Zu sehen sind sie nie. Nur zu hören. Die Gatten, die im Nebenzimmer tun, was (manche) Männer nach dem Essen tun: Golfbälle durchs Zimmer schlagen und Bestellungen bei ihren Frauen in der Küche aufgeben – durch die Tür. Im Geplänkel der Damen werden über den Abend drei Unsympathen sichtbar. Leo, der für die Unterschlagung von Millionen in den Knast kommt; Hubsi, der immobilienmakelnde Fummler und Fremdgeher; und Dano, ein obsessiver Stalker, der für Liebe hält, was für andere Belästigung ist.
„Smell of the Kill“ heißt das Stück der amerikanischen Dramatikerin Michele Lowe im Original. Für das Hofspielhaus hat Georg Büttel, der auch Regie führt, die deutsche Übersetzung „Kaltgestellt“ noch einmal ins Münchnerische transferiert, was so gut funktioniert, dass die drei Damen von der ersten Minute an zu leben beginnen: Ladys der besseren Stadtgesellschaft, die am Ende ihrer Träume an einem Küchentresen gestrandet sind und sich Schlückchen für Schlückchen eine kleine Leichtigkeit antrinken wollen.
An der Wand hängt ein altes Werbeplakat. Mit Campari-Glas entsteigt eine Frau einem Käfig. Auf der Bühne halten sie sich an Gin – pur. Dem eigenen Leben entkommen sie nicht. Natascha Heimes spielt Nicki, eine Lektorin, der die tägliche Zumutung ihres ignoranten Gatten, dessen Hobby nicht die Literatur, sondern die Jagd ist, einen tiefen Grant aufs Gesicht gestrichen hat. Dominique Lorenz ist Susa, die Lederrock und Leopardenprint wie eine Rüstung gegen die Einsamkeit trägt. Victoria Abelmann-Brockmann ist als Isi von unheimlicher Fröhlichkeit, die in hyperventilierende Panik kippen kann.
Eigentlich wissen sie wenig voneinander, die drei Gestrandeten. Tauschen Tratsch und Peinlichkeiten aus über die, die gerade nicht anwesend ist. Das hat fiesen Witz, tollen Rhythmus und subkutane Spannung. Aus diversen Gründen entledigen sich die drei ihrer Blusen, sitzen in Unterwäsche voreinander. Die Oberfläche der gesellschaftlichen Förmlichkeit ist eine gespannte Membran, die irgendwann reißen wird.
Kurz vor der Pause hört man ein Klopfen. Aus Leos Kühlraum, dort, wo er die toten Tiere lagert. Die Türe ist zugefallen. Lässt sich nicht mehr öffnen. Alle drei Männer sind eingeschlossen. Als „Sommerkomödie“ wird „Kaltgestellt“ im Untertitel präsentiert. Aufgemixt mit Chansoneinlagen, gar einem flott in den Rührbesen gerappten „Ice Ice Baby“, swingen die Damen durch den Abend ihres Lebens und ahnen, dass es einen neuen Morgen geben könnte.
Was für eine Versuchung, die so greifbar vor den Frauen hängt, dass es auch das Publikum kaum noch hält. Die letzten Fragen vibrieren im Kellerraum des Hofspielhauses, und die Antwort liegt vielen auf der Zunge. Auf eine psychopathisch, wunderleichte Weise ist das entzückend bösartig.