Hitze:Kühle Brise, stickige Backstube

Es ist Sommer in der Stadt - doch die Temperaturen sind längst nicht überall gleich hoch. Die SZ hat gemessen, auf Baustellen, Türmen und in Trambahnen

Von Robert Meyer und Robert Haas (Fotos)

Baustelle: 33,8°C

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Majo nimmt kurz seinen gelben Bauarbeiterhelm ab, der Schweiß steht ihm auf der Stirn. Der Platz am Sendlinger Tor ist ohnehin nicht als Wohlfühloase bekannt, vier Tramlinien halten hier, auf der Lindwurm- und der Sonnenstraße blasen jede Menge Autos Abgase in die Luft. Doch derzeit übertönt das laute Kreischen der Kreissäge diese Geräuschkulisse problemlos. Vor mehr als einem Jahr hat sich der Platz in eine Dauerbaustelle verwandelt, damit 2022 der neue U-Bahnhof eingeweiht werden kann. Das Sendlinger Tor soll zu einem komplexen Verkehrsknotenpunkt werden - mit sechs U-Bahn-, fünf Tram- und zwei Buslinien. Die Folge: Kaum ein Tag ohne Staus an der Oberfläche. Auch an so heißen Tagen wie in dieser Woche müssen die Bauarbeiter für die termingerechte Fertigstellung schuften: Pralle Sonne, hupende Autos - es gibt bestimmt angenehmere Arbeitsplätze. Nicht nur, dass das Thermometer hier im Schatten fast 34 Grad anzeigt. Die Funken der Kreissäge machen den Eindruck nicht unbedingt besser.

Gießwagen: 23,0 °C

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Während andere ein paar Meter weiter auf der Baustelle am Sendlinger Tor schwitzen müssen, hat es Werner Hein in seinem kleinen Führerhäuschen ziemlich angenehm. Er bewässert die Blumen in der Stadt - und das bei angenehmen 23 Grad, der Klimaanlage im Wagen sei Dank. Bei manchen Passanten, die dem Wagen in der Stadt begegnen, könnte der spontane Wunsch entstehen, einmal durch den Wasserschleier zu laufen, um sich ein bisschen abzukühlen. Zumal ein anderer für derartige Erfrischungen beliebter Ort im Zentrum im Moment leider keine Option ist. Der Brunnen am Stachus nämlich wird schon seit Herbst vergangenen Jahres saniert - dort müssen nach knapp 45 Betriebsjahren fast 500 Meter Rohrleitungen und 200 Düsen ausgetauscht werden. Falls aber im Spätsommer noch einmal eine Hitzewelle Einzug in die Landeshauptstadt hält, können alle Münchner beruhigt sein: Voraussichtlich von September an werden die Bauzäune kein Hindernis mehr darstellen, wenn man nach Erfrischung sucht.

Marienplatz: 34,9°C

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Es scheint fast, als würde Andre aus Münster Geldstücke aus dem Fischbrunnen klauen. Doch eigentlich will er sich bei fast 35 Grad nur schnell erfrischen - da reicht es, einmal kurz die Arme im Wasser zu versenken. Gemeinsam mit seiner Freundin Jenny macht er derzeit Urlaub in München. Wer kurz darauf beim Glockenspiel am Münchner Rathaus dabei war, konnte ein faszinierendes Schauspiel beobachten. Bereits an kühleren Tagen bleibt die Welt auf dem Marienplatz während dieser Minuten kurz stehen - mit zahlreichen Menschen, die ihre Handykamera in Richtung des Glockenspiels richten. Doch während sich die Schaulustigen sonst über den gesamten Platz verteilen, ist die Touristenschar aus China, Russland und Landsberg in diesen Tagen eher ungleichmäßig verteilt. Auf der sonnigen Seite des Marienplatzes sah man nur einzelne Spaziergänger, die sich wenig für das Glockenspiel interessierten. Auf der anderen Seite reihten sich die Menschen an der Schattenlinie der Häuserfassade auf und traten sich gegenseitig auf die Füße.

Stadtmuseum: 33,3°C

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Wenn man durch den dritten Stock des Münchner Stadtmuseums geht, fühlt man sich ein bisschen wie in einem Horrorfilm. In den halbdunklen Gängen der Puppenausstellung blicken die Wachsbüsten und Pelzteufel unheilvoll aus ihren Vitrinen. Die Luft ist stickig, das Thermometer zeigt mehr als 33 Grad an. Man versteht sofort, warum das Stadtmuseum unter diesen Umständen Anfang der Woche entschieden hat, die Puppenausstellung wegen der Hitze zu schließen - nächtliches Lüften habe nicht mehr ausgereicht, um die Luft in den Räumen ohne Klimaanlage zu kühlen. Bis zum 19. August ist die Ausstellung nun geschlossen, um sowohl die Puppen als auch die Besucher zu schützen. Vor einigen Jahren war eine ältere Dame in der Ausstellung umgekippt, weil es zu heiß war. Und auch für die Angestellten wäre die Arbeit in den Gängen des dritten Stockwerks eine Zumutung. Entsprechend froh sind die Mitarbeiter, dass sie nicht mehr in die drückende Atmosphäre der Ausstellung müssen. Den Marionetten dagegen bleibt die Hitze nicht erspart.

Fladenbäckerei: 33,2°C

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Als blicke man direkt in den Schlund der Hölle. Das Feuer lodert im Ofen eines kleinen Ladens in der Landwehrstraße, zwei Blöcke entfernt vom Hauptbahnhof. Auf dem hinteren Tisch warten bereits die rohen Teigkugeln, die in den Ofen müssen, alle paar Sekunden schieben die Mitarbeiter der Bäckerei einen weiteren Fladen hinein. Ein Raum ohne Klimaanlage empfinden in diesen Tage viele ja schon als Zumutung. Doch es gibt Menschen, die in der Nähe eines 600 Grad heißen Ofens ausharren müssen. Der junge Dilovan hat dieser Tage wohl einen der heißesten Arbeitsplätze Münchens. Obwohl sämtliche Fenster und Türen der Backstube weit geöffnet sind, um möglichst viel Luft in den kleinen Raum zu lassen, misst das Thermometer in der Bäckerei bereits um zehn Uhr morgens eine Temperatur von mehr als 33 Grad - in der Nähe des Ofens dürfte es noch um einiges heißer sein. Zu viert schuften sie hier auf engstem Raum, Dilovan nur mit einem Achselshirt bekleidet - anders ließe es sich in diesem wenige Quadratmeter großen Raum wohl kaum aushalten.

Olympiaturm: 31,4°C

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"But first let me take a selfie!" Eine frische Brise, strahlender Sonnenschein, München als Kulisse: Chiara aus dem italienischen Modena lässt sich die Chance nicht entgehen, den Moment in einem Foto festzuhalten. Gemeinsam mit einer Freundin und deren Mutter ist sie für einen Kurztrip nach München gereist. Die angenehme Brise war in dieser Woche der entscheidende Vorteil des Olympiaturms. Denn 185 Meter können einen großen Unterschied ausmachen - zumindest was die Temperaturen angeht. Wer sich mit dem Aufzug nach oben befördern lässt, findet auf dem Olympiaturm einen vergleichsweise kühlen Ort. Ächzen die Besucher am Fuße des Turms unter fast 36 Grad, ist die Aussichtsplattform mit viereinhalb Grad weniger wirklich erfrischend. 31 Grad hören sich zwar auch nicht sonderlich kühl an, doch der Wind sorgt dafür, dass die Besucher gerne ein bisschen länger dort verweilen. Zum Beispiel die beiden brasilianischen Touristen, die erstaunt festgestellt haben, dass es in München derzeit heißer ist als in ihrer Heimat.

Tram: 35,8°C

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Der elf Monate alten Louisa scheint die Hitze in der Tram auf der Linie 17 wenig auszumachen. Sie ist gemeinsam mit ihrer Mutter Alexandra auf dem Weg ins Freibad. Erst am Mittwoch kam die kleine Familie aus dem Italienurlaub zurück. Im Süden Europas sei es wesentlich kühler gewesen, berichtet die Mutter . Dass in vielen Münchner Trambahnen Klimaanlagen eingebaut sind, davon merkt man in diesen Tagen eher wenig. In den Zügen der neuesten Generation, Avenio und Variobahn, läuft zwar eine Klima, doch gegen die brütende Hitze in den Häuserschluchten der Stadt kommen die Geräte kaum an. Während sich die U-Bahnen durch halbwegs kühle Tunnel unter der Erde bewegen, sind die Straßenbahnen den ganzen Tag über der prallen Sonne ausgesetzt. So wird es in den klimatisierten Bahnen sogar heißer als draußen. Der ein oder andere Trambahnfahrer hat sich sogar ein Handtuch über die Schultern geworfen, um sich die feuchte Stirn abzutupfen. Louisa nimmt es gelassen, während ihre Mutter ihre Haltestelle herbeisehnt.

Bordeauxplatz: 32,4°C

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Nicht nur die Menschen, auch die Pflanzen leiden unter der anhaltenden Hitze. Sie brauchen Hilfe, um die trockene Zeit zu überstehen, und diese Hilfe bekommen sie von Claudia und Doris. Tag für Tag pflegen die beiden Gärtnerinnen im Auftrag der Stadt die vielen öffentlichen Grünflächen und Blumen in München. Normalerweise sei es eine schöne Arbeit, sagen sie, doch in diesen Tagen, im Freien unter der sengenden Sonne, das sei schon hart. Von sieben bis 16 Uhr kümmern sie sich um die Pflanzen der Stadt. In den Morgenstunden ist es noch erträglich, doch spätestens ab zehn Uhr schlägt die Hitze mit voller Wucht zu. Die körperliche Arbeit mit Spaten und Handschuhen ist schweißtreibend. Was sie tun, um sich gegen die Hitze zu wappnen? Hüte oder Stirnbänder gegen den Schweiß seien eine Möglichkeit, um zumindest etwas Abhilfe zu schaffen, sagen die beiden. Doch letztlich sei die effektivste Methode denkbar simpel: Viel trinken. "Und ab und zu einen blöden Spruch" in Richtung Kollegin rauslassen, um die Laune zu heben.

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