters auch nicht verbesserte. Nun gibt es eine Frist bis Mitte August, in der die Anwälte noch einmal Schriftsätze verfassen können, dann will das Gericht verkünden, wie es weitergehen soll. Vielleicht mit der Anhörung des Geschäftsführers von Fivestar - der sollte ja eigentlich wissen, wie sein Geschäftsmodell funktionierte, bei dem Hotels gegen Geld positive Bewertungen bekamen, auch wenn sie diese wahrscheinlich gar nicht verdient haben.

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