Hochsaison für Einbrecher:Heimsuchung im Herbst

Wenn die Tage kürzer werden, steigt die Zahl der Einbrüche. Die Opfer haben damit meist lange zu kämpfen. Viele leiden danach unter Angstgefühlen und Schlafstörungen. Der Weiße Ring fordert eine Gesetzesänderung, damit die Betroffenen finanziell entschädigt werden.

Florian Fuchs

Im Herbst kommen die Einbrecher

Da viele Wohnungen und Häuser nur schlecht gesichert sind, haben Einbrecher oft leichtes Spiel.

(Foto: dapd)

Die Einbrecher kamen in der Nacht, sie bohrten ein Loch in die Terrassentür des Grünwalder Anwesens, dann räumten sie das Haus aus: Eine Stereoanlage ließen sie mitgehen, eine Videokamera und eine Golfausrüstung, zuletzt knackten sie den schwarzen Mercedes CL 500 in der Garage und fuhren davon.

Beatrix Hitzfeld bemerkte den Einbruch erst morgens um 6.30 Uhr, kurz nachdem sie aufgestanden war. Ottmar Hitzfeld, zur Tatzeit im Jahr 2001 Fußballtrainer des FC Bayern München, hat einmal erzählt, dass ihn seine Frau damals weckte, er den Diebstahl zur Kenntnis nahm und sie fragte, ob mit ihr alles in Ordnung sei - dann drehte er sich im Bett um und schlief noch eine Weile weiter.

Nicht jeder ist mit der Ruhe eines Mannes gesegnet, der als leitender Angestellter eines Fußballvereins Erfolge feierte, den man zu dieser Zeit wegen diverser Eskapaden seiner Spieler auch "FC Hollywood" nannte. Nicht jeder nimmt deshalb einen Einbruch in seine Wohnung oder in sein Haus so locker wie der heutige Teamchef der Schweizer Nationalmannschaft.

Neben dem materiellen Schaden leiden manche Opfer von Einbrüchen lange Zeit daran, dass ein Unbekannter in ihre intimste Privatsphäre eingedrungen ist. Sie bekommen Angstzustände, Schlafstörungen, manche ziehen sogar um, um die Tat vergessen zu können. Die Hilfsorganisation Weißer Ring kritisiert deshalb, dass die Opfer von Einbruchdiebstählen zu wenig Hilfe bekämen, und fordert auch gesetzliche Änderungen.

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat vor kurzem erstmals in einer bundesweiten Studie die seelischen Belastungen von Einbruchsopfern analysiert und dafür knapp 11.500 Personen befragt. 600 von ihnen gaben an, dass bei ihnen schon einmal eingebrochen worden sei, nur 23 Prozent dieser Personen hatten danach nicht mit längerfristigen Folgen zu kämpfen. Jeder Dritte von ihnen berichtete von einem Schock, jeder vierte von starken Angstgefühlen und jeder Fünfte von Schlafstörungen. 20 Prozent aller Betroffenen zogen in eine neue Wohnung.

Der Diplom-Psychologe Günther Deegener hat sich schon vor Jahren mit dem Phänomen beschäftigt und ist zu dem Schluss gekommen, dass fünf bis zehn Prozent aller Opfer durch die Tat so belastet sind, dass sie therapeutische Hilfe benötigen. "Das Heim ist unsere Burg", sagt er, "wer hier eindringt, verletzt das ureigene Rückzugsgebiet eines Menschen. Da kann man schon verstehen, wenn jemand aus dem Tritt gerät."

Deegener befragte zahlreiche Betroffene und wertete Fallbeispiele aus - mit dem Ergebnis: Manche probierten vergeblich, die Tat zu verdrängen, andere wollten nicht mehr alleine sein, ganz wenige versuchten, den Einbruch mit Hilfe von Alkohol oder Medikamenten zu verarbeiten. "Es kommt aber auch immer auf die Lebenssituation eines Betroffenen an", sagt Deegener.

Wer alleine lebe, kriege eher Probleme als jemand, der sozial gut abgesichert sei. Ältere Menschen hätten in der Folge eher Angst als jüngere. "Wer wegen irgendetwas ohnehin schon Stress hat, für den kann ein Einbruch das Fass zum Überlaufen bringen." Die Folgen äußerten sich bei jedem anders: Albträume, Kopfschmerzen, Magenschmerzen.

Anspruch auf finanzielle Hilfe?

In München wie auch in anderen Regionen, erzählt Helmut K. Rüster vom Weißen Ring, biete die Opferhilfsgesellschaft Betroffenen eine psychotraumatologische Erstberatung an. Wer Opfer eines Einbruchs geworden ist, kann sich bei der Organisation melden; sie vermittelt ein Gespräch mit einem Therapeuten. Den Betroffenen entstünden dabei keine Kosten, niemand müsse sich mit der Krankenkasse in Verbindung setzen. "Das soll die Hemmschwelle herabsetzen, sich Hilfe zu suchen", sagt Rüster, "viele wollen natürlich erstmal nicht zum Psychiater, weil sie sagen, dass sie doch nicht verrückt sind."

Ein Gespräch mit einem Experten wäre allerdings wichtig, um gerade langfristige Probleme zu vermeiden. So etwas helfe, die Sache realistisch einzuschätzen, sagt auch Deegener. Viele Opfer hätten nach einem Einbruch Angst, das dies wieder passieren könnte, dabei sei das ziemlich unwahrscheinlich.

Deegener warnt vor Überreaktionen: "Wem es hilft, durchwühlte Wäsche wegzuschmeißen, der soll es machen. Aber die Wäsche kann nichts dafür, dass sie durchwühlt wurde." Und ein Umzug sei eine ziemlich aufwendige Lösung. Gespräche mit einem Therapeuten seien zunächst einmal das bessere Mittel.

Allgemein litten Betroffene nach Einbruchdiebstählen oft unter denselben psychischen Problemen, die auch Opfer von Raubüberfällen treffen, sagt Deegener. Weil aber diese direkt von den Tätern bedroht oder verletzt wurden, erhalten sie viel mehr Hilfe. Der Weiße Ring kritisiert deshalb, dass das Opferentschädigungsgesetz für Betroffene von Einbrüchen nicht greift.

Das Gesetz besagt, dass Opfer von minderschweren Gewalttaten Anspruch auf finanzielle Hilfe haben, sofern sie durch den Angriff körperliche oder psychische Schäden davontrugen. Hausbesitzern oder Wohnungsinhabern, bei denen eingebrochen wurde, wird dies mit der Begründung verwehrt, dass kein tätlicher Angriff vorlag.

Der Weiße Ring fordert, das Delikt des Einbruchs auch in den Katalog des Gesetzes aufzunehmen, da der Täter "in die verfassungsrechtlich geschützte Privatsphäre des Opfers" eindringe und damit "das für die Lebensqualität wichtige Sicherheitsgefühl" verletzt werde. "Wir fordern das seit langem", sagt Rüster, aber bei den staatlichen Stellen bewegt man sich nicht." Opfern von Einbrüchen werde oft vermittelt, dass doch nichts Schlimmes passiert sei. "Das sollten wir so nicht weiter hinnehmen", sagt Rüster.

Es ist schließlich nicht jeder mit der Ruhe eines Ottmar Hitzfeld gesegnet. Und nicht jeder hat die Mittel, nach so einer Tat erst einmal in den Urlaub zu fahren, um abzuschalten und Abstand zu gewinnen. Hitzfeld entspannte damals ein paar Tage beim Golfen. Dann flogen er und seine Frau nach Ibiza und an die Cote d' Azur.

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