Hohlmeiers Enthüllungen:Hoffnungsträgerin im Abseits

Trotz des angekündigten Rücktritts vom CSU-Bezirksvorsitz nimmt der Druck auf Monika Hohlmeier weiter zu. Nach den Enthüllungsdrohungen steht auch ihre Zukunft als Kultusministerin auf dem Spiel.

Von Sebastian Beck, Jan Bielicki und Peter Fahrenholz

Der neue Tag fängt für Monika Hohlmeier so schlecht an, wie der alte geendet hat. Am Dienstagabend erst hat sie ihren Rücktritt vom Münchner CSU-Bezirksvorsitz angekündigt. Doch am Mittwoch geht alles wieder von vorne los. Vor dem CSU-Fraktionssaal im Landtag warten Journalisten auf Bayerns Kultusministerin und wollen wissen, was es mit dem Skandal-Dossier auf sich hat, mit dem sie angeblich ihre Parteifreunde unter Druck gesetzt hat. "Alles Quatsch", beteuert Hohlmeier, "es gibt kein Dossier. Ich habe noch nie in meinem Leben jemanden bedroht." Danach nimmt sie Platz auf der Regierungsbank, wo sie sich die Rücktrittsforderungen der Opposition anhören muss. Das Lächeln auf ihrem Gesicht wirkt ziemlich gespielt.

Hohlmeiers Enthüllungen: Monika Hohlmeier bei der Ankündigung ihres Rücktritts vom Bezirksvorsitz

Monika Hohlmeier bei der Ankündigung ihres Rücktritts vom Bezirksvorsitz

(Foto: Foto: dpa)

Der Münchner CSU-Abgeordnete Ludwig Spaenle lächelt nicht, er läuft mit ernster Miene durch die Gänge. Spaenle zählt zu den schärfsten Kritikern von Hohlmeier und gilt als neue Hoffnung für die desolate Münchner CSU. Zumindest bis jetzt. Denn so unterschiedlich die Versionen über das ominöse Dossier auch sind, eins wird am Mittwoch deutlich: Die Drohungen Hohlmeiers galten vor allem Spaenle und dessen Frau. Details will er nicht nennen, im Laufe des Tages sickert freilich durch, was Hohlmeier am Freitag in der Krisensitzung der Münchner CSU-Führung gesagt haben soll. "Deine Frau hat doch auch schon bei Wahlen betrogen", soll sie Spaenle nach übereinstimmenden Aussagen von Teilnehmern an den Kopf geworfen haben. Spaenles Frau Miriam ist Kreisvorsitzende der Frauenunion in München-Schwabing, dem Stimmkreis ihres Mannes. Zwar hat Münchens oberste CSU-Frau Elisabeth Schosser von solchen Vorwürfen "nie etwas gehört, obwohl ich von Beschwerden als erste hören müsste". Doch in der intriganten Münchner CSU brechen in diesen Tagen alle Dämme der Zurückhaltung.

Hoffnungsträgerin im Abseits

Klar scheint auf jeden Fall, dass Monika Hohlmeier in der turbulenten Sitzung mit ihren Münchner Kreisvorsitzenden am Freitag ihre Parteikollegen massiv unter Druck gesetzt hat. Und dass damit eine Eigendynamik in Gang gesetzt wurde, die sie letztlich überrollte. Auch wenn Hohlmeier beteuert, es gebe kein Dossier - ihre Kollegen haben den Vorgang anders erlebt, vor allem aber ganz anders empfunden. "Natürlich war das eine Drohung", sagt ein Mitglied des Bezirksvorstandes. Die Teilnehmer seien "ziemlich geplättet" gewesen, als Hohlmeier einen Ordner auf den Tisch gelegt, ihn aufgeschlagen und gesagt habe, da sei über jeden etwas drin.

Bevor sie Spaenle anging, soll sie einen Zettel aus dem Ordner gezogen haben, berichten zwei Teilnehmer der Sitzung. Das würde für die Version sprechen, dass Hohlmeier sich für die Sitzung eigens mit Belastungsmaterial munitioniert hat. "Die hatte das griffbereit dabei", erzählt einer, der dabei war. "Wer sowas hat, der hat das vorbereitet", zürnt ein ebenfalls beteiligter CSU-Kreisfürst. In dem Landtagszimmer, in dem die Runde zusammensaß, wurde es sehr laut, Hohlmeiers Gesprächspartner drohten zu gehen, "wenn du nicht sofort aufhörst mit dem Schmutz". Solche Methoden, meint ein Teilnehmer, "kommen sonst nur in der Mafia vor."

