Hörenswert:Selbst ist die Frau

Dorrit Bauerecker spielt Musik von Moritz Eggert

Von Rita Argauer

Rechte, Freiheiten, Gemeinsamkeiten, solch grundlegende Dinge werden gerade in Frage gestellt. Da erscheint es banal, einmal anzumerken, wie seltsam das für die Musiker sein muss, nun auf ihre Spielpartner zu verzichten, wenn sie es gewohnt sind, im Ensemble zu spielen. Kammermusik ist nun im Profi-Bereich zwar wieder möglich, auch Orchester spielen wieder, wenn auch noch nicht in größter Besetzung und auch mit Abstand, etwa an den Pulten, an denen die Streicher früher gemeinsam saßen. Eine Geste der selbstbewussten Selbstständigkeit im Alleinsein ist die Musik trotzdem, die die Kölner Pianistin und Akkordeonistin Dorrit Bauerecker und der Münchner Komponist Moritz Eggert gerade als "One Woman Band: Experimental Music Circus" (erschienen am 2. April über Kaleidos Musikeditionen und BR-Klassik) auf ein Album gebannt haben.

Dorrit Bauerecker

Stellt Klangwelten auf den Kopf: Dorrit Bauerecker.

(Foto: Dovile Sermokas)

Sechs Notenzeilen zeigten in Eggerts Kompositionen zum Teil an, was Bauerecken bei der Interpretation alles gleichzeitig alleine tun sollte. Neben dem Klavier kamen Samples, hochhackige Schule mit lauten Absätzen, eine Kaffeemahlmaschine und ein Wasserkocher mit Pfeifgeräusch zum Einsatz. Da aber Bauerecker nicht nur eine sehr experimentierfreudige Musikerin ist, sondern auch ziemlich virtuos spielt, bekommt sie diese koordinative Meisterleistung exakt hin.

Das Titelstück, die für dieses Album in Auftrag gegebene Komposition "One Woman Band", beginnt mit einer ruhigen einstimmigen und sich zunächst wiederholenden Klavierfigur in Mittellage. Darüber wird in hoher Lage trillernd geklimpert, dann beinahe klagend gesungen, bevor die Stimme in spitze Schreie wechselt und ganz an eines der Hauptausdrucksmittel der US-Punk-Band Babes in Toyland erinnert. Das Klavier wird dominanter, ein sanftes Rascheln leitet in einen fließend Part über, es folgt Baby-Geschrei. Es ist eklektisch, suchend, wild, aber - wie von Eggert gewohnt - ohne Scheu vor klassischen Dur-Moll-Harmonien. Fließender ist "One Woman Band II" mit einem fast jazzig-swingenden Klavierthema. "Dual Band" bildet den Schluss dieser Trilogie - fast triumphierend klingt das Eröffnungsthema wie aus einem Musical, aber gestört von tiefen, wuchtigen Bass-Akkorden und Kinderklavier-Grusel. Es trägt "Stück für zwei überforderte Spieler" als Untertitel und ist ein Duo, das auch in Zeiten von Social Distancing aufgeführt werden kann. Bauerecker an den Tasten und Eggert als "Manipulateur" des Innenraums des Konzertflügels. Das würde man gerne live sehen, wie der Komponist da im Instrumenten-Korpus hockt und die Saiten beim Klingen stört. Bauerecker kombiniert Eggerts Stücke mit Werken von Zeitgenossen wie Oxana Omelchu, Julia Wolfe oder Niklas Seidl. Dazwischen erklingt Rameaus "La Poule", hüpfend, aber in seiner barocken Ernsthaftigkeit auch von rührender Melancholie. Ein Album mit Neuer Musik voller Witz und harmonischen Zugänglichkeiten, voller punkigem Aufbegehren und Flirts mit Zirkus und Show.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: