Hochhausprojekt:Albtraum vom beengten Leben zwischen den Türmen

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Der Masterplan für die ehemalige Paketposthalle an der Arnulfstraße mit den zwei Hochhäusern weit jenseits der 100-Meter-Marke stößt nicht bei allen Lesern auf Zustimmung

" Applaus für den Masterplan" vom 26. Juli, " München kommt dem Himmel näher" vom 24. Juli, "Neue Dimension für München" vom 24. Juli, " Dichter denken" und " Städtebauliche Parasiten" vom 25. Juli:

Ohne architektonischen Anstand

Der Jubel für die Hochhausbebauung auf dem Post-Areal an der Friedenheimer Brücke scheint ja grenzenlos zu sein. Aber weiß denn diese Generation einzuschätzen, was sie damit anrichtet und vernichtet? Wie sehr die Umgebung von Schloss Nymphenburg für alle Zeiten beschädigt wird? Voll Neid blicken wir hier auf Frankreich, dort gibt es für das Schloss Versailles ein Sondergesetz, das den Stolz eines Landes auf seine Kultur widerspiegelt: Vom Schloss aus darf kein Hochhaus zu sehen sein! Und die Franzosen halten sich penibel daran.

Ein Vorschlag, wie er jetzt bei uns auf dem Tisch liegt, wäre also absurd, absolut unvorstellbar und käme einem Volksaufstand gleich. Was damit gemeint ist kann auch jeder, der noch Gefühl dafür hat, nachvollziehen bei dem "Vierkantbolzen" (Altoberbürgermeister Kronawitter) der weit weg von Nymphenburg am Rande die Harmonie des Schloss-Rondells stört. Jetzt soll Ähnliches, aber uferlos überdimensioniert, gleich in nächster Umgebung von Schloss Nymphenburg passieren und damit wohl auch das Eis für weitere Abenteuer gebrochen werden.

Dem muss entgegengehalten werden, denn Sensibilität und Wertschätzung für unsere Kultur erfordert einfach, dass es noch einige Winkel geben muss, die dem Mainstream widerstehen können.

Wenn es denn sein muss, dann sind vier Türme - halb so hoch und damit etwas angepasst an die bisherige Bebauung - genauso zweckvoll und originell und suggerieren uns zumindest dort noch architektonischen Anstand. Und wir brauchen dringendst ein Gesetz ähnlich dem für Versailles. Dr. Hans Robert Adelmann, München

Nicht mein München

Dass die bisherige Bebauung zwischen Hauptbahnhof und Pasing teilweise sehr konventionell und eintönig ausfiel, zeigt sich dem Betrachter bei jeder S-Bahnfahrt in diesem Bereich. Da ist noch viel Luft nach oben, wenn nun das Paketpost-Areal neu gestaltet wird. Das geplante Areal mit zwei Türmen von jeweils 155 Metern sprengt allerdings für den Betrachter und Kenner des Viertels jede Dimension. Das zeigt sich schon an den Simulations-Skizzen der Architekten, die alles andere als die Schaffung eines lebenswerten Wohn- und Freizeitumfeldes vermitteln, sondern eher den Albtraum von beengtem Leben. Hier offenbart sich deutlich Gigantomanie, verbrämt mit euphemistischen Bezeichnungen ("zusammenhängende architektonischen Figur"). Natürlich fehlen in diesem Plan auch nicht die entsprechenden sozialen Einrichtungen, die als Lockmittel in den Vordergrund gestellt werden. Dahinter stehen handfeste ökonomische Interessen mit der Kreierung eines neuen Viertels, die möglichst nicht angesprochen werden sollen. Sie werden von den Politikern, die sonst zu Recht den Reibach, der mit Wohnungen und Immobilien gemacht wird, anprangern, bisher nicht thematisiert. Wer glaubt denn, dass in diesen Hochhäusern in den Wohnungen, die in den "oberen Bereichen" liegen sollen, bezahlbare Mieten verlangt werden? Seit wann fehlen in München zusätzliche Hotelbetten? Von der Beeinträchtigung der Sichtachsen soll hier nicht die Rede sein.

Jedenfalls stehe ich wohl nicht alleine, wenn ich dem Projektentwickler Ralf Büschl entgegenhalte, dass dies nicht "mein München" ist, auf das ich stolz wäre. Auch kann ich die Euphorie, die Gerhard Matzig über dieses Projekt äußert (Kommentar "Kuss für die Stadt" vom 24. Juli) nicht nachvollziehen. Zum Glück steht ja noch der demokratische Planungsprozess bevor, in dem Profitinteressen, architektonische Originalität und urbanes Leben in einen sinnvollen Ausgleich gebracht werden können. Dr. Toni Liebl, München

Mieterbedarf und Investorengier

Warum stellt die Stadt einem Investor für ein solches Filetgrundstück eine Bauleitplanung in Aussicht, ohne einen Architektenwettbewerb zu fordern, bei dem eine Fachjury und die Politik aus einer breiten Auswahl über den besten Entwurf entscheiden kann? Zumal es das Umfeld eines herausragenden Baudenkmals der Ingenieurbaukunst prägen wird! Warum lässt man stattdessen den Investor direkt Architekten beauftragen und so die Öffentlichkeit mit nur einem Entwurf überrumpeln? Warum gilt es als selbstverständlich, dass weltweit agierende Basler Architekten den für den Ort und für München unstrittig passenden Entwurf entwickeln? Oder soll der renommierte Name einen Masterplan legitimieren, womit jede Kritik als Ahnungslosigkeit abgetan werden kann?

Hohe Häuser brauchen entsprechende Abstandsflächen, auch wenn man verdichtet bauen möchte, zumindest annähernd ausreichende. Wie sind zwei 155 Meter hohe Türme mit der beim Masterplan so gelobten 'urbanen' Dichte in der Erdgeschosszone vereinbar?

Welchen Mehrwert bringen die Hochhäuser dem Viertel und der Stadt? Noch mehr Büroflächen und damit Arbeitsplätze für Menschen, die nicht vorhandenen, bezahlbaren Wohnraum benötigen? Oder wäre die Genehmigung der Hochhäuser nicht eher ein fragwürdiges Geschenk der Stadt an den Investor zu dessen Renditemehrung? Soll für ein paar Gewerbesteuereinnahmen mehr wirklich ein neues optisches Wahrzeichen für München, Kirchentürmen den Rang ablaufend, genehmigt werden, das in jeder x-beliebigen Stadt stehen könnte? Heinz Grünberger, München

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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