Es folgen Turbulenzen, die mit Hohlmeiers Rücktritt noch nicht beendet sind. Am Mittwochmittag treffen sich die Münchner CSU-Landtagsabgeordneten zum Mittagessen, in einer Sitzungspause, in einem Nebenzimmer der Landtagsgaststätte. Auch Stadtratsfraktionschef Hans Podiuk und der Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer, Hohlmeiers Vorgänger als CSU-Bezirkschef, sind dabei. Danach haben plötzlich alle Teilnehmer der Freitags-Sitzung Erinnerungsschwierigkeiten.

Offenbar hat man sich verständigt, keine weiteren Details preiszugeben. "Ach", sagt der Abgeordnete Thomas Zimmermann, "ich habe den Tag ausgeblendet." Der designierte neue Bezirkschef Otmar Bernhard will nicht einmal bestätigen, dass die Freitagsssitzung tatsächlich im Landtag stattfand. "Ich will eine Sitzung aus der Vergangenheit nicht weiter kommentieren", wimmelt Bernhard alle Fragen ab. Auch Ludwig Spaenle, der am Vormittag noch bestätigt hatte, Hohlmeier habe eine Bemerkung über seine Frau gemacht, will plötzlich gar nichts mehr sagen. Allerdings muss auch Hohlmeier zurückstecken und ein bereits angekündigtes Krisentreffen ihres Bezirksvorstands wieder abblasen. Der sollte ihr dabei eine Ehrenerklärung ausstellen - nur wollen die Vorständler eben das nicht: "Dazu gibt sich keiner her", sagt einer von ihnen.

Hoffnungsträgerin im Abseits

Die offizielle Linie ist zu diesem Zeitpunkt festgezurrt: durchhalten. Im Plenum des Landtags weist CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann Rücktrittsforderungen der Opposition gegen Hohlmeier als "völlig absurd" zurück. SPD-Fraktionschef Franz Maget hält Hohlmeier dagegen vor: "So etwas hat es zum letzten Mal bei der Stasi gegeben". Und Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause sagt: "Wenn Sie meinen, dass Sie ihr Amt ausüben können mit Druck und Erpressung, dann sind Sie nicht befähigt, Kultusministerin zu sein".

Aber Edmund Stoiber will seine Kultusministerin jetzt um keinen Preis verlieren, das Land steht vor schwierigen und umstrittenen Schulreformen. Hohlmeier sei eine außerordentlich erfolgreiche Kultusministerin und werde das auch bleiben, sagt Stoiber.

Wirklich? In der Kulisse wiegen CSU-Politiker bedenklich die Köpfe. Niemand möchte die Dossier-Geschichte öffentlich bewerten. Aber Hohlmeiers Drohungen werden als ernsthafte Belastung eingeschätzt. "Es könnte kritisch für sie werden", sagt ein führender CSU-Mann, der sich aber nicht zitieren lassen möchte. "Es könnte eine Situation entstehen, dass sie als Ministerin nicht mehr zu halten ist", sagt er. Ein anderer Kollege aus der CSU-Fraktion ahnt voraus, dass es so kommen könnte wie bei vielen anderen Affären zuvor auch: durch ständig neue Details, die bekannt werden, werden die Loyalitätsschwüre irgendwann brüchig. "Wenn die Medien so weiter berichten, ist sie in zwei Monaten nicht mehr Kultusministerin", sagt er.

Zumal da ja auch noch die Münchner CSU-Affäre selber ist. Auch hier ist Hohlmeiers eigene Verstrickung mitnichten geklärt, auch hier drohen neue Enthüllungen. Mit Schrecken sehen CSU-Insider den Berufungsverfahren entgegen, die die verurteilten JU-Leute Rasso Graber und Christian Baretti angestrengt haben. Dort wollen beide, wie sie schon angekündigt haben, nicht mehr schweigen. Was ist, wenn Hohlmeier dort in den Zeugenstand gerufen würde?

Eine andere Konsequenz zeichnet sich bereits ab: Der als Drahtzieher der Affäre eingestufte Münchner Landtagsabgeordnete Joachim Haedke wird wohl doch nicht nur mit einer Rüge davon kommen: Die Parteibasis drängt auf seinen Ausschluss. Wer weiß, was Haedke dann über die Rolle seiner Schutzpatronin Monika Hohlmeier erzählen würde?

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: