Hobby-Bastler:Sein größter Reichtum ist die Zeit

Uhrensammler Paul Beiwinkler, Vogesenstraße 5a in Turdering

Schlag auf Schlag: Kaum ein Fleck, an dem Paul Beiwinkler keine seiner Uhren an Wände oder auf Vitrinen drapiert hat.

(Foto: Florian Peljak)

Das Haus des Uhrensammlers Paul Beiwinkler in Trudering gleicht einem Museum - und wenn seine Frau ihn aus dem Bastelkeller rufen will, braucht sie eine Trillerpfeife.

Von Renate Winkler-Schlang

Jede tickt anders. Die eine ganz zart, die andere laut und bestimmt. Es will scheinen, als zählten die kleinen Uhren die Zeit schneller als die großen, eher behäbigen Regulatoren. Zu jeder Viertelstunde öffnet sich bei den Kuckucksuhren das Türchen, dann schallt ein Ruf; andere Uhren lassen einen Gongschlag, einen metallischen Klang, eine winzige Melodie hören.

Und da Paul Beiwinkler, der Herr über diese mehr als 450 Zeitmesser aus allen möglichen Epochen, seine Uhren nicht exakt gestellt hat, kommen alle diese Klänge nacheinander. Dann erklingt eine wundersame, vielstimmige Komposition - leise Percussion, moderne Musik.

An der Vogesenstraße in Trudering findet sich dieses faszinierende Reich der tickenden Objekte. Ob Küche und Wohnzimmer, Wintergarten oder Keller: allüberall Uhren, an den Wänden, auf Tischen, Regalen, Fensterbrettern. Paul Beiwinkler, 79, war schon immer ein Sammler, schon als Kind bewahrte er schöne Glasmurmeln; später waren es Briefmarken, die sein Herz erfreuten, Münzen, Bierkrüge, Telefonkarten.

Die Uhren kamen erst im Rentenalter dazu. Eigentlich eine alte Liebe, denn: Schon als Kind hatte er gerne mit den Ketten und Gewichten von Omas Standuhr gespielt und immer gerne dabei geholfen, wenn die Uhr aufgezogen werden musste. Und wenn Oma schimpfte, weil er die Ketten verwirrte, verkündete er als kleiner Knirps: "Wenn ich groß bin, hab' ich auch so eine."

Nun sind es unzählige. Es begann mit geerbten Tischuhren von Mutter, Schwiegermutter, Verwandten. Paul Beiwinkler ist ein Mensch mit einem Sinn für technische Zusammenhänge, nach dem Abitur machte er eine Lehre zum Maschinenschlosser, es folgte ein Technikstudium, ein ausgefülltes Arbeitsleben bei Bosch. Als er 1994 in den Vorruhestand trat, hatte er viel Zeit und es galt, sie sinnvoll zu nutzen. Also reparierte er defekte Uhren seiner Freunde und Nachbarn. "Ein wunderbarer Zeitvertreib", freut sich Beiwinkler, während es im Hintergrund tickt und tackt und tickt und tackt. "Eine Uhr, die nicht richtig läuft, mag ich nicht."

Nicht jede musste er nach der Reparatur zurückgeben, so kam eine zur anderen. Auf Flohmärkten in Daglfing, Neuperlach oder Keferloh findet er seine Schätze - oder im Urlaub: Aus Lanzarote hat er die Uhr im Lavagestein mitgebracht, von Gran Canaria die mit dem wackelnden Delfin. Viel hat er dafür nie bezahlt: "Ich sammle nicht der Werte wegen, ich sammle aus Leidenschaft."

Beiwinklers Sohn will die Sammlung übernehmen - und weiter reparieren

Uhrensammler Paul Beiwinkler, Vogesenstraße 5a in Turdering

Damit jede Uhr auch möglichst die wahre Zeit zeigt, gibt es inmitten der historischen Exemplare auch eine moderne Funkuhr.

(Foto: Florian Peljak)

Und mit ebendieser Leidenschaft repariert Paul Beiwinkler seine Uhren und beginnt damit gleich nach dem Frühstück - immer dann, wenn alle wieder aufgezogen sind. Er hat sich seine Fertigkeiten autodidaktisch beigebracht und ist stolz darauf. "Ich ersetze sogar abgebrochene Zähnchen an einem Zahnrad", erzählt er und macht gleich eine Zeichnung, um den Vorgang zu erklären. Er hat sich Fachliteratur besorgt, hat sein Werkzeug ergänzt, sich eine große Licht-Lupe angeschafft.

Neben der Tischuhr, die wie Big Ben klingt und zu jeder Viertelstunde ein paar Schläge mehr von sich gibt, lehnt eine auf die Sekunde genaue Funkuhr. Schließlich muss Beiwinkler sicher sein, dass alles seine Richtigkeit hat und keiner der Zeiger zu schnell davoneilt.

Manchmal fällt ihm auch ein intaktes Uhrwerk in die Hände, dem das Gehäuse fehlt. Dann entwirft er selbst eins nach Mustern aus einem Katalog. Buche ist für ihn das beste Holz, weil es sich bei Feuchtigkeit am wenigsten verzieht. Er macht technische Zeichnungen, sägt, leimt, schleift, malt bäuerliche Blumen auf Uhrentafeln. Jetzt, wenn er nichts draußen im Garten zu tun hat und nicht für die Landsmannschaft der Donauschwaben arbeitet, deren stellvertretender Vorsitzender er ist, verbringt er ganze Arbeitstage in seinem Uhren-Keller - nur unterbrochen vom Mittagessen, zu dem seine Frau Gerda ihn mit einer Trillerpfeife nach oben bittet - die ist praktischer als das Haustelefon, sagt er. Beiwinkler braucht ein Hörgerät, hat sich eigens ein besonders gutes anfertigen lassen, damit er jedes Uhr-Tönchen gut erkennen kann.

Dass seine Frau sein Faible gutheißt, macht es ihm leicht: Oben, in der Wohnung, stehen die feinen Porzellanuhren und auch eine besonders schöne Uhr, umrahmt von einer spärlich bekleideten Jugendstilfigur, an der Beiwinkler einen Arm kunstvoll ersetzt hat. Eine andere Uhr ist verborgen in einer Art goldenem Gebetbuch: Der Umschlag zeigt vorne und hinten Fotos von ihm und seiner Frau.

Kürzlich hat sein Sohn zu erkennen gegeben, dass er die Sammlung übernehmen will. Das hat Beiwinkler gefreut. Sein aktuelles Projekt ist eine Standuhr, die er nach einem kleinen Modell baut. Die Teile hat er schon, die Gewichte hat er aus mit Blei gefüllten Alurohren selbst gemacht. "Ich bin ja Rentner, ich hab' Zeit."

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