Süddeutsche Zeitung

SZenario:Rampensäue unter sich

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Wenn selbst Pointen-Profis zu Tränen gerührt sind: die Verleihung der Hoferichter-Preise.

Von Philipp Crone, München

Dafür, dass später Tränen fließen, klingen sie vor der Verleihung schon sehr routiniert. Jaromir Konecny, einer von fünf Preisträgerinnen und Preisträgern, die am Mittwochabend im vollbesetzten Literaturhaussaal mit dem Ernst-Hoferichter-Preis ausgezeichnet werden, sagt zum Beispiel: "Ach, ich stand doch schon 20.000 Mal auf einer Bühne." Oder Comiczeichnerin Barbara Yelin, die zwar "freudig aufgeregt" ist, aber die paar erhöhten Quadratmeter im Saal auch nur lässig mit dem Blick streift. Hier wimmelt es von Rampensäuen, und gerade das macht diesen Abend spannend. Denn obwohl alle fünf von ihnen, im besten Hoferichterschen Sinne Münchner Allround-Künstler, verschiedene Genres der gehobenen Sprachkunst bespielen, stehen sie an diesem Abend natürlich auch in Konkurrenz.

Blumen für die Jurorin Brigitta Rambeck, die "Grande Dame von Schwabing"

Yelin ist vor Beginn leicht außer Atem, weil sie "mal wieder" beinahe zu spät war, was aber bei Veranstaltungen, in denen auch Alt-OB Christian Ude zugegen ist, zu vernachlässigen ist. Der kommt oft nicht nur beinahe zu spät, spricht dann aber genauso oft beinahe zu lang. Andererseits kennt Ude den ersten Preisträger Wolfgang Ettlich schon seit 50 Jahren, da darf man auch mal ausholen. Zu dem Zeitpunkt ist längst abzusehen, dass es ein emotionaler Abend werden könnte, nachdem Kulturreferent Anton Biebl zum Start der "Grande Dame von Schwabing", Brigitta Rambeck, eine begeisterte Verbalgirlande samt buntem Strauß überreicht hat, was dieser Frau, als unter anderem Autorin und Malerin eine ebenso würdige Hoferichterin in der Jury, Tränen in die Augen treibt und sie, "was mir selten passiert", sprachlos ist. Ganz anders als Ude.

Er preist den Gastronomen und Filmemacher Ettlich für die durch ihn entstandene "Aufbruchstimmung" und seine Lebensart, etwa im Jennerwein, diesem früher so herrlich verrauchten Kulturbiotop. Und das spätere "Heppel & Ettlich" habe ja einigen großen Künstlern eine erste Bühne geboten. Und dann fallen Namen wie Barwasser, Helge Schneider oder Doris Dörrie. "Meine legendäre Bescheidenheit verbietet es mir zu erzählen, dass auch ich hier meine ersten Auftritte hatte", sagt Ude und stabilisiert die hohe Lachfrequenz im Saal weiter. Nach 20 Minuten in herrlich mäanderndem Udisch ist Ettlich so gerührt, dass ihm die Tränen kommen, diesem so abgebrühten Filmemacher, der schon auf der ganzen Welt gedreht hat. Aber so eine Preisverleihung hat eben die gleichen Gesetze wie ein Pokalspiel.

Anschließend liest SZ-Redakteur Alex Rühle, ebenfalls Preisträger, die Laudatio der verhinderten Doris Dörrie auf Zeichnerin Barbara Yelin, über ihren "eleganten, klaren Strich" und ihre "zarten und eindringlichen Bilder". Auch diese Worte wirken, Yelin kommt mit feuchten Augen auf die Bühne. Dort erzählt sie, wie sie bei Graphic Novels "Bilder und Texte ineinanderschiebt", was in dem Moment, indem sie Bilder mit Texten kombiniert auf der Leinwand zeigt, sehr deutlich wird. Dafür gibt es langen Applaus, genauso wie für Schriftsteller und Poetry Slammer Konecny, dessen Performance auf Tschechisch-Deutsch die höchste Lachquote hat, vor allem seine Analyse der deutschen Sprache mit ihren "verfluchten Umlauten" und Schachtelsätzen. Nachdem dann auch Alex Rühle für seine mehrschichtigen Texte, die einen so oft zwischen den Zeilen lesen lassen, ausführlich beklatscht wurde, ist zuletzt Poetry-Slammerin Felicia Brembeck an der Reihe. Sie beschließt die Verleihung mit einer Gesangsperformance, bei der sich längst niemand mehr wundert, was Hoferichter-Preisträger so alles können.

An einem Abend, der früher, noch ganz ohne Rauchverbot, im Heppel & Ettlich, diesem Hoch- und Tiefkultur-Humor-Habitat, mit viel Bier und Zigaretten zu Ende gegangen wäre, hätte vor lauter Nachbesprechungsqualm kein Mensch mehr die Tür gefunden. Oder, ganz ohne Schachtelsatz und Umlaute: endlich wieder feinster Kultur-Slam.

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