Schule:In dieser Klasse sind Hochbegabte unter sich

Schule: Das Klima in der 10d des Maria-Theresia-Gymnasiums, der Begabtenklasse, stimmt.

Das Klima in der 10d des Maria-Theresia-Gymnasiums, der Begabtenklasse, stimmt.

(Foto: Catherina Hess)
  • Hochbegabte Kinder und Jugendliche haben immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen.
  • Das Maria-Theresia-Gymnasium in München ist eines von acht Kompetenzzentren in Bayern, in denen besonders intelligente Schüler gefördert werden.
  • Dort gibt es nun eine spezielle Klasse für Hochbegabte.

Von Melanie Staudinger

Abitur mit 16? Emma Müller-Seydlitz könnte das ohne Probleme schaffen. Die 14-Jährige besucht die zehnte Klasse des Münchner Maria-Theresia-Gymnasiums (MTG), in zwei Jahren wäre sie mit der Schule fertig. Das aber möchte Emma nicht. Deshalb legt sie lieber noch ein Jahr im Ausland ein, bevor sie in die Oberstufe wechselt. Derzeit besucht Emma nicht irgendeine Klasse, sondern die Förderklasse für Hochbegabte, die d-Klasse, wie sie schulintern heißt.

Die 14-Jährige wohnt im Landkreis München, vorher war sie auf einem normalen Gymnasium. "Ich habe mir lange überlegt, ob ich hierher kommen soll", erzählt sie. Sie sei zufrieden gewesen mit ihrer alten Schule, nur mit den Klassenkameraden sei es manchmal schwierig gewesen. "Die waren ja alle zwei Jahre älter", sagt Emma.

Ein bis zwei Jahre älter sind ihre Mitschüler jetzt auch. Aber es ist trotzdem anders im MTG. In die Hochbegabtenklasse wird nur aufgenommen, wer das Auswahlverfahren besteht: Dazu gehört ein Hochbegabtentest, der neben kognitiven Leistungen auch Lernstrategien und das Selbstbild der Kinder abfragt, ein Gutachten der Grundschullehrkraft, Zeugnisse und ein Bewerbungsschreiben. Danach folgt der Probeunterricht. "Wir wollen eine harmonische Klasse haben", sagt Direktorin Birgit Reiter. Denn eines ist sicher: Selbstläufer sind die intelligenten Schüler nicht.

Seit 1998 gibt es am Maria-Theresia-Gymnasium einen gesonderten Zweig für besonders kluge Schüler, den ersten bundesweit. Damals war die Einrichtung noch umstritten, wie Reiter berichtet. Einige Leute hätten nicht ganz verstanden, warum man genau die fördern solle, die von Natur aus ohnehin schon mit einer hohen Intelligenz gesegnet seien. "Diese Diskussionen gehören zum Glück der Vergangenheit an", sagt die Schulleiterin. Dass nicht nur schwache Schüler, sondern auch leistungsstarke berücksichtigt werden müssen, hat sich in der Pädagogik durchgesetzt.

Heute ist das Maria-Theresia-Gymnasium eines von acht Gymnasien in Bayern, die sich Kompetenzzentrum nennen. An diesem Montag wird das Münchner Zentrum offiziell eröffnet. Das MTG unterstützt andere Gymnasien bei der Förderung von begabten Schülern und es soll Impulse in der Begabtenförderung setzen. "Um Bildungsgerechtigkeit herzustellen, muss auch das besonders begabte und potenziell hochleistende Kind stärker Berücksichtigung finden", sagt Ingmar Ahl, Vorstand der Karg-Stiftung, die das Projekt mit dem Kultusministerium betreut.

Schule: Direktorin Birgit Reiter leitet nicht nur eine Schule, sondern auch das angeschlossene Kompetenzzentrum für Begabtenförderung.

Direktorin Birgit Reiter leitet nicht nur eine Schule, sondern auch das angeschlossene Kompetenzzentrum für Begabtenförderung.

(Foto: Catherina Hess)

Wer Vorbild ist, muss auch mit der Zeit gehen. Bis zum vergangenen Schuljahr starteten die Hochbegabtenklassen erst in der sechsten Klasse, in der fünften Jahrgangsstufe waren noch alle Schüler zusammen. Das führte allerdings aufgrund der beengten Münchner Verhältnisse zu einer absurden Situation. Weil das MTG so beliebt ist, können in den Eingangsklassen nurmehr Kinder aufgenommen werden, die direkt an der Schule wohnen. Hochbegabte von weiter her mussten zunächst ein anderes Gymnasium besuchen und nach der fünften Klasse erneut die Schule wechseln. "Das war nicht sinnvoll", sagt Reiter.

In der Hochbegabtenklasse geht es nicht nur um den Lehrstoff, es geht nicht darum, eine neue Elite heranzuziehen. Vielmehr ist es ein Angebot für junge Menschen, die ein wenig anders sind als der Durchschnitt und zumindest zeitweise einen geschützten Raum brauchen.

Schnell gelten Hochbegabte als Streber

"Man schämt sich nicht", sagt David Amorim, "aber raushängen lassen will man es sich auch nicht." Der 15-Jährige will einmal Physik studieren. "Ganz das Klischee", sagt er und lacht. Mit Klischees und Vorurteilen kämpfen die Jugendlichen immer wieder. Schnell gelten sie als Streber, als Sonderlinge, die sich für Dinge interessieren, die andere Jugendliche nicht einmal ansatzweise verstehen.

"Man wird schnell abgestempelt", sagt auch Emma. Sie werde oft auf ihre schulischen Leistungen angesprochen, was ihrem Zwillingsbruder, der zwei Klassen unter ihr ist, nicht passiert. "Es wird viel von uns erwartet. Der Druck ist da", sagt Emma. Und der Neid. Einige Klassenkameraden an Regelschulen wollen von den klugen Schüler nur profitieren. "In meiner alten Schule wollten alle mit mir Gruppenarbeit machen", erzählt Maria Koller, 16 Jahre alt. Damit sie die Aufgaben löst und die anderen gute Noten abstauben können.

In der Hochbegabtenklasse ist das anders. Um in Ruhe lernen zu können, stehen die Jugendlichen morgens eher auf und nehmen einen längeren Schulweg in Kauf. "Viele empfinden es als Befreiung, dass sie jetzt leisten dürfen", sagt Reiter. Die Schüler fühlten sich stärker wahrgenommen in ihren Interessen. Sie lernen nach dem gleichen Lehrplan und haben dieselben Lehrer wie Gleichaltrige in den Regelklassen.

Mathe-Genies können Probleme in Latein haben

Sonst sind die Unterschiede groß. Die fünften Förderklassen starten mit Latein und Englisch. In der achten Klasse kommt Französisch hinzu. Zusätzlich zum sprachlichen Zweig belegen die Jugendlichen den naturwissenschaftlichen Zweig. Bei allen Aufgaben geht es immer um eine tiefere Ebene, die Deutung, die Anwendung. Der Unterricht ist stets auf hohem Niveau, viel Projektarbeit, viele Präsentationen.

Für die Lehrer sind die Unterrichtseinheiten eine Herausforderung. Wissensdurst kann anstrengend sein. "Sie müssen damit leben, dass manche ihrer Schüler in gewissen Bereichen einfach mehr wissen als sie", sagt Reiter. Das gefällt nicht allen Lehrern sofort, darauf müssen sie vorbereitet werden. Und auch die Schüler sind gefordert, denn nicht jeder tut sich in allen Fächern gleich leicht.

Es gibt durchaus Mathe-Genies, die Probleme in Latein haben. Diese müssen sich dann umso mehr bemühen, um beim schnellen Tempo nicht abgehängt zu werden. Wenn jemand mal was nicht verstanden hat, ist das auch nicht allzu dramatisch. Denn in der Hochbegabtenklasse gibt es immer einen Mitschüler, der alles kapiert hat und helfen kann.

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