Hochhäuser an der Paketposthalle:Investor will über die geplanten Türme abstimmen lassen

Hochhäuser an der Paketposthalle: Zwei rote Ballons sollen einen Eindruck vermitteln, wie hoch die zwei geplanten Türme über der Paketposthalle aufragen.

Zwei rote Ballons sollen einen Eindruck vermitteln, wie hoch die zwei geplanten Türme über der Paketposthalle aufragen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Gegner wollen die zwei 155-Meter-Türme mit einem Bürgerbegehren stoppen. Nun will auch der Investor die Münchnerinnen und Münchner selbst entscheiden lassen - damit die Türme doch noch kommen.

Von Sebastian Krass

Neue Wende in der Diskussion um die zwei geplanten 155-Meter-Hochhäuser an der Paketposthalle: Nachdem in der vergangenen Woche Gegner des Projekts um den CSU-Landtagsabgeordneten Robert Brannekämper angekündigt haben, einen Bürgerentscheid herbeiführen zu wollen, spricht sich nun auch der Investor Ralf Büschl dafür aus, die Münchnerinnen und Münchner entscheiden zu lassen. Er plädiert für ein Ratsbegehren, also eine vom Stadtrat initiierte Abstimmung. Mit Bezug auf Brannekämper und seinen Mitstreiter, den ehemaligen SPD-Stadtrat Wolfgang Czisch, sagt Büschl auf Anfrage: "Bevor diese Querdenker noch mehr Aufregung und Unwahrheiten in unsere Stadt tragen und ein Bürgerbegehren initiieren, könnte ich mir vorstellen, dass der Stadtrat selbst die Zügel fest in die Hand nimmt und über unsere Planungen und diese Chance für München abstimmen lässt." Falls sein Projekt eines Stadtquartiers mit verschiedensten Nutzungen scheitere, betont Büschl, dürfe er gemäß geltendem Baurecht auf dem Paketpostareal ein kleineres reines Gewerbequartier bauen.

Das "laute Geschrei der Truppe um Robert Brannekämper und des Münchner Forums", so Büschl, sei "wenig hilfreich, weder für eine zukunftsorientierte Entwicklung Münchens, noch für eine kluge Neugestaltung des Quartiers um die denkmalgeschützte Paketposthalle". Brannekämper und Czisch wollen mit einem neu gegründeten Verein "Hochhausstopp" Unterschriften für ein Bürgerbegehren sammeln, das zu einem Bürgerentscheid führen könnte.

Büschl ist als Beiratsvorsitzender der Büschl-Unternehmensgruppe aus Grünwald der Kopf hinter dem Bauvorhaben nördlich der S-Bahn-Station Hirschgarten, bei dem 1100 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätze entstehen sollen. Zudem soll die Halle, die derzeit noch von der Post genutzt wird, zu einem öffentlich zugänglichen Ort mit kultureller und sportlicher Nutzung werden. Ihm sei am wichtigsten, führt Büschl als Begründung für seinen Wunsch nach einem Ratsbegehren an, "Planungssicherheit und damit Investitionssicherheit" zu bekommen.

Mit seinem Vorstoß setzt er den Stadtrat unter Zugzwang. Zwar befürworten die drei größten Fraktionen das Bauvorhaben grundsätzlich, sie haben Ende 2019 noch im alten Stadtrat das Planungsverfahren auf der Basis eines "Masterplans" des Architekturbüros Herzog/de Meuron gestartet. Über den Weg zur Schaffung neuen Baurechts auch für die Hochhäuser sind sie aber uneins: Die Grünen haben sich schon vor Längerem für ein Ratsbegehren ausgesprochen. Man wolle lieber eine neue Entscheidung herbeiführen, "anstatt die im Bürgerentscheid von 2004 festgelegte 100-Meter-Grenze einfach für erledigt zu erklären", bekräftigte die Fraktionsvorsitzende Anna Hanusch, als im September die Oppositionsfraktion ÖDP/München-Liste ein Ratsbegehren beantragt hatte. SPD/Volt, die mit den Grünen koalieren, und die CSU finden, dass der Stadtrat selbst entscheiden sollte, welche Bebauung man auf dem etwa 14 Fußballfelder großen Areal erlaubt. In der Münchner CSU aber ist Robert Brannekämper längst nicht der Einzige, der den hochhausfreundlichen Kurs der Stadtratsfraktion kritisch sieht. Der Bezirksvorsitzende Georg Eisenreich will sich derzeit nicht auf eine Seite schlagen, sagt aber: "Die Bürgerinnen und Bürger zu solchen Themen um ihre Meinung zu fragen", sei "nie falsch".

Die Debatte um ein Bürger- oder Ratsbegehren fällt just in die Zeit, in der 126 Münchnerinnen und Münchner im Rahmen eines Bürgergutachtens Ideen zusammenstellen, welche Entwicklung sie sich auf dem Grundstück wünschen. Das Gutachten soll im ersten Quartal 2022 vorliegen. Man lerne damit "tief und qualifiziert die wirkliche Meinung der Münchnerinnen und Münchner zur Entwicklung des Paketpost-Areals kennen", sagt Büschl. Obwohl die Ergebnisse der Diskussionsrunden für das Gutachten noch gesammelt werden, prognostiziert er bereits den Tenor: "Die Menschen, auch die Teilnehmer des Bürgergutachtens, wollen mehr Freiraum und haben kein Problem mit Hochhäusern - wenn Hochhäuser gut geplant sind, ökologisch und nachhaltig gebaut werden sowie die vertikale urbane Stadt abbilden", sagt er.

Büschl erhöht den Druck auf die Stadt mit einem Alternativszenario, bei dem er sich auf bestehendes Baurecht auf einem Teil des Planungsgrundstück entlang der Wilhelm-Hale-Straße beruft: Nach Angaben des Planungsreferats wären insgesamt 54 000 Quadratmeter zulässig, was bei einer reinen Büronutzung grob gerechnet knapp 3000 Arbeitsplätzen entsprechen würde. Hinzu käme ein Baurecht von 10 000 Quadratmetern an der Arnulfstraße, wo derzeit ein Postgebäude steht, allerdings wäre für einen Neubau dort weiter eine "postalische Nutzung" vorgeschrieben. Wenn Büschl entsprechende Bauanträge stellt, könnte die Stadt ihm das nicht verwehren. "Alle anderen angedachten Nutzungen sind dann nicht mehr möglich", schreibt Büschl und ergänzt, diese "ausschließliche Nutzung des vorhandenen Baurechts wäre falsch für unsere Stadt, falsch für Neuhausen - auch wenn die Umsetzung für unser Haus durchaus wirtschaftlich wäre". Das Szenario wäre Büschl zufolge also: Wohnungen würden nicht entstehen, die Halle und große Flächen um diese herum blieben Brachfläche - aber mit Gewerbekomplexen würde er dennoch ein Geschäft machen.

Das Baurecht von 240 000 Quadratmetern, das im neuen Bebauungsplan angepeilt wird, dient nach Büschls Worten auch als Gegenfinanzierung für die 100 Millionen Euro, die es brauche, "um die Halle zum Leben zu erwecken". Er bietet zudem an, über die 40 Prozent bezahlbaren Wohnraums hinaus, die er nach der Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) bauen müsste, "freiwillig" weitere zehn Prozent "preisgedämpftes Wohnen und Altenpflege-Einrichtungen" zu bauen - also, vereinfacht gesagt, 500 statt 400 bezahlbare Wohnungen.

Aber müssen es unbedingt die zwei 155-Meter-Hochhäuser sein? Architektonisch wäre es denkbar, die 240 000 Quadratmeter auf andere Baukörper, etwa mit mehreren Hochpunkten von 60 oder 80 Metern, zu verteilen. Es gibt auch entsprechende Entwürfe von Herzog/de Meuron, die nicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. "Natürlich" habe man "alternative Architekturkonzepte untersucht", erklärt Büschl dazu. Das Konzept mit den zwei Türmen habe "jedoch alle mit großer Mehrheit überzeugt - die Stadtpolitik, die Verwaltung, die Stadtgestaltungskommission und auch jetzt die Bürgerinnen und Bürger, die am Bürgergutachten teilgenommen haben. Deshalb verfolgen wir nur unsere Planung". Weiter führt er aus: "Ohne Türme kann niemand die Halle für die Öffentlichkeit entwickeln. Das eine bedingt das andere." Deshalb zeige er auch keine anderen Entwürfe: "Alternative Pläne, die niemand umsetzen will, verwirren nur."

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