Hochhaus-Neubau:München erstickt in Langeweile

Klötzchen und Klotz statt Gebäude-Großplastik

"Hochhauspläne nehmen Gestalt an" vom 2. April über den von David Chipperfield geplanten Neubau der Bayerischen Versorgungkammer in München:

Ein paar Meter weiter vom geplanten Neubau steht am Mittleren Ring ein wunderschönes Hochhaus (das Hypo-Hochhaus; d. Red.), dessen Architekten (das Ehepaar Betz) und auch Bauherren (eine Bank) schon vor Jahrzehnten begriffen haben, dass Hochhäuser nicht nach oben verlängerte einfallslose Klötze nach Münchner Bau-Haus-Art sind, sondern dass man solche Gebäude wie im boomenden Asien quasi als Großplastiken begreifen und mit einem gewissen künstlerischen Anspruch(!) gestalten kann. Der große Bruder Klotz mit dem kleinen Brüderchen Klötzchen von Chipperfield: Das ist die Fortführung des gewohnten Münchner Stils, diesmal unter einem sehr bekannten Namen. Kein Gedanke an besondere Gestaltung wie beim erwähnten Nachbarhochaus, auch nicht an ein "grünes" Hochhaus. Totalverzicht auf stadtbildprägende Zeichenhaftigkeit entlang des Mittleren Ringes. Also mal wieder Münchner Einerlei. Ein Zweckbau, der Versicherte zu versorgen hat. Basta.

Man würde ja gern auch die anderen Preisträger sehen, die ihre Planung noch überarbeiten sollen. Man würde gern von der Zusammensetzung des Preisgerichtes erfahren, das diese Prämierung auch im Bauhausjahr (was, so scheint's, wirklich wenig mit München zu tun hat) so mutlos "hingeklotzt" hat.

Mehr Mut wurde in der SZ schon öfters für das Münchner Bauen gefordert. Aber die Landeshauptstadt erstickt weiterhin in verbreiteter baulicher Langeweile. Daran ändern auch die immer wieder von Investoren und deren Architekten geforderten "dürfen es vielleicht ein paar Meter mehr sein" über die pauschal-plakative Kronawitter-Grenze von 100 Meter hinaus nichts. Man diskutiert und lamentiert über Gebäudehöhen, während die Architektur und deren Gestaltung öfters mal auf der Strecke bleiben. Hauptsache, der Investor kann gut vermarkten, was ohnehin in München viel zu teuer ist.

Als ob München keine bemerkenswerte Stadtbaugeschichte hätte! Selbst die Prinzregentenzeit mit ihrem ungeheuren Wachstumsboom brachte Denkmalschutzwürdiges hervor. Und wo bleibt der Mut zur Architektur heute? Ein Glück, dass diese neuen Bauten anders als die meist solider gebauten der Gründerzeit nicht ewig halten und vermutlich nach vier bis fünf Jahrzehnten schon abbruchreif sein werden... Frank Becker-Nickels, München

